Dylan, Phil Ochs oder Tim Hardin etwa waren geprägt von der Folkszene in New York, diese Szene hatte ihre Vorbilder im Vorkriegs-Blues und Folk, hatte deren Songs studiert und interpretiert, ehe dann – Dylan vor Allem – damit begann, SEINE Weltsicht in eigenen Texten und mit eigenen Melodien zu vertonen und diese tradierte Art der Musik mit aktuellen Botschaften zu versehen. Aber dann verschob Dylan seine Songs auch noch Richtung „Pop“ und ließ elektrisch verstärkte Instrumente zu! Ein Stilbruch, der von Manchen als weltanschauliche Verirrung angesehen wurde. Viele Jugendliche aber, die sich wie jede neue Generation von den Älteren emanzipieren wollte, die den Vietnam-Krieg ablehnte, die sich selber finden und verwirklichen wollte, wollte wohl auch nicht mehr nur die alten Songs und Stories aus den vorherigen Dekaden hören. So wurde der „klassische“ Protest-Song Anno ’67 zwar gehört, aber nur Musiker, die das Lebensgefühl und die Probleme ihrer eigenen Generation mit eigenen Worten und insbesondere mit einer eigenen musikalischen Sprache behandelten, waren wirklich hip. Und wie damals üblich – die Ideen sprangen schnell über den Ozean: US-Folkies waren 65/66 nach England gegangen, um nach den Wurzeln der Musik ihrer Vorfahren zu graben, begannen dann eigene Songs zu schreiben – und britische Folkies wie Donovan oder Al Srewart taten es ihren Kollegen aus den USA gleich und verbanden ihre Lebenswirklichkeit, Pop und britische Folkmusik miteinander. Hinzu kamen die musikalischen Veränderungen durch Bands wie Byrds, Beatles, Stones und Doors, die ihren Pop, Folkrock, Beat oder Rhythm and Blues um bunte Psychedelic erweiterten. So befruchteten Pop und Folk einander und so kamen nun junge Musiker alleine oder mit Band/Orchester im Hintergrund daher, um das Leben JETZT in ihren Texten zu behandeln – und ihre Musik um etliche bisher verpönte Faktoren zu erweitern. Ob sie dazu, wie Dylan, ein mythisches Amerika aufleben ließen, ob sie wie Leonard Cohen tiefsinnige und kluge Lyrik vertonten, ob sie sich – wie Judy Collins – als Interpreten „neuen“ Materials etablierten oder ob sie wie Tim Buckley die Stimme in den Vordergrund stellten, sie alle waren Vertreter einer neuen Art von Musik, die Folk um etliche Facetten erweiterte: Ich denke, in diesen Tagen entsteht erstmals eine nennenswerte Anzahl von Alben, die aus Folk und eigenen Ideen den Singer/Songwriter entstehen lassen.
Leonard Cohen – Songs Of Leonard Cohen
(CBS, 1967)
… nur EINE musikalische Facette für die sich gerade etablierende Gilde der „Singer/Songwriter“ – ohne dass Cohen (oder Dylan) sich diesen Begriff gewünscht hätten übrigens. Beschrieben im Hauptartikel 1967
Bob Dylan
John Wesley Harding
(Columbia, 1967)
Als Headliner für den Artikel über Singer/Songwriter ist Bob Dylan einerseits eine logische Wahl – andererseits war der Mann ’67 eigentlich schon einen Schritt weiter als die Kollegen: Nach dem Garage-Rock seiner ’65/’66er Trilogie hatte Dylan einen Existenz-erschütternden Motorradunfall erlitten – und sich dann monatelang aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Aber er war nicht untätig gewesen: Er hatte mit seinen Getreuen von The Band heimlich die Basement Tapes aufgenommen – die aber erst Jahre später veröffentlicht wurden, und kam nun – anderthalb Jahre nach Blonde on Blonde – endlich wieder mit neuem Material an. (Man bedenke: Normalerweise wurden Alben im Halbjahresrhythmus veröffentlicht). Aber das neue Album John Wesley Harding kam für die Dylan-Fan-Gemeinde inhaltlich wie musikalisch als Schock. Niemand hatte eine Kollektion biblischer (!) Allegorien und karger Folksongs erwartet. Nur Bass und Drums begleiten Dylans Gesang zur Akustischen, die Songs waren in drei Tagen aufgenommen worden und Dylan hatte offensichtlich den Ursprung seiner Musik – und damit die Quelle der Inspiration – wiedergefunden und klang zwar weltmüde – aber auch entschlossen. Das mag einer der Gründe sein, warum John Wesley… nach anfänglichem fremdeln inzwischen als eines von Dylan’s großen Alben gilt – und als logische Fortentwicklung aus den Basement Tapes Aufnahmen, die aber wie gesagt zu dieser Zeit nicht bekannt waren. Durch diese Reduktion auf’s Wesentliche und mit dem eindeutigen Bezug auf ein mythisches altes Amerika wurde Dylan mit diesem Album – weit mehr als mit der glorreichen Trilogie von 65/66 – zur Inspiration für ganze Generationen von Musikern: Grateful Dead, Gram Parsons, die Byrds und der ganze Westcoast-Sound sind ohne dieses Album undenkbar, denn all diese Bands und Musiker dürften sich in ihrer Bezugnahme auf Folk und vor Allem Country bestärkt gesehen haben. Dylans berühmte Version von „All Along the Watchtower“ war nur die Spitze des Eisberges. Trügerisch einfach und einfach fantastisch.
Phil Ochs
Pleasures Of The Harbour
(A&M, 1967)
Phil Ochs war vor ’67 musikalisch einen ähnlichen Weg durch New York’s Folk-Szene gegangen, wie Bob Dylan, hatte zunächst in den USA auch eine ähnliche Popularität erlangt – unter Anderem weil er durchaus vergleichbar wortgewaltig und zugleich witzig war. Aber als kluger und an Neuerungen interessierter Musiker hatte er spätestens mit Beginn des Psychedelic-Trends genug vom Protestsong – auch wenn er sich als zynischer Skeptiker keine Blumen ins Haar flechten wollte. Aber leider war ihm mit seinem stilistishen Schwenk nicht der Erfolg beschieden, den er verdient hätte. Und das, obwohl sein musikalisches Talent ähnlich groß war wie das des Übervaters, obwohl er mindestens genauso konsequent war wie Dylan. Er war einer der Wenigen gewesen, die Dylan’s Abkehr vom reinen Folksound, hin zum Garage-Rock sofort unterstützt hatten, und er war mit dem, was er auf Pleasures of the Harbour machte genauso visionär, wortgewaltig und zynisch wie bisher. Den ausbleibenden Erfolg mag man damit erklären, dass dieses vierte Album nicht mehr bei Elektra erschien – mit denen hatte er sich zerstritten – und es mag sein, dass ihm alte Fans seine radikale Abkehr vom sparsamen Folk-Sound nicht so einfach verzeihen wollten – und sich neue Fans im Gaegensatz zu Dylan nicht einstellten. Ochs wählte einen anderen, barocken, orchestralen Sound und komplexe Texte und schuf daraus ein leider damals erfolgloses und dann bald vergessenes düsteres Baroque-Pop Meisterwerk. Für den Summer of Love waren die Texte zu bitter, der Sound zu süß, und die Tatsache, dass er die Songs in üppige Arrangements tauchte, nahm den Texten nichts von ihrer bei Hippies ungeliebten Düsternis. Im zentralen „Crucifixion“ beispielsweise ging es darum, dass Helden unausweichlich zu Märtyrern gemacht werden – harter Stoff, den von Peace and Love überzeugte Hippies wohl nicht hören wollten. Das Album wurde ein Flop, Ochs verfiel dem Alkohol, und sein Abstieg begann. Bis 1970 kamen drei weitere sehr gute und ähnlich opulente Alben zustande, die aber gleichfalls erfolglos blieben. Im Jahr 1976 erhängte der dem Alkohol verfallene Ochs sich schließlich. Die Tatsache, dass dieses und die nachfolgenden Alben nirgendwo erhältlich sind, ist ein Skandal.
Tim Hardin
2
(Verve Folkways, 1967)
Tim Hardin hatte mit seinem Debüt ein Jahr zuvor in Musikerkreisen als Songwriter einiges Aufsehen erregt. Er war seit Beginn der Sechziger – seitdem er aus der Army und aus Vietnam zurückgekommen war – ein wichtiger Bestandteil der Greenwich Village Folk Szene gewesen, und obwohl er eine schwere Heroinsucht aus Vietnam mitgebracht hatte, konnte er nun zumindest einen gewissen materiellen Erfolg zu genießen, da sein Song „If I Were a Carpenter“ in der Version von Bobby Darin zum Top 10 Hit geworden war. Seine durch die Tantiemen finanzierte Drogensucht allerdings machte es für die Produzenten Charles Koppelman und Don Rubin schwer, mit ihm zu arbeiten. Sie mussten für die Songs zu Tim Hardin 2 Gesang und Gitarre zunächst mit ihm alleine aufnehmen, da er nicht in der Lage war, Songs mehrmals in gleichen Versionen einzuspielen. Dann erst wurden die Arrangements ergänzt. Der Blues-Einfluss – auf dem Debüt noch stark – verschwand jetzt fast völlig. Subtile String-Arrangements, Percussion und jazzige Zwischentöne setzen die Songs vor einen passenden Hintergrund. Hardins eigene Version von „If I Were A Carpenter“ ist überzeugend und dass er unter einer Drogensucht litt, merkt man seiner Stimme nicht an. Und es ist nicht nur dieser Hit, der hier bemerkenswert ist, auch Songs wie „Red Balloon“, sein Kommentar zur eigenen Sucht, oder die Außenseitergeschichte „Black Sheep Boy“ und das bekannte „The Lady Came from Baltimore“ gehören zum Besten der gerade in der Transformation befindlichen Folk Szene der End- Sechziger. Hardin rutschte immer tiefer in die Drogen, ehe er 1980 starb, und nur noch einmal gelang ihm mit Suite for Susan Moore and Damion (1969) ein gelungenes Album. Die Songs seiner ersten beiden Alben brachten ihm über die nächsten Jahre hinweg wegen rechtlicher Probleme kaum mehr Tantiemen ein. Sie sind heute freilich kulturelles Allgemeingut.
Tim Buckley
Goodbye And Hello
(Elektra, 1967)
Tim Buckley’s zweites Album war ein Riesenschritt fort von den Folk-Rock- und Baroque Pop Konventionen seines ’66er Debüts. Goodbye and Hello hat zum einen – vielleicht auch Dank seines Produzenten Jerry Yester (Gitarrist der Lovin‘ Spoonful) – einen Sound, der an Bands wie die Doors denken lässt: Mit Harpsichord und Harmonium, mit dem damals angesagte Acid-Rock Sound. Dazu kam, dass Buckley die Möglichkeiten seiner Stimme immer weiter erforschte – und die waren beträchtlich. Spätere Buckley-Alben wie Happy/Sad oder Starsailor etwa mögen künstlerisch noch interessanter sein, Goodbye and Hello ist am variantenreichsten und am leichtesten zu genießen. Bewundernswert, wenn man bedenkt, dass Buckley gerade mal 20 Jahre alt war, erstaunlich, welche Tiefe die Lyrics – teils alleine, teils mit Schulfreund Larry Beckett geschrieben – schon hatten. Bei „I Never Asked to be Your Mountain“ rechtfertigt er sich dafür, seine Frau verlassen zu haben, und sehnt sie gleichzeitig wieder herbei. Er hatte Mary Guibert 1965 – noch zu Highschool-Zeiten – geheiratet und sein Sohn Jeff war schon geboren als er sie ’66 verließ. Der Song wird von rasanter Akustik-Gitarre angetrieben und Buckley verfällt in ekstatischen Scat-Gesang. Der Song war ihm so wichtig, dass er über zwanzig Vocal-Takes Live mit der Studio Band aufnahm. „Once I Was“, der Eröffnungssong der zweiten LP-Seite, gilt als einer seiner Besten, beginnt getragen, um sich zu einem gewaltigen Höhepunkt zu steigern. Der 8-minütige Titelsong ist typische ’67er Psychedelik, aber trotz seiner Gebundenheit an seine Zeit ein weiterer Showcase dafür, wieviel man mit einer solchen Stimme anfangen kann. Das Album ist wegen Buckley’s Stimme – und gerade weil es noch unentschieden zwischen Experiment und Pop changiert – überraschend reizvoll und zeitlos.
Judy Collins
Wildflowers
(Elektra, 1967)
Um noch einmal Leonard Cohen zu erwähnen… Judy Collins – 1967 mit ihrem sechsten Album etablierte Folk-Sängerin auf dem ziemlich progressiven Elektra-Label – ist großer Fan und Förderer des Kanadiers. Und auch auf Wildflowers covert sie drei seiner Songs: „Sisters of Mercy“, „Hey, That’s No Way To Say Goodbye“ und „Priests“ bekommen auf diesem von Joshua Rifkin arrangierten Album eine fast mittelalterich anmutendes Backing durch Flöten, Streichern und Klavier. So werden sie in ein ungewohntes Umfeld gesetzt, dem Collins mit ihrer feenhaft klaren Stimme zusätzlich eine seltsam passende Weltabgewandheit verleiht. Eine Coverversion von Jaques Brel’s „La Chanson des vieux amants“ fügt sich nahtlos ein, dann covert sie auch noch die junge, aufstrebende Musikerin Joni Mitchell, deren „Both Sides Now“ wegen seiner Hippie-seligen Fröhlichkeit fast ein bisschen unpassend ist – was Nichts daran ändert, dass er eines der Highlights auf dem Album ist. Auch Collins‘ eigene Songs müssen sich nicht verstecken und das Album ist trotz seines durchgehend barocken Sounds erstaunlich abwechslungsreich. Natürlich – wie so viele Alben hier – heutzutage aus der Zeit gefallen, aber – um es einfach zu sagen – wunderschön. Mit Wildflowers wagte Collins sich noch weiter über das strenge Folk Prinzip „Gitarre + Gesang – das muss reichen“ hinaus als schon mit dem Vorgängeralbum In My Life . Sie war zwar immer noch mehr Interpretin fremder Songs als Songwriterin, aber Wildflowers bestätigt ihre Emanzipation von einer großen Folk-Sängerin zur stilsicheren Musikerin mit Folk-Background. Letztlich ein kluger Schritt, der ihre künstlerische Entwicklung vorantrieb.
Laura Nyro
More Than New A Discovery
(Verve, 1967)
Laura Nigro wurde 1947 in New York geboren, ihre Herkunft mit russisch jüdischen, polnischen und italienischen Wurzeln ist genau wie die Musik, die sie machte, Spiegelbild ihrer Heimat-Stadt,, sie ist ein Schmelztiegel und klingt allein schon dadurch nach New York. Schon als Kind hatte sie Klavier gelernt und als Teenager mit Freunden in den Strassen ihres Viertels gesungen. 1966 benannte sie sich in Laura Nyro um und brachte das erfolgreiche Folk-Trio Peter, Paul & Mary dazu, ihren Song „And When I Die“ aufzunehmen. Sie bekam einen Vertrag beim Verve Folkways Label, und nahm noch im selben Jahr ihr Debüt More Than A New Discovery auf.Obwohl Nyro sich später von dem Album distanzieren sollte, sind hier schon die Stärken der kommenden Jahre zu hören. Das Album mag teilweise arg überproduziert sein, hat – dem Zeitgeist entsprechend – opulente Orchester- und Bläserparts und ist dafür rhythmisch weniger ausgefeilt, als das was da kommen sollte, aber Manchem mag der hier dargebotene Mix aus weissem Soul, Girl-Group Power, Musical und Folk auch besser gefallen als die artifizielle Kunst-Musik der kommenden Jahre. Dazu singt die da gerade 19-jährige nicht ganz so angestrengt, wie sie es später tun sollte. Und auch wenn das Album selber sich zu der Zeit gerade wegen seiner Vielseitigkeit nicht besonders gut verkaufte – viele der hier enthaltenen Songs wurden von andern Band und Musikern teils sehr erfolgreich gecovert: Blood, Sweat & Tears, Barbara Streisand, The 5th Dimension bedienten sich bei ihr. Nyro spielte im selben Jahr auf dem Monterey Pop Festival und der junge David Geffen war so beeindruckt, dass er sie zum Columbia Label holte, wo sie in den folgenden Jahren etliche schöne Alben veröffentlichte.
Jake Holmes
„The Above Ground Sound“ of Jake Holmes
(Tower, 1967)
Jake Holmes hat seinen Anteil an der Unsterblichkeit allein schon wegen der Tatsache, dass er derjenige ist, der „Dazed and Confused“ schrieb – den Song, der dann von Led Zeppelin gecovert wurde – allerdings ohne dass die es für nötig hielten, den Autor zu erwähnen. Das Original ist eine echtes Psychedelic-Folk Kleinod, das der weit berühmteren Version der Heavy Rock Erfinder in gewisser Weise sogar überlegen ist.. Der Opener des Debüt-Albums schlägt in dieselbe Kerbe, „Genuine Imitation Life“ ist ein weiterer Song, der zuvor durch die Four Seasons berühmt geworden war und der hier die Psychedelic Behandlung bekommt, die das Album so erstaunlich eigenständig klingen lässt. The Above Ground Sound of Jake Holmes lässt an Tim Buckley denken – Holmes ist aber bei weitem nicht ein so virtuoser Sänger wie sein Zeitgenosse, aber dafür unterwirft er das Songwriting nicht der Gesangstechnik. „She Belongs to Me“ und „Too long“ sind ruhige und schöne Balladen, die Stimmung des Albums ist positiver, weniger kontemplativ als die von Goodbye and Hello etwa, und es sind neben den genannten noch etliche gute Songs dabei, The Above Ground Sound… ist weit konziser und unterhaltsamer, als man ob seiner Obskurität vermuten müsste. Holmes machte noch ein paar durchaus hörenswerte Alben (das folgende A Letter to Katherine December und auch das 70er Album Jake Holmes ) und arbeitete als Co.Komponist bei Frank Sinatra’s unterschätztem ’70er Album Watertown, eher er dann später als Verfasser von Werbe-Jingles sehr erfolgreich wurde. Sein Songwriting gab er nie auf und 2000 veröffentlichte er ein politisches Album samt Anti-Bush Song. Seine Musik verdient die Wiederentdeckung.
Jerry Moore
Life Is a Constant Journey Home
(ESP-Disk, 1967)
Auch einer der Musiker, der leider irgendwann komplett in Vergessenheit geriet. Jerry Moore, gelernter Gitarrist, Organist und Sänger trat Mitte der Sechziger regelmäßig im Greenwich Village auf und wurde dort vom Folk Musiker Randy Burns entdeckt, der ihm einen Vertrag beim Kult-Label ESP vermittelte. Zu den Aufnahmen von Life is a Constant Journey Home wurden etliche fähige Musiker eingeladen, unter ihnen Jazz-Gitarrist Eric Gale. Das Songmaterial irgendwo zwischen Soul und Folk ist stark – der Titelsong hat wunderbaren Flow, „The Ballad of Birmingham“ prangert das Bombenattentat des Ku Klux Klan in Alabama an, bei dem vier Schulkinder umkamen. Moore gibt sehr überzeugend den politisch engagierten Folk-Sänger, der sich gegen Unrecht einsetzt, der aber auch Hoffnung vermittelt (Winds of Change“) und er überzeugt auch und vor Allem als Sänger mit einer Stimme irgendwo zwischen Tim Buckley und dem stilistisch verwandten Terry Callier – soulful und folky eben – mit mal erdig akustischem Sound, mal mit psychedelischen Einflüssen. Dass das Album wenig Beachtung fand, ist vor Allem der Tatsache geschuldet, dass ESP zwar ein Label ist, auf dem interessante und abenteuerliche Alben erschienen (Moore gehört zu den bei weitem „normalsten“ Musikern – im Vergleich zu Bands wie den Godz etwa oder dem Free Jazz den sie im Programm hatten…), der Vertrieb der Alben aber war schwierig und Promotion fand quasi nicht statt. Moore nahm kein weiteres Album auf, wurde Strassenprediger und verschwand dann komplett von der Bildfläche. Sein einziges Album ist inzwischen nach seiner Wiederentdeckung durch die „Free Folk Community“ der 00er Jahre wieder erhältlich
