1967 – 13th Floor Elevators bis The Standells – Ab in die psychedelische Garage

Welche Bands und welche Alben aus dieser Zeit bis heute „Gültigkeit“ haben, welche jederzeit hörbar sind und welche im Laufe der Zeit immer „unwichtiger“ werden, ist unmöglich zu bestimmen. Klar, Hendrix kann man doch immer hören – oder vielleicht doch nicht ?

Die Doors, die Byrds, das sind Bands, die bis heute bekannt sind – zumindest dem Namen nach – dabei hören sich gerade die Doors mit ihrem pathetischen Sänger doch auch irgendwie altertümlich an. Sind dann also Love die zeitlosere Band? Ich finde, der „psychedelisierte“ Garage- oder meinetwegen Acid Rock der End-Sechziger hört sich immer nach seiner Zeit an. Die Texte, die Sounds, die Art Musik zu machen, die Aufnahmetechnik, die Haltung, diese Band-Foto’s und Covermotive… all das sehr der damaligen Mode und den damaligen Möglichkeiten unterworfen. Und all das – für diese Zeit wohlgemerkt – abenteuerlich, aber inzwischen ins Zitatwörterbuch der Musik aufgenommen und mal angesagt, mal der langweilige Kram von gestern, als die Welt noch unschuldiger war. Letztlich zählen für mich die Songs, letztlich muß man ausprobieren, ob es gefällt. Wenn man sich tiefer in die psychedelische Musik dieser Zeit ‚reinhört, stößt man auf die weniger erfolgreichen Bands, die dafür aber möglicherweise experimenteller klangen, deshalb vielleicht weniger Erfolg hatten. Die keines der großen Labels im Rücken hatten (wie die drei Alben hier unten vom International Artists Label aus Texas), die nicht rechtzeitig am rechten Ort waren, die im Rausch untergingen, die aus irgendeinem verständlichen oder unbergreiflichen „twist of fate“ obskur blieben, die nur den einen einzigen Hit hatten. Für die gibt es auch den berühmten Nuggets-Sampler – in den Siebzigern zusammengestellt – auf dem solche Bands kompiliert sind: Hier also ein paar Bands, die mit ihren kompletten Alben weniger Glück hatten. Bands aus der zweiten Reihe, die anzuhören vielleicht sogar mehr Spaß macht, weil sie eben NICHT so bekannt sind. Und natürlich – solche Bands und Alben gibt es in jedem Jahr…. für sie insbesondere schreibe ich diese Artikel…

13th Floor Elevators
Easter Everywhere

(International Artists, 1967)

Das Debüt The Psychedelic Sound of… aus dem Vorjahr ist natürlich das quintessentielle Elevators Album – nicht nur wegen der Musik, auch wegen seines Covers. Musikalisch aber ist Easter Everywhere das bessere Album. Erst auf diesem zweiten Album hatten sie ihren seltsam-hypnotischen, von Tommy Hall’s Electric Jug angetriebenen Sound austariert. Allerdings gab es keinen Hit wie „You’re Gonna Miss Me“… Aber das Songwriting war über die Album-Länge konziser, mit einer perfekten Cover Version von Dylan’s „It’s All Over Now..“, mit harten, energetischen Songs wie „Levitation“ und mit „I Had to Tell You“ mit den Textzeilen „If you fear I’ll lose my spirit/Like a drunkard’s wasted wine / Don’t you even think about it/I’m feeling fine.“ Ein wirklich großer Song und zugleich ein prophetischer Abgesang. Denn nach diesem Album schlug das Schicksal bzw. die Hand der reaktionären texanischen Gesellschaft und ihrer Gesetze zu: Zuerst wurde Gitarrist Stacy Sutherland von der Polizei mit Marijuana erwischt und durfte Texas nicht mehr verlassen, dann verließen Bassist und Drummer die Band und gingen nach San Francisco. Der (zu dieser Zeit halb- legale) LSD-Konsum der Band und insbesondere des Sängers und Bandkopfes Roky Erickson’s nahm bedrohliche Ausmaße an. Zwar wurden kurzfristig ein neuer Drummer und Bassist gefunden, aber die Elevators durfte Texas nicht mehr verlassen (Insbesondere durften sie nicht nach San Francisco, wo sie eine Menge Beachtung bekommen hätten…) und ihr Abstieg begann.

The Golden Dawn
Power Plant

(International Artists, 1967)

Golden Dawn Sänger George Kinney war zusammen mit dem 13th Floor Elevators Sänger Roky Erickson aufgewachsen und Beide hatten gemeinsam in diversen lokalen Garagen Bands gespielt. Erickson stellte den Kontakt zum International Artist Eigner Leland Rogers her (übrigens der Bruder von Country-Pop Ikone Kenny Rogers) um der Band einen Vertrag zu verschaffen. So wurde Power Plantdann von Rogers produziert und klingt durchaus ähnlich wie die Elevators. Beide Bands haben ihre Wurzeln im gleichen Mid-60s Texas-Psych Rock. The Golden Dawn haben nicht den Kult-Status der Elevators erlangt haben, was wohl ironischerweise daran liegt, dass sie nicht ganz so durchgeknallt klingen und vor Allem keine so fatale Karriere hatten. Diese Art Kult darf es wohl nur einmal geben. Dabei war Kinney definitiv der bessere Sänger (obwohl seine fragile und manchmal fast schrille Stimme nicht jedermanns Sache ist). Er und Drummer Rector sind für die meisten der zehn Songs verantwortlich, unterschiedliche Tracks wie der Opener „Evolution“ und „The Way Please“ haben tolle Hooks und seltsam komplexe Lyrics. Besser noch sind allerdings härtere Nummern mit der obligaten Fuzz Gitarre wie „Starvation“, „I’ll Be Around“ und „My Time“. Fans der Elevators sollten das Album lieben und es gehört dem Vergessen entrissen…

The Red Crayola With Familiar Ugly
The Parable Of Arable Land

(International Artists, 1967)

Das Debüt-Album von The Red Crayola dürfte wohl für immer ihr (relativ) bekanntestes bleiben, und das obwohl die Band, deren Musik seinerzeit mit dem Begriff „Psychedelic“ kategorisiert wird, eher eine Art futuristischen Avant-Noise Rock außerhalb aller Schubladen spielte. Das Covermotiv jedenfalls entsprach dem Zeitgeist – aber die Songs des Band-Kopfes Mayo Thompson’s Songs über Hurricane Fighter Planes und unsichtbare Strahlung gehen manchmal fast in der Kakophonie aus „Free-form Freak-Out’s“ auf Kazoos, Flöten, Harmonica, Jugs, Flaschen, Stöcken und anderen Lärmerzeugern unter. Ein riesiges Ensemble aus Freunden, genannt „Familiar Ugly“ schuf dieses Chaos und Manche meinen, ohne all diesen Lärm hätte der Musik von Red Crayola womöglich sogar kommerzieller Erfolg beschieden sein können – eine Meinung die ich nicht teile – denn Thompsons Tunes und Stimme waren und sind bis heute mindestens gewöhnungsbedürftig – auch für die damalige Zeit. Im Vergleich zu mancher heutiger Freak-Folk etc… Band klingt The Parable of Arable Land allerdings überraschend konzis und genießbar, die Songs an sich sind fast Punk und der Einfluß, den Red Crayola (die Crayola nach diesem Album mit K schreiben würden…) auf Bands in den kommenden Jahrzehnten hatten, kommt nicht von ungefähr. Auch wenn – oder gerade weil – bei ihnen Inspiration und Vision weit über die technischen Möglichkeiten reicht, sind sie bis heute eine Institution der avantgardistischen Rockmusik. Dass Thompson in einigen Jahren Art-Punk Bands wie Pere Ubu prägen würde (und bei ihnen Mitglied wurde) hat eine bestechend-historische Logik.

Godz
Godz 2

(ESP-Disk, 1967)

Um mal mit Chaos weiter zu machen: Es gab dieses Label ESP-Disk, das sich auf sehr freien Jazz und sehr freie psychedelische Musik spezialisiert hatte und frei von kommerziellen Erwägungen einen hochgradig spannenden (und anstrengenden) Katalog an Musik veröffentlichte. Die Musiker der Band Godz – Larry Kessler (b, voc) und Jay Dillon (autoharp, voc) – waren beim ESP-Label beschäftigt und hatten schon im Vorjahr mit erschlichener Studiozeit ein Album (Contact High with the Godz) mit bewusst stümperhaftem Lärm zusammengebastelt. Das Prinzip der freien – völlig freien und bewusst durchgeknallter – Geräuscherschaffung wurde auf ihrem zweiten Album noch um eine Stufe überhöht. Es gibt natürlich vergleichbare Musik. Jandek fällt mir da ein, oder die Shags, und etliche Freak-Folk Projekte der 00er Jahre (siehe etwa die No-Neck Blues Band). Aber es ist erstaunlich, wenn man bemerkt, dass es so etwas schon in dieser Zeit gab. Das Prinzip, eine Textzeile über drei Minuten ständig zu wiederholen, kann in die Hose gehen – oder sich in Hypnose verwandeln – wie etwa bei „Soon the Moon“ Da klingt Kraut-Rock vor seiner Zeit an… Aber die Godz konnten sich auch in eine Garage Rock Band mit Killer Tunes verwandeln – beim Opener „Radar Eyes“ etwa. Völlig neben der Spur waren sie dann wieder auf dem neun-minütigen Meisterwerk „Crusade“. Und dann coverten sie doch glatt „You Won’t See Me“ von den Beatles, das nach fast „normalem“ Beginn in der Mitte zusammenbricht. Paul McCartney hat genau das immerhin gefallen: Er spielte ein paar Jahre später auf einem Album des Godz Schlagzeugers Paul Thornton mit, welches dann – typisch ESP-Disk -als Godz‘ Album veröffentlicht wurde. So wie mir so mancher Free-Form Noise immer wieder mal gefällt, so gefällt mir auch Godz 2. Ein Album, das ganz nebenbei durch die kluge Kürze der Stücke auch ausserordentlich „kurzweilg“ anzuhören ist. DAS sollten sich manche der modernen Noise-Collagisten mal zu Herzen nehmen!!

Kaleidoscope
Side Trips

(Epic, 1967)

Der Summer of Love brachte nicht nur Bands aus der Bay Area San Francisco’s an die Oberfläche. Auch L.A. hatte Psychedelisches zu bieten. Kaleidoscope entstanden aus dem Kern Chris Darrow und David Lindley. Beide waren enorm versierte Multi-Instumentalisten – der Eine den Beatles, der Andere dem Folk und Bluegrass verfallen. Sie holten sich mit Solomon Feldthaus einen weiteren Saiten-Könner dazu, der sich insbesondere für arabische Musik interessierte sowie eine Rhythmusgruppe, die auch noch ein paar zusätzliche exotische Instrumente bedienen konnte. Entsprechend eklektizistisch ist die Musik auf dem Debüt Side Trips und entsprechend exzellent ist die Ausführung. Da wird man mit den Beatles auf „Keep Your Mind Open“ nach Indien entführt, um im folgenden „Pulsating Dream“ mit den Byrds nach Haight Ashbury versetzt zu werden. Der Opener „Egyptian Garden“ ist dem Titel entsprechend im Nahen Osten zu verorten, „Oh Death“ und der „Hesitation Blues“ sind amerikanische Roots Music. Das Album dauert gerade mal 25 Minuten – gesegnete Zeiten, in denen man sich auch mal traute eine Single knappe zwei Minuten dauern zu lassen. Side Trips ist – wie so viele Psychedelic-Alben dieser Phase – in seiner Zeit gefangen. Was bedeutet, Wer sehr abwechslungsreichen Psychedelic Rock aus dieser Zeit mag, wird es lieben. Was mitunter bemängelt wird, ist die logische Uneinheitlichkeit. Tatsächlich könnte man meinen, hier spielten mindestens drei verschiedenen Bands – aber das ist bei nachvollziehbar und man kann es eben auch Abwechslungsreichtum nennen. In diesen Tagen und in dieser Szene galt „Anything Goes.“ Side Trips könnte Kaleidosope’s bestes Album sein, obwohl noch einige folgen sollten. Und noch 2 PS’e: Es gibt eine britische Band gleichen namens, die im gleiche Jahr ein sehr schönes Psychedelic Pop Album gemacht hat – und die LA-Kaleidoscope sind Leonard Cohen’s Backing Band auf seinem Debüt.

H.P.Lovecraft
I

(Phillips, 1967)

Die beiden Alben dieser Band aus Chicago gelten bei Acid-Rock Freaks als Kult. Das gilt für einige Alben aus dieser Zeit, obwohl sie letztlich nicht wirklich „besonders“ sind – oft läuft das unter Sammlern solcher Obskuritäten ja nach dem Prinzip, „je seltener, desto besser“. So ist bei H.P. Lovecraft I die Frage berechtigt, ob das Album nur rar und deshalb gesucht ist, oder ob es Qualitäten hat, die es nicht nur wegen des zeittypischen Covers sehens- und hörenswert machen. Und tatsächlich schufen H.P. Lovecraft zwei auch künstlerisch beachtenswerte Alben, die ihnen aus verschiedenen Gründen dennoch nicht den Durchbruch bescherten. Und das, obwohl sie alle Voraussetzungen für einen größeren Erfolg hatten. Sänger/Gitarrist George Erdwards hatte Erfahrungen in der New Yorker Folk-Szene gesammelt, war wieder in seine Heimatstadt Chicago zurückgekehrt und tat sich mit dem Keyboarder Dave Michaels zusammen um mit angeheuertem Bassisten und Drummer eine Band zu gründen, die sie nach dem Hund ihres Managers benannten. Zwar hatten sie mit ihrer Debüt-Single „Anyway That You Want Me‘ b/w ‚It’s All Over For You“ wenig Erfolg in den Charts, aber ihr Label Phillips hatte den Plan, mit dieser Musik im aufblühenden Album-Markt zu reüssieren. Die Band nutzte die Chance , um eine zeitgemäße Mischung aus gut gewählten Cover-Versionen und eigenen Songs aufzunehmen. Sie nannten natürlich den okkulten Schriftsteller als Inspiration, verbanden Folk-Rock Strukturen mit psychedelischen Farbtupfern aus Fuzz-Gitarren und Michaels‘ klassisch geschultem Orgelspiel und hatten ausgefeilte zweistimmige Vocals auf Lager. Die Coverversion von „Wayfaring Stranger“ hatte zwar genausowenig Erfolg wie die erste Single, aber das Album verkaufte sich zunächst halbwegs befriedigend. Die Band ging nach San Francisco und erspielte sich Live einen guten Ruf. Songs wie das Randy Newman Cover „I’ve Been Wrong Before“ (eines der ersten übrigens…) oder das selbstgeschrieben „TheTime Machine“ sind eigenständiger, gut gemachter Psychedelic Rock. Das zentrale „The White Ship“ mit unheimlicher Orgel, sanften Chören und düsterer Schiffsglocke wurde zum Underground-Hit, aber ein Erfolg, wie ihn die Doors etwa hatten, blieb aus. Vielleicht gab es schon zu viele Bands, die dieses Feld beackerten, vielleicht hatten sie als „Zugereiste“ einfach nicht die nötigen Connections – an der Qualität von H.P. Lovecraft I ändert das Nichts.

Clear Light
s/t

(Elektra, 1967)

Clear Light wiederum sind eines dieser Beispiele für die auch 1967 schon weit verbreiteten Allmachts-Fantasien von Plattenfirmen-Bossen und Produzenten. Paul Rothschild von Elektra Records hatte die Doors und Love erfolgreich plaziert – jetzt sollte eine Band mit dem poshen Namen Clear Light der nächste Hit-Lieferant werden. Eigentlich war die Band um den Gitarristen und Songwriter Bob Seal und seinen Kumpel Dallas Taylor (dr) unter dem Namen Brain Train entstanden. Sie hatte diverse Besetzungswechsel mitgemacht, den Namen in Clear Light (nach einer besonders efektiven LSD-Sorte) geändert und mit zwei Schlagzeugen, einem entsprechend wuchtigen und prägnanten Sound einige Konzerte neben Bands wie Kaleidoscope oder den Doors bestritten – und fleißig Songs und Erfahrung gesammelt. Man ging mit dem Label Boss Rothschild ins Sunset Sound Studio – und musste sich dort von dem vorgeben lassen, wie man zu klingen hatte. Clear Light ist trotz all der unerfreulichen Umständen nicht schlecht – im Gegenteil: Diese Band hatte einen tollen Sound genau in der Mitte zwischen den Doors und Love. Ralph Schuckett’s Orgel dröhnt, Bob Seal’s Gitarren winden sich psychedelisch, zwei Schlagzeuger erzeugen Druck, Bassist Doug Lubahn ist so gut, dass die Doors ihn für ihre Studio-Sessions ausliehen – und mit Cliff DeYoung wurde der Band ein Sänger vorangestellt, der als Schauspieler Jim Morrison’s Theatralik Paroli bieten konnte. Interessant an Clear Light ist, dass trjotz der Hype-Mechanismen etliche wirklich gelungene Songs zustande kamen. Die Single „Black Roses“ erinnert an Love – hat die Klasse ihrer besten Songs. Seal’s „With All in Mind“ ist toller Psychedelic Rock mit leichten Country-Anklängen, die wohl mit Neil Young’s Hilfe zustande kam. Man denke an Byrds in kraftvoll. Die zwei Tracks des Bassisten Lubahn sind zeittypischer Psych-Rock, DeYoung und Schuckett dürfen den absurden Zirkus-Walzer „The Ballad of Freddie & Larry“ aufführen – alles ein bisschen dircheinander, aber mit großem Elan performt. Danach ging die Band auf Tour, Rothschild fand Band-Gründer Bob Seal doof, warf ihn raus und es blieben nur noch rauchende Trümmer von Clear Light. Dallas Taylor schloss sich bald Crosby, Stills & Nash an, dieses Album aber versank bald in Vergessenheit. Schade eigentlich.

The Seeds
Future

(GNP Crescendo, 1967)

Heute mag man fein säuberlich trennen (wollen) zwischen Psychedelic Rock, Acid Rock und Garage Rock/Pre Punk – seinerzeit dürften all die Bands sich um die Bezeichnung ihrer Musik nicht geschert haben – und sich am Buffet der aktuellen Moden je nach Appetit bedient haben. So gelten The Seeds und ihr Sänger Sky Saxon als Vorzeige-Pre-Punk Band – und haben mit ihrem dritten Album Future ein völlig von Sounds und Moden des Psychedelic Rock durchzogenes Album gemacht. Die Seeds waren eine recht erfolgreiche Hit-Band, hatten ’65 mit „Pushin‘ Too Hard“ einen Hit in den Charts gehabt und sich als harte, laute Band etabliert. Aber Bandkopf Sky Saxon wollte mehr: Ihm ging es darum, das gewachsene Können seiner Band zu präsentieren, komplexere Songs und Strukturen auszuarbeiten, den Sound so zu erweitern, wie es das Bewusstsein der Gesellschaft anscheinend verlangte. Man wirft den Seeds vor, sich an Sgt Peppers.. orientiert zu haben – aber das ist nachweislich falsch. Als Future fertig war, kam das Referenzwerk der Beatles gerade in die Läden. Und ihre „Punk“-Vergangenheit verleugneten die Seeds auch nicht – auch wenn nun viele Songs mit Orchester, Sitar, Tuba (!) oder Kirmes-Orgel ausgestattet wurden gab es mit „Out of the Question“ und „A Thousand Shadows“ kleine Fuzz-Gitarren Ausbrüche – nicht mehr ganz so ungebremst wie ’65, aber immer noch Garage-Rock wie er nur in den USA zuhause war. Aber wenn Saxon in Songs wie „Painted Doll“ oder „The Flower Lady and Her Assistant“ den peacigen Flower Power Boy gab, war das für die alten Fans vielleicht zu viel – und neue Fans hatten ein Über-Angebot an psychedelischem Pop zu verarbeiten. Schade also, denn Future IST stylish und einzigartig. Sky Saxons grelle Stimme passte zum neuen Sound, sie hatten etliche gute Songs und zeitgemäß exotische Ideen, aber irgendwie ging das Album unter. Die Single „A Thousand Shadows“ erreichte nur die hinteren Ränge der Charts und in der Folge verliefen die Seeds sich im Versuch immer neuen Trends zu folgen. Dass Sky Saxon ein talentierter Songwriter mit eigenem Profil war, bleibt Fakt. Future sitzt genau in der Schnittmenge zwischen Garage und Flower Power. Trivia am Rande: Das Cover ist von Sky Saxon selber gezeichnet.

The Chocolate Watch Band
No Way Out

(Tower Rec., 1967)

Noch mal die Schnittmenge aus Garage und Psychedelik. Die 1965 gegründete Chocolate Watch Band war zunächst den üblichen Weg gegangen: Als British Invasion-Cover-Band Stones und The Who nachgespielt, sich live einen guten Ruf erarbeitet – aber dann auseinander gefallen, den Namen geändert, unter altem Namen reformiert, Bandmitglieder ausgetauscht, und Ende ’66 neu entstanden. Chef im Ring war jetzt Gitarrist Mark Loomis, der hatte mit Sänger David Aguilar einen ziemlich dominanten Partner und Songwriter neben sich. Das Jahr ’67 verlief chaotisch. Ihr Management schickte sie hierhin und dorthin, besorgte ihnen Studio-Zeit, ließ dann aber die Songs teilweise von Studio-Musiker einspielen – insbesondere Sänger Aguilar wurde auf etlichen Songs vom Session-Crack Don Bennett ersetzt. Unverständlich, weil Aguilar genau wie Bennett überzeugend den Mick Jagger zu geben vermochte. Das Material für das Debüt wurde vom Produzenten Ed Cobb ausgewählt, die Band hatte quasi kein Mitsprache-Recht… Und trotzdem ist No Way Out eine gelungene Sache: Auch hier ist es ein Mix aus Garage Rock a la Stones und Psychedelic Rock, der das Album für manche uneinheitlich, für andere aber abwechslungsreich klingen lässt. Es gibt das schöne Instrumental „Dark Side of the Mushroom“ (keine Anspielung auf Pink Floyd, Dummies), mit Fuzz Gitarren und Farfisa-Orgel, es gibt bedrohlichen Garage Rock bei „Are You Gonna Be There (At the Love-In)“, es gibt einen schrägen Psychedelic Track wie „Gossamer Wings“ – geschrieben von besagtem Studio-Ersatz-Sänger Don Bennett – und das von Bennett eingesungene „Let’s Talk About Girls“ wurde zum Publikums-Liebling und landete fünf Jahre später auf der berühmten „Nuggets…“ Compilation. No Way Out mag auf seltsame Weise entstanden sein, aber es ist das famose Dokument einer chaotischen Karriere und Zeit – und mit The Inner Mystique gelang der Chocolate Watch Band sogar noch ein wunderbarer Nachfolger – wieder mit diesem seltsamen Sänger-Wechsel-Spiel im Studio….

The Sonics
Introducing The Sonics

(Jerden, 1967)

DIE hier waren nicht der Blumenkinder-Phhilosophie verdächtig: Die Sonics aus Tacoma, Washington hatten mit ihren ersten beiden Alben Here Are the Sonics (’65) und Boom (’66) Punk schön laut vorgedacht. Ihr donnernder Schlagzeug-Sound war legendär – und brachte das seinerzeit ingenieur-wissenschaftlich orientierte Studio-Aufnahme-Personal regelmäßig zur Verzweiflung. Ihre Texte über Drogen und böse Menschen waren Objekte angewiderter Faszination und ihr Image war viel zu finster für den Sommer der Liebe. Aber dann hatten sie die Heimat-Region verlassen, bei einem neuen, vorgeblich besseren Label unterschrieben – und verloren sofort ihren Schneid. Dass Jerden Rec. das Album Introducing The Sonics nannte, war ja schon blöd genug. Dass sie aber zugleich die zwei (lokalen) Hits der Band noch einmal in gezähmter = weniger lauter Art einspielen ließen, roch streng nach Ausverkauf. Man war nach Hollywood in Larry Levine’s Gold Star Studios geschickt worden – und dort wurden Zähne gezogen. Nicht mißverstehen: Introducing… ist kein schlechtes Album, jede andere Band wäre damit mindestens Kult geworden, die beiden alten Hits „Psycho“ und „The Witch“ sind selbst in gezähmter Form ein wilder Ritt. Aber Sänger und Songschreiber Gerry Roslie musste sich beim Schreien zurückhalten und Bob Bennetts Drums klangen wie… Drums eben. Die Sonics hatten sich anscheinend die Yardbirds angehört und spielten auf diesem Album nun weissen Blues in roher und abgehackter Version, Muddy Waters‘ „I’m A Man“ geht als gezähmter Punk ganz gut, mit „Love Lights“ gibt es eine Ballade, die mancher anderen Band gut gestanden hätte – bei den Sonics wirkte sie ein bisschen fremdartig. Bald nannten die Musiker das Album „the worst garbage“ – aber der Ruf war ruiniert und sie lösten sich auf. Ihre ersten beiden Alben sind große Kunst – dieses ist immerhin Kleinkunst.

The Litter
Distortions

(Warick, 1967)

Schon mit den Sonics habe ich stilistisch und geografisch das Epizentrum des Summer of Love verlassen. Die USA sind riesig und in Gegenden, die nicht die Westcoast sind, war der „Summer of Love“ wohl eher ein kühler Frühling. Aber trotzdem wurden auch in Provinz-Garagen der Musik psychedelische Farbtöne beigemischt. Da gab es z.B. mit The Litter eine der populärsten Garage-Rock-Bands in Minneapolis und Umgebung. Auch sie hatten mit den Songs von The Who und den Stones geübt, auch sie hatten inzwischen ein paar eigene Songs – und auch sie hatten den EINEN Hit, der sie über die Grenzen der eigenen Stadt bekannt machte. Dabei stammte „Action Woman“ nicht einmal aus der Feder eines Band-Mitgliedes: Produzent Warren Kendrick hatte laut eigener Aussage den Song auf 13-15 Jährige und möglichst erfolgreichen Einsatz bei lokalen Radio-Stationen zugeschnitten, The Litter hingegen wollten eigentlich The Who und den gerade so angesagten Psychedelic Sound miteinander verbinden. So kam es, dass Gitarrist Bill Strandloff sein Instrument für „Action Woman“ auf derart beeindruckende Weise kreischen ließ, dass diese Fuzz-Orgien und die Rückkopplungen zum Markenzeichen für The Litter wurden… Und so ist es logisch, dass ihr erstes Album Distortions heisst. Für dieses Debüt wählte die Band neben dem Hit diverse britische Rhythm and Blues-Songs aus – und schaffte es tatsächlich, aus den Cover-Versionen einen eigenständigen Mix zu machen, „Substitute“ von The Who mag anämisch klingen, aber „A Legal Matter“ (die B-Seite der Single) war sehr wuchtig – und hatte das erwünschte Fuzz-Solo. Skip James‘ „I’m So Glad“ hatte man so entschlossen noch nicht gehört, bei „Rack My Mind“ von den Yardbirds gab der neue Gitarrist Tom Caplan den US-Jeff Beck und beim Album-Closer „I’m A Man“ kam es zu einem Freak-Out, wie er erst 2-3 Jahre später Usus wurde – The Litter hatten eine unbändige Kraft und einen eigenständigen Sound. Ihre Live-Qualitäten sprachen sich schnell herum und zumindest in der Gegend um Chicago und Milwaukee hatten sie bald so viele Fans, dass sie für zwei weitere Alben bis Anfang 1970 zusammenhielten. Mehr Erfolg war ihnen aber nicht mehr beschieden – erst in den Jahren nach Punk wurden sie zu Recht wiederentdeckt.

