2019 – Brexit, Fridays for Future und die schwächelnde Demokratie – Lana Del Rey bis black midi

Der durchgeknallte US-Präsident Trump zündelt am Weltfrieden, erklärt Wirtschafts-Kriege im Wochentakt und baut zu recht auf die Dummheit seiner Anhänger, für die alles was er macht, Gottes Segen hat. Die EU taumelt politisch, weil die Briten den Austritt aus der EU wollen und dank des Trump-Klon’s Boris Johnson und ignoranter Wähler auch bekommen. Weltweit scheinen rechte Idioten auf dem Vormarsch.

Zugleich gehen – angestoßen von der 16-jährige Schwedin Greta Thunberg – Freitags weltweit Schüler auf die Straße statt zur Schule, um gegen die Tatenlosigkeit der Verantwortlichen trotz der deutlich sichtbaren Klimakatastrophe zu protestieren. Greta wird dafür insbesondere von All denen angefeindet, denen ein Umdenken zu unbequem oder zu wenig gewinnbringend ist. Ihre Generation scheint die schlichte Tatsache, dass ohne einen Schwenk zu nachhaltiger Umweltpolitik alle anderen Politikfelder keine Basis mehr haben, besser zu erkennen, als besagte Verantwortungsträger. Derweil sind Artensterben und das massive Verschwinden von Insekten kurz ein Thema, dem aber auch wieder bloß ein paar wohlfeile offizielle Absichtserklärungen folgen. Auch die Vermüllung der Weltmeere ist so unübersehbar, dass sie wahrgenommen werden muss. Aber daß der Lebensstil der westlichen Welt weltweit inzwischen rasant die Umwelt zerstört, scheint Vielen uninteressant, unabwendbar oder schlicht unwichtig. Derweil verbrennen in Afrika, am Amazonas, in Sibirien und insbesondere in Australien riesige Waldflächen, es gibt Hitzewellen sogar in der Arktis, Hurricane’s von gewaltigem Ausmaß, weltweite Gletscherschmelze, schneller als je berechnet – Alles ganz natürlich, wenn man Trump, Bolsonaro, Orban oder den durchschnittlichen AfD-Wähler fragt – und Konsequenzen müssen andere tragen. Und dann bricht in China eine Seuche aus, die sich ab dem kommenden Jahr zur Pandemie entwickeln wird: Corona… Mit Mark Hollis und Scott Walker sterben zwei Visionäre der populären Musik, die Vermischung aller möglichen Stile in der Musik ist Urgrund aller neuen Musik, eine junge Generation kennt eben schon alles, und nutzt diese Kenntnisse unvoreingenommen. Im HipHop erscheinen im Monats-Takt hörenswerte Alben, was auch (wieder) für Metal in allen Facetten gilt – wo das Death Metal Revival ein kleiner Trend zu sein scheint. Mir fallen auf und gefallen überