1972 – Randy Newman bis James Luther Dickinson – Lenny Waronker ein Produzent, ein Label und keine Szene

Lenny Waronker, der in den Credits aller weiter unten vorgestellten Alben vorkommmt – ist Sohn eines Produzenten aus Hollywood, war von Kindesbeinen an mit Randy Newman befreundet, mit dem er gemeinsam Klavier lernte, und dessen Songs er früh als B-Seiten für diverse Künstler u.a. an Liberty Records – das Label seines Onkels – verkaufte.

Er studierte Musik und Business und war als Produzent und Session-Musiker tätig, hatte schon früh Arlo Guthrie kennen gelernt, war vielleicht auch durch dessen Erbe der linken amerikanischen Musik-Tradition nah, lernte Van Dyke Parks kennen, der sich einen Namen als Texter und Arrangeur für die Beach Boys gemacht hatte – und Ry Cooder, der Session Musiker u.a. für die Stones und Captain Beefheart gewesen war. 1966 wurde er A&R Manager beim aufstrebenden – und damals recht experimentierfreudigen Reprise Label (das übrigens von Frank Sinatra gegründet worden war!), und er ist derjenige, der hinter den hier unten beschriebenen Alben steht. Er hatte schon 70-71 versucht, die Karrieren dieser drei Musiker ans Laufen zu bringen. Der hohe Anspruch, den seine Freunde an ihre Musik hatten, wird ihm bewusst gewesen sein, er hat ihn vermutlich geteilt und er war sich vielleicht auch im klaren darüber, dass hier nicht viel Geld zu machen war. Das erste Album Randy Newman’s etwa wurde wegen Erfolglosigkeit verschenkt – Waronker muß das Ganze mit ziemlichem Idealismus verfolgt haben. Er entdeckte Little Feat (siehe unten…) aber auch andere, weit erfolgreichere Acts – so stand er hinter Gordon Lightfoot’s Welthit „If You Could Read My Mind“ (und dem dazugehörigen Album), hatte die Everly Brothers (auf deren Album Roots) und die Beau Brummels (Triangle und Bradley’s Barn) in The Band-Gefilde geleitet. Und so haben die hier unten vorgestellten Alben alle mehr miteinander zu tun als den Produzenten, gemeinsame Coverversionen und einen gemeinsamen Cast aus Session-Musikern. Es ist vor Allem die Herangehensweise, die in allen Fällen irgendwie exzentrisch/„europäisch“ wirkt. Alle drei – Newman, Parks, Cooder hatten ihre Debütalben hinter sich (…alles Alben die für sich schon toll genug sind) aber 1972 erreichten sie einen Höhepunkt in der Qualität ihres Materials. Und was alle Alben hier unten verbindet, ist ihr Bezug zu amerikanischen Musiktraditionen. Randy Newman hat dabei den komplexesten Ansatz, seine Musik speist sich aus Klassik, Filmmusik, Jazz und Spurenelementen von „Rock“ – aber am wichtigsten ist bei ihm diese textliche Doppelbödigkeit. Er war (und ist bis heute) für Amerika bei Weitem zu ironisch, und wird deshalb dort oft missverstanden. Wenn er in „Sail Away“ den „Little Wog“ einlädt, das Sklavenschiff zu besteigen, setzt er nicht nur einen der finstersten Teile der US-Geschichte in einen ironischen Zusammenhang, er gießt seinen ätzenden Humor auch noch über die Haltung der Amerikaner zu diesem Teil ihrer Geschichte – und ist damit für die USA nicht mehr politically correct. Van Dyke Parks, der Newman gewiss verstand, untersuchte auf seinem zweiten Album die Musik der Karibik, und konnte dabei nicht ganz ernst bleiben, vielleicht weil er schon immer einen Hang zum Surrealen hatte – was ihn wiederum mit Newman verband – wie seine Kenntnis der Arrangeurs-Kunst aus der klassischen Musik. Ry Cooder, der Beiden seine hervorragenden Slide-Fähigkeiten zur Verfügung gestellt hat, ist an den amerikanischen Musiktraditionen genauso interessiert: Er holt vollkommen vergessene Songs aus der Vergangenheit und versetzt sie auf bemerkenswert eigenständige Art in seine Zeit. Alle Drei experimentieren mit der Vergangenheit und schaffen es, daraus ihre ganz eigene Musik zu kreieren. Aber auch Little Feat und Jim Dickinson bedienen sich auf eigenständige und intelligente Weise an der amerikanischen Musiktradition – und Arlo Guthrie IST wie gesagt durch seinen Vater Woody Tradition – und durch die Art und Weise, wie er dessen Musik ins heute geholt hat. Sie alle werfen einen ironisierten und/oder idealisierten Blick auf die Musik-Traditionen ihrer Heimat. Und sie alle liefern damit 1972 entscheidende Alben ab.

https://music.apple.com/de/playlist/der-gro%C3%9Fe-rockhaus-1972-lenny-waronker/pl.u-8aAVV3jSo1eBM48

Little Feat – Sailin‘ Shoes

Warner Bros. 1972

Das zweite Album von Little Feat ist eines der besten dieses Jahres, ich habe es ausführlich im Hauptartikel 1972 beschrieben – und kann und will hier nur noch einmal betonen, dass Lenny Waronker für Sailin‘ Shoes zwar nur als „Executive Producer“ hinter Ted Templeman genannt wird, er aber die treibende Kraft hinter dem Vertrag bei Warner für diese Band war. Country, Folk, Jazz, Pop, zusammengekocht zu einer Suppe mit ganz eigenem Geschmack. Lowell George im kreativen Höhenflug, Musik von äußerster Qualität. Dass dieses Album tatsächlich zu den anderen hier genannten passt, zeigt erstens, wie breit Waronker aufgestellt war, und zweitens welchen Ansatz zur Erforschung der „amerikanischen“ Musik er hatte.

Randy Newman
Sail Away

(Reprise, 1972)

Art Director – Mike Salisbury. Auch Paris 1919 von John Cale

Heute mag Randy Newman hauptsächlich als Oscar-gekrönter Komponist von Disney Soundtracks bekannt sein – eine Familientradition – Aber er hat auch diese andere Seite – die Fähigkeit, als scharfzüngiger und intelligenter Beobachter des American Way of Life Musik von großer Eleganz und ebenso großem Sentiment zu machen. Gemeinhin gillt Sail Away, sein drittes Album,als sein Bestes – wobei man sich darüber nach Durchhören der vorherigen und folgenden Alben trefflich streiten kann – sind Newman’s erste fünf famose Alben doch in der „Original Album Series“ als CD’s zum Discount-Preis erhältlich. Bei Sail Away ist schon das Titelstück, in dem ein Sklavenhändler seinem Opfer das Leben in Amerika schmackhaft macht, ein Meisterstück der ironischen Wendung. Und der Sarkasmus bei „God’s Song“, in dem Gott die Dummheit der Menschen, die ihn trotz aller Katastrophen und Unglücke verehren, liebevoll belächelt, geht weit tiefer als jede plumpe Religionskritik. Aber Newman macht sich in „Lonely at the Top“ natürlich auch über sich selbst und seinen „Ruhm“ lustig. Und dennoch, er kann auch Zeilen singen wie „Let’s sing a song of long ago/ When things could grow and days flowed quietly“ und dabei ehrlich bewegt klingen – denn, was wäre alle Bitterkeit ohne ein bisschen Süße. Über die wunderbar arrangierten Orchester-Parts und die exzellenten Begleitmusiker könnte man eine eigene Kritik schreiben, letztlich mag Sail Away sein bestes Album sein, aber das macht die Vorgänger und Nachfolger nicht zu schlechten Alben. Wer Musik hören will, bei der Song, Text, Musik, Arrangement und Stimme (ja, genau diese Stimme!!) eine perfekte Einheit bilden, MUSS Randy Newman hören.

Van Dyke Parks
Discover America

(Warner Bros., 1972)

Illustration – Design Maru.

Und ebenso – heute mag Van Dyke Parks Manchem nur als Arrangeur und Partner von Brian Wilson von den Beach Boys bekannt sein. Oder als Helfer bein Joanna Newsom’s Ys, oder eben als weißhaarige Eminenz der gebildeten Pop Conaisseure – das war und ist er auch: Aber er hat auch etliche unbekannte, exzentrische und gute Alben gemacht. 1972 war er sicher noch nicht so etabliert wie heute, und sein Debüt-Album von ’68 war eine genauso katastrophale kommerzielle Bauchlandung wie Randy Newman’s Debüt aus dem selben Jahr. Was nicht die einzige Verbindung zwischen den beiden ist. Neben ihrer beider Vorliebe (und Kenntniss) klassischer Musik und Arrangements schätzten sie sich wohl auch gegenseitig als Musiker – Parks hatte Newman nicht umsonst auf seinem Debüt gecovert. Nun aber wollte er etwas ganz anderes machen: Er wollte das geneigte Publikum auf die Musiktraditionen der Inseln vor Amerikas Küste aufmerksam machen, indem er eine Platte aufnahm, auf der ausschließlich Fremdkompositionen von karibischer Calypso-Musik enthalten war. Dass diese Idee, gefiltert durch Parks exzentrische Brille, zu höchst seltsamen aber auch vergnüglichen Ergebnissen führen sollte, war abzusehen. Das Ergebnis wurde und wird bis heute aber auch gerne als Kuriosum wahrgenommen. Die Melodien der Songs sind von sonniger Heiterkeit, selbst wenn der Text schattig wird. Der Steel-Band Sound mag mit albernsten touristischen Bildern besetzt sein – Parks ließ u.a. die Esso Trinidad Tripoli Steel Band aufspielen – aber wenn man – wie bei Randy Newman – genauer hinhört, bekommt das grelle Sonnenlicht ein fast absurdes, sogar bedrohlich Strahlen – beabsichtigt oder nicht…? Die Versuche „zeitgenössische“ Songs von Allen Toussaint („Occapella“)und Lowell George („Sailin‘ Shoes“) in das Konzept zu fassen, gelingen wunderbar, weil das Album insgesamt eben doch deutlich nach Van Dyke Parks riecht. Dennoch – an diese Musik aus den 20ern bis 40ern muß man sich gewöhnen – oder man muß so neugierig sein, wie Parks, oder auch wie Ry Cooder…

Ry Cooder
Into The Purple Valley

(Reprise, 1972)

Cover Art – Ed Thrasher, Foto – Marty Evans

Archäologische Untersuchungen an den Ursprüngen der Amerikanischen Musik, die Dritte: Ry Cooder ist inzwischen für seine Arbeiten im Bereich „Weltmusik“ bekannt – dabei bewegt er sich bis heute eigentlich doch im Einflussbereich der Musik seines Landes wenn er mit afrikanischen Musikern die Wurzeln des Blues erkundet oder im Buena Vista Social Club die Musik Kuba’s erforscht. Diesen Ansatz verfolgte er schon auf dem exzentrischen 70er Debüt und auf den beiden 72erAlben. Into the Purple Valley ist Vieles auf einmal, und gilt auch deshalb als Ry Cooder’s bestes Album. Zum einen ist es eine Showcase seiner enormen Fähigkeiten auf Allem was Saiten hat, zum Anderen Beweis seiner enzyklopädischen Kenntnisse amerikanischer Musik. Für die Stones hatte er das Riff zu „Honky Tonk Woman“ erfunden, Randy Newman und Van Dyke Parks` Alben hatte er mit seiner Bottleneck Gitarre veredelt, hier spielte er auch noch Hawaiian Slack-Key und Mandoline und stellte sein Wissen um die Musik seines Landes dar, indem er Blues (Leadbelly’s „On a Monday“) oder Folk (Woody Guthrie’s „Vigilante Man“) neben „Hey Porter“ von Johnny Cash“ stellt, obskures wie „Taxes on the Farmers Feeds us All“ aus der Versenkung holt, oder das von Van Dyke Parks auf seinem Calypso-Exkurs ausgegrabene „F.D.R. In Trinidad“ in die USA zurückholt. Kein geringer Verdienst ist, dass er alle Songs zu seinen Eigenen macht, dass es ihm gelingt sie allesamt in seine Zeit zu transportieren und dass Into the Purple Valley trotz der eklektischen Songauswahl ein kohärentes Ganzes bildet – es ist tatsächlich ein Konzept-Album über die „Dust Bowl“ Ära der Dreißiger Jahre und eines der ersten Alben des damals natürlich noch nicht so benannten „Roots Rock“. Die Tatsache, dass seine Stimme Geschmackssache ist – sie ist weit weniger auffallend als die Randy Newman’s etwa, mitunter regelrecht tonlos – wird immer wieder bemängelt. Für mich unverständlich. Die Songs überstrahlen das komplett.

Ry Cooder
Boomers Story

(Reprise, 1972)

Foto – Susan Titelman. Cooders Ehefrau

Cooder muß die Kritik an seiner Stimme aber gehört haben, oder selber der Ansicht gewesen sein, dass sein Gesang nicht seine größte Stärke war (wie gesagt, ich habe mich an seine Stimme gewöhnt, und finde sie sogar ziemlich passend…), für sein drittes Album Boomer’s Story nahm er drei Instrumentalversionen alter und nicht ganz so alter Songs auf. Wobei vor Allem seine Interpretation des noch jungen Soul-Klassikers „Dark End of the Street“ (von James Carr definitiv eingesungen) fast an die Klasse von John Fahey’s mystischen Untersuchungen von vergessenen Blues-Songs und indischen Raga’s heranreicht…und ließ bei Sleepy John Estes‘ „President Kennedy“ denselben singen. Boomer’s Story klingt weniger eklektizistisch als der Vorgänger, bleibt atmosphärisch in der Ära der Dreißiger und stagniert auf dem erreichten hohen Niveau. Er hat hier mit dem Titelsong eine weiter Obskurität ausgegraben, die die Neuentdeckung lohnt, Beim Bürgerkriegs-Song „Rally Round the Flag“ spielt Randy Newman das getragene Piano. Hier kann man vielleicht am deutlichsten Ry Cooder’s „historischen“ Ansatz für seine Musik erkennen: Der von einem Patrioten der Nordstaaten komponierte Song wurde im Bürgerkrieg so populär, dass er auch von den Truppen der Südstaaten umgetextet und gesungen wurde. Cooder freilich benutzt die „Union-“ Version. Aus den Zwanzigern holt er den „Crow Black Chicken“ von Lawrence Wilson – einen Song der dann wiederum in das Repertoire anderer Bands einfloss. Diese Art der Musik mag seinerzeit nicht wirklich von Vielen gehört worden sein, – es war Musik für Musiker – aber sie zog immer größere Kreise. Die Roots des Roots Rock.

Arlo Guthrie
Hobo’s Lullabye

(Reprise, 1972)