The Standells
Try It

(Capitol, 1967)

Zuguterletzt zurück nach LA, wo sich die Anfang der Sechziger gegründeten Standells auch mit dem EINEN Garagen Klassiker unsterblich gemacht haben – um dann durch Pech und echt amerikanische Ignoranz zu scheitern und dann in Vergessenheit zu geraten. Auch The Standells hatten mit british Invasion Cover-Songs erste Erfahrungen gesammelt, sie traten in diversen Fernseh-Shows und Serien wie The Munsters auf, wechselten im Verlauf der Jahre mehrmals das Personal – und mit dem Garagen-Klassiker „Dirty Water“ und dem dazugehörigen Album aus dem Vorjahr hatten sie völlig zu Recht den einen landsweiten Hit. Der Song ist ein ebenso prägender Pre-Punk Klassiker, wie „The Witch“ von den Sonics – eigenständig, roh und von effektiver Kürze. Das Nachfolgende AlbumWhy Pick on Me / Sometimes Good Guys Don’t Wear White bewies, dass diese Band und ihr Mentor/Produzent Ed Cobb mehr als nur ein One Hit Wonder sein konnten: Der Titelsong des zweiten Albums wurde zu einem Klassiker, den man allerdings nicht mehr mit den Standells verbindet. (Ed Cobb schrieb später übrigens den Mega-Hit „Tainted Love“) Und auch beim dritten Album der Standells konnte man sehen, dass sie das Zeug zu Mehr hatten. Try It hat ein durchaus ein paar zeit-typischen psychedelische Ornamente. bei „Barracuda“ verliert die Band sich in Hallräumen (…allerdings dankenswerter Weise nicht zu lang), „Did You Ever Have the Feeling“ klingt wie die Byrds als The Who-Coverband, „Riot on Sunset Strip“ ginge auch Anfang der 80er als US-Post-Punk durch – und mit dem Titelsong hatten The Standells einen gelungenen Nachfolger für „Dirty Water. Aber dann schlug die konservative US-Gesellschaft in Person des texanischen Radio-Moguls Gordon McLendon zu: Der vermutete nicht ganz zu Unrecht “sexuelle Anspielungen“ hinter den Lyrics, und verbot seinen Stationen, den Song zu spielen. Es kam in Art Linkletter“s House Party TV sogar zum Aufeinandertreffen der Band mit McLendon – und die Standells konnten den Vorwurf der Verführung Jugendliher argumentativ entkräften. Aber es war zu spät. Keine von McLendon’s Radio-Stationen wollte den Song mehr spielen. Dass die Plattenfirma mit dem „Banned!“ Aufdruck auf dem Cover den „Skandal“ ausschlachten wollte, mag genauso zum Misserfolg beigetragen haben, wie die Idee die folgene Single „Don’t Tell Me What to Do“ unter dem umgdrehten Namen The Sllednats zu veröffentlichen. „Riot on Sunset Strip“ wurde noch im Soundtrack zu einem Film über die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Hippies in LA verwendet und kam in die unteren Regionen der Charts. Aber nach ein paar Besetzungswechseln (bei denen u.a. der spätere Little Feat Lowell George kurz mit dabei war) gaben The Standells auf. Ihre drei Alben sind sehr hörenswerter Psychedelic/Garage-Rock.

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