Tim Rose
s/t
(Columbia, 1967)
Die vergessenen Singer/Songwriter – Teil III: Tim Rose ist ein weiterer Vertreter dieser Zunft – und zwar einer mit zwei Über-Klassikern, die ihm letztlich irgendwie die Karriere verhagelten. Der Song „Morning Dew“ – geschrieben von der Folk-Sängerin Bonnie Dobson – wurde in Rose’s Version berühmt und dann wiederum von Musikern wie Jeff Beck oder The Grateful Dead gecovert und seine ebenfalls auf seinem Debut enthaltene langsame Version von „Hey Joe“ inspirierte Jimi Hendrix zu dessen Hit-Version. Tim Rose ähnelt dabei in Vielem dem anderen Tim (Hardin). Er sang mit starkem Blues-Einfluss und entsprechender Stimme allerdings weit rauer, weit weniger introspektiv. Vor diesem Debüt hatte er schon einige Jahre Musik gemacht – u.a. mit Jake Holmes (siehe oben) und später mit Mama Cass Elliot und deren späterem Ehemann James Hendricks mit denen er als The Big 3 zwei Alben aufnahm nachdem sie in der Folk Szene von Greenwich Village Fuß gefasst hatten. Sein erstes Solo-Album warf mit den zwei Singles veritable Hits ab, auch die anderen Songs – insbesondere „Long Time Man“ sind reizvoll, Rose’s Stimme ist über jeden Zweifel erhaben und die Arrangements passen. Der Nachfolger von Tim Rose allerdings misslang, Rose ging nach England hatte aber letztlich nie einen echten kommerziellen und künstlerischen Durchbruch. Er machte weiter Musik, starb aber letztlich ziemlich vergessen im Jahre 2002.
Nico
Chelsea Girls
(Verve, 1967)
Ich bin mir sicher, dass nicht alle meiner Meinung sind, dass Nico eine „Singer/Songwriterin“ ist. Auf jeden Fall dürfte ihr Chelsea Girl 1967 das Coolste gewesen sein, was es in der Popmusik geben konnte – wenn man es wahrnahm. Das deutsche Model Christa Päffgen war zuvor von Andy Warhol für das Debüt von Velvet Underground rekrutiert worden -zum Unwillen insbesondere Lou Reed’s, der sie als Fremdkörper empfand – aber sie hatte dadurch bei einem Album mitgewirkt, dessen Wirkung weit in die Zukunft reichen sollte. Auf ihrem Solo-Debüt wurde sie dann trotz seiner Ressentiments von Lou Reed begleitet, John Cale spielte und produzierte, Sterling Morrison machte mit und vom jungen und noch unbekannten Songwriter Jackson Browne coverte sie drei Stücke. Dieses Album hat oberflächlich wenig mit dem Noise der Velvet Underground zu tun. Durch Cale’s Streicherarrangements und die durchweg akustische Instrumentierung klingt Chelsea Girl mehr nach der Incredible String Band und Baroque Pop als nach dunklem NY-Noise-Pop, aber der minimalistische Sound und Nico’s eigenartige dunkle Stimme mit dem überdeutlichen deutschen Akzent verleiht der Musik eine Düsternis und Tiefe, die mit leichtem Pop wenig zu tun hat. Gleichzeitig ist aber macht Song-Auswahl und die Art der Interpretation Chelsea Girl zu nichts Anderem als einem Singer/Songwriter-Album. Dass das achtminütige „It Was a Pleasure Then“ Drone vorweg nimmt, dass, Dylan’s „I’ll Keep it With Mine“ kaum noch wiederzuerkennen ist – all das lässt mich an einen Vergleich mit modernen Musikerinnen wie Liz Harris aka Grouper z.B. denken. Und in welche Schublade packe ich das? Ins Fach Singer/Songwriter-Musik. Natürlich aber bleiben dieses Album – und die von Brüdern/Schwestern im Geiste – herrlich singuläre Phänomene.