Arlo Guthrie ist der Sohn einer Legende – einer Legende, die u.a. von Ry Cooder bewundert und gecovert wurde Aber Woody Guthrie war im Jahr ’72 schon seit fünf Jahren tot, war seit den frühen Fünfzigern durch seine Chorea-Huntington Erkrankung nicht mehr in der Lage, Musik zu machen und sein Sohn hatte seit 1967 eine erfolgreiche eigene Karriere mit drei Alben hingelegt – mit Musik, die das Erbe des Vaters aufnahm, die aber nicht die politische Eindeutigkeit und Bedeutung von Woody’s Dust Bowl Ballads hatte – oder hätte haben können. Lenny Waronker hatte diverse Alben Guthrie’s produziert, hatte im Vorjahr ein Tribute-Album mit Songs von Woody Guthrie zusammengestellt, die im Jahr 1968 von The Band live aufgenommen worden waren. Gäste waren damals u.a. Judy Collins, Pete Seeger, Odetta, Bob Dylan und eben Arlo Guthrie gewesen. Und das damalige Begleitpersonal bestand neben den Musikern von The Band natürlich wieder aus Ry Cooder und anderen Musikern, die in diesem Artikel immer wieder auftauchen. Arlo Guthrie’s viertes Solo-Album Hobo’s Lullaby nahm mit seinem Titel, der sich mit Railway-Romantik auf die aussterbende Klasse der Wander-Arbeitern bezieht, in gewisser Weise thematisch den Ball auf, den Vater Woody irgendwo in Klein-Arlo’s Kinderzimmer hatte liegen lassen. Und so coverte Arlo ganz passend Woody’s „1913 Massacre“ – einen Klagegesang über den Tod von 73 Menschen – streikenden Minenarbeitern und ihren Familien – die bei einem Weihnachtsfest in ihrer Heimatstadt in Michigan’s Kupfergürtel umkamen. Das Album ist eklektizistisch und bedient sich verschiedener Traditionen – da wird zwei mal Hoyt Axton gecovert, einmal auch Woody Guthrie’s Schüler Dylan – und dann ist da Arlo Guthrie’s größter Chart-Erfolg „The City of New Orleans“ – eine berührende Ode an die Eisenbahn-Romantik der Hobo-Generation seines Vaters… natürlich auch mit etlichen der hier oben stehenden Musikern eingespielt. Ry Cooder veredelte Axton’s „Lighning Bar Blues“ sowie das selbst-verfasste „Days Are Short“ mit seiner Slide, Jim Dickinson spielte Keyboard, Little Feat’s Richie Hayward war dabei und Lenny Waronker produzierte. Kurzum – dieses Album gehört sowohl thematisch – in seiner liebevoll verklärten Beschreibung amerikanischer (Sub-)Kultur – als auch wegen des Personals, das hier den Sound definiert, in diese Reihe

Gordon Lightfoot
Don Quixote

(Reprise, 1972)

Unter den hier genannten Musikern dürfte Gordon Lightfoot (zumindest zu Beginn der 70er…) der erfolgreichste gewesen sein. Er war 1970 von Lenny Waronker zu Reprise gelockt worden, hatte mit dem Album Sit Down Young Stranger und der Mega-Hit Single „If You Could Read My Mind“ die Leute in den oberen Etagen von Reprise davon überzeugt, dass Waronker eine gute Nase hatte, sich aber zugleich einen Ruf als etwas ZU kommerzieller Soft-Folk-Barde zugelegt. Nun – das dürfte ihm egal gewesesn sein. Lightfoot war ein Veteran, seit ’64 Recording Artist, ihm war es vermutlich recht, endlich Erfolg zu haben. Zumal er selbstbewusst sein durfte: Nicht nur Dylan hielt große Stücke auf ihn. Sein Stil und vor Allem seine sonore Stimme mögen auf den ersten Blick ein bisschen zu sehr im „Wohlfühl-Sektor“ unterwegs sein, aber seine Songs sind ausgefeilt und durchdacht, haben wunderbar schlaue Lyrics, er hatte sich einen Cast an edlen Begleitern zusammengesucht, die ihn auch auf den beiden ’72er Alben – beide produziert von Waronker – begleiten – und zuletzt muss man zugeben, dass er seit besagtem Hit-Album bis zum hierauf folgenden Sundown (’74) ein Quintett von ungemein schönen Alben hingelegt hat. Don Quixote ist von diesen fünf am nächsten am Folk, der Vorgänger Summer Side of Life war näher am Country – den hatte er schließlich auch in Nashville augenommen – für sein drittes Reprise Album ging er zurück nach L.A., ließ Waronker an die Regler und kehrte zum Folk-Sound + Orchester zurück. Dass seine Songs die Streicher so gut vertragen, darf man durchaus als Beweis für ihre Klasse nehmen, sein treuer Begleiter Red Shea, aber auch (wieder) Ry Cooder halfen dabei, die Songs zu veredeln. Der Titel-Track mag ein wenig schlicht sein, aber das maritime „Christian Island“ geht schon tiefer, „Looking at the Rain“ ist eine wunderschöne Ballade ohne jeden Süßstoff, mit „On Susan’s Floor“ covert er tatsächlich Shel Silverstein – einen Texter, der in seinem Zynismus an Randy Newman heran reicht – und mit dem epischen „A Patriot’s Dream“ schafft er einen Anti-Kriegs-Song, der völlig unpeinlich ist.