Scott Walker
Scott
(Philips, 1967)
… und genau das gilt für die Musik, die Scott Walker in den Post-Walker Brothers-Jahren machte. Es gibt starke Kontraste in seiner seltsamen Karriere: Als erfolgreiches Teen-Idol mit den Walker Brothers gestartet, aber des damit verbundenen Ruhmes fast sofort überdrüssig, begann er seine Solo-Karriere im Nachhall dieses Ruhmes mit Musik, die sich durch seinen sonoren Bariton, aber auch durch opulente Arrangements inklusive Orchester zunächst scheinbar nicht so sehr von seinen Brothers-Jahren unterschied. Inhaltlich und vor allem in der interessanteren Songauswahl aber wandte er sich schon auf diesem ersten – schlicht Scott betitelten Werk – den düsteren Seiten des Lebens zu. Es ist schwer vorstellbar, dass besorgte Eltern ihren Teenager-Kindern verbieten würden, seine Version von Tim Hardin’s „The Lady Came From Baltimore“ zu hören – oder eine Eigenkomposition wie „Montague Terrace (In Blue)“, mag sie melodisch und thematisch noch so gewagt sein. Scott war ja immerhin vor einem halben Jahr noch der Sänger von Teenie-Schwärmen gewesen. Und dass Walker mit Jacques Brel ein Idol entdeckt hatte, über das er sagte: „He is the most significant singer-songwriter in the world“ dürfte auch nicht kontrovers gewesen sein – trotz Dunkelheit und sogar Unanständigkeit in den ins englische übersetzten Texten von „Mathilde“, „My Death“ oder „Amsterdam“. Walker hatte einfach immer noch das Image eines Boyband-Sängers, so sehr er das verabscheute. Auf jeden Fall nutzte er dieses Image, um in den folgenden Jahren drei äußerst erfolgreiche Alben zu erschaffen, die Kunst und Kommerzialität aufs vorteilhafteste vereinen – und um dann ein Viertes zu machen, dass dieses Rezept in eine Richtung weiterdachte, die ihn schließlich über den Zeitraum von ein paar Jahrzehnten in die Verweigerung aller Kompromisse führen würde. Und was ist Scott nun? Ein wunderschönes Album mit stark orchestrierter und arrangierter Musik, die Chanson, Pop und Pathos auf’s angenehmste verbindet, ein Singer/Songwriter Album, das später so unterschiedliche Musiker wie Marc Almond, Neil Hannon und Jarvis Cocker beeinflussen würde – und Walkers erster Schritt Richtung künstlerischer Freiheit.
Al Stewart
Bed Sitter Images
(CBS, 1967)
Ich finde ja, dass die Singer/Songwriter aus den „Swinging Sixties“ in London sich von denen aus den USA z.Zt. des Summer of Love stark unterscheiden: Ist da nicht eine gewisse britische Verschrobenheit? Ist es eine fröhlichere Naivität (wie ich sie bei Donovan höre)? Und ist der ’67 so virulente „Psychedelik-Faktor“ in England vielleicht weniger düster? Klar ist schonmal. dass bei Singer/Songwritern aus dem UK die Basis nicht Hillbilly, Country-Folk und Blues, sondern britische Folk-Musik ist. Und Al Stewart war eindeutig ein britischer Folkie. Er kam (wie so viele große Musiker) aus Glasgow, hatte sich im Schmelztiegel London mit Dylan-Coversongs und mit eigenen Songs in entsprechenden Clubs die Hacken in Folk abgespielt, Paul Simon bei dessen Aufenthalt in London kennen gelernt und ’66 endlich einen Plattenvertrag ergattert. Er ist einer aus dieser Generation hervorragender Gitarristen – wie Bert Jansch, John Renbourne, Wizz Jones, John Martyn (Höre das bezaubernde Instrumental „Denise At 16“), aber er ist auch ein Storyteller, der einen liebevollen Blick auf das Leben der englischen Mittelschicht wirft, seine Texte sind oft autobiografisch und wirken leicht dahingeschrieben. Dass er eine sehr freundliche Stimme hat, trägt dazu bei, dass Bed Sitter Images (dieser Titel allein…) leicht dahinfließt. Zwanzig Jahre später hätte man seine Musik wohl als Twee-Pop verkauft. Das Album ist vom Klassik-Spezialisten Alexander Faris delikat orchestriert. So delikat, dass die Folk-Wurzeln tief begraben werden – aber Al Stewart erwies sich als sehr guter, eigenständiger Songwriter. „Samuel, Oh How You’ve Changed“ hört sich so sehr nach Ralph McTell’s „Streets of London“ an, dass ich mich frage, ob es da keine Urheberrechts-Klage hätte geben müssen (zugunsten Stewart’s natürlich, Ralph McTell’s Hit ist von ’71…). Den Titeltrack könnte ich mir als Cover-Version von Marc Almond vorstellen – die Folk-Spuren sind quasi unsichtbar. Und „The Carmichaels“ war die Art Psychedelic Pop, die irgendwann demnächst Robin Hitchcock zitieren würde. Bed Sitter Images ist Nick Drake ohne Schwermut.
Donovan
Mellow Yellow
(Epic, 1967)
Donovan Leitch’s fünftes Album Mellow Yellow wurde – wie der Vorgänger – wegen vertraglicher Probleme in England zunächst nicht veröffentlicht. Als es dann herauskam, wurde es zusammen mit dem Vorgänger Sunshine Superman in die Plattenläden gestellt. Schlecht – oder vielleicht auch gut – für die Käufer, jedenfalls sind beide Alben recht unterschiedlich. Mellow Yellow ist – mehr als der Vorgänger – ein Übergangsalbum in Richtung ernsthafter psychedelischer – „britischer“ – Folkmusik – in Abgrenzung zu Dylan, mit dem Donovan seinerzeit gerne verglichen wurde. Es gibt Songs die an die Folk-Roots Donovans gemahnen, manche sind noch Überbleibsel aus früheren Sessions, andere bieten den elektrifizierten Folk, mit der Donovan letztlich erfolgreich wurde. So ist der Titelsong zwar banal – wurde aber einer seiner größten Hits, der Album Track „House of Jansch“ dagegen, Donovans Verneigung vor dem großen und einflussreichen Folk-Gitarristen, ist einer seiner besten und anspruchsvollsten Songs. Led Zep Bassist John Paul Jones fungierte bei einigen Stücken als Arrangeur, Mickie Most produzierte und das Album wurde ein kommerzieller Erfolg, auf dem die unbekannteren und eher im Folk verwurzelten Songs Bestand haben: Das ruhige „Writer In The Sun“, das berückende „Sand And Foam“ sind die Highlights.
Donovan
A Gift From a Flower to a Garden
(Epic, 1967)
Nach Mellow Yellow, nach einem Trip nach Indien, nach den für immer mit dem Namen Donovan verbundenen erfolgreichen Singles in den Charts und nachdem er wegen Marijuana-Besitz kurz festgenommen worden war nahm Donovan im selben Jahr zwei weitere Alben gleichzeitig auf, die in einem der ersten Box-Sets der Rockgeschichte veröffentlicht wurden. A Gift from a Flower to a Garden enthält auf dem Wear Your Love Like Heaven betitelten Teil elektrifizierten Folk Pop/Rock – Musik der Art, mit der er so erfolgreich war.Der zweite Teil des Albums (For Little Ones) enthält sanfte akustische Solo-Songs, ausdrücklich auf Kinder zugeschnittene Tracks, die gerade in ihrer Schlichtheit zeigen, dass Donovan ein hervorragender Songwriter und Gitarrist war – etwas, das seiner Meinung nach im Hype um seine Hits untergegangen war. So wie er bis heute als etwas naiverer second rate Dylan gesehen wird…. Beide Alben klingen einerseits ungemein naiv in ihrer Hippie-Seligkeit, sind aber erstaunlich zeitlos geblieben. Man stelle sich einfach mal einen 60er-Jahre Beck vor. Die Songs auf dem akustischen Album sind zwar an Kinder gerichtet, aber von großer melodischer Eleganz. Beispiele: Das klagende „Isle of Islay“ oder das bezaubernde „The Mandolin and His Secret“. Das ist zwar Eskapismus pur, aber auf die schönst-mögliche Art.