Gordon Lightfoot
Old Dan’s Records

(Reprise, 1972)

Und noch im gleichen Jahr wandte Lightfood sich wieder in Richtung Country: Old Dan’s Records vereint wieder seine Folk-Wurzeln mit Dobro, Banjo und Steel. Natürlich wird auch wieder das Orchester über manche Songs gelegt – mich erinnert das manchmal an Mickey Newbury’s Alben aus dieser Zeit, und wer einen Song wie „That Same Old Obsession“ etwas ZU kitschig findet, hat mein Verständnis. Aber – Hollywood Pathos und Technicolor Sonnenuntergang gehören zur amerikanischen Musik (… gemacht von einem Kanadier – übrigens…) Und mit „It’s Worth Believing und „Can’t Depend on Love“ sind mindestens zwei von Lightfoot’s besten Songs dabei. Und das ein bisschen aus dem Rahmen fallende „My Pony Won’t Go“ ist mein geheimer Favorit und wird von David Bromberg an der Dobro geadelt. Lightfoot mag ein bisschen untypisch in diesem Artikel erscheinen – aber er beleuchtet eine Facette der US-Songwriter-Kunst, die irgendwo zwischen Randy Newman und Arlo Guthrie strahlt.

James Luther Dickinson
Dixie Fried

(Atlantic, 1972)

Nein – Dixie Fried wurde nicht von Lenny Waronker produziert – aber ich will es hier dennoch behandeln: Jim Dickinson ist – wie Van Dyke Parks – eher als Produzent und Sideman bekannt (er hat u.a. für die Stones gespielt). Allerdings hat er einen weit „erdigeren“ Hintergrund als Parks. Ende der 60er hatte Dickinson für das Atlantic Label mit den Dixie Flyers eine Band zusammengestellt, die etliche Größen des Soul-Labels bei deren Aufnahmen begleitete (James Carr, Sam & Dave und Aretha Franklin), er war bei den weiter oben beschriebenen Alben Ry Cooder’s und Arlo Guthrie’s mit von der Partie und hatte sich in Musikerkreisen einen beachtlichen Ruf erarbeitet – also ließ Atlantic-Chef Jerry Wexler ihn mit dem Produzenten Tom Dowd ein Solo-Album aufnehmen. Dickinson verfolgte auf Dixie Fried einen ähnlichen Ansatz wie The Band, Little Feat und etliche der hier beschriebenen Acts, die zu dieser Zeit auf den reichen Fundus amerikanischer Musiktraditionen zurückgriffen: Er mixte Blues, Country, Soul und Southern Boogie zu einem saftigen Gebräu, ließ den Sound von New Orleans mit Hilfe von Dr. John’s Piano aufleben, coverte mit „John Brown“ einen obskuren Dylan-Song, klingt auf „Oh How She Dances“ wie Tom Waits ohne Rachen-Katharr und macht aus Paul Siebel’s traurigem “Louise” – über den einsamen Tod einer alternden Prostituierten – eine trunkenen Country Hymne. Das Album badet regelrecht im Sound von Dickinsons Heimatstadt Memphis – in Gospel, Country, Blues und Beale Street Jazz. Das mag zunächst wie eine wilde Mixtur wirken, aber die Intensität und Intelligenz mit der die Vorlagen interpretiert werden, machen Dixie Fried zu einem echten Erlebnis – zu einem Album, das zwar nicht in Waronker’s Umfeld entstand, aber dort hätte entstehen können. Man muss sich ‚reinhören, was wohl zu wenige taten, denn Dickinson ging danach auf Jahre nur noch ins Studio um zu produzieren – und zwar musikalische Hochkaräter wie Big Star und Alex Chilton, die Replacements und die Cramps (in den 90ern auch Bob Dylan….). Aber Dixie Fried wurde immerhin mit der Zeit zum Geheimtip, der genau hier hin passt..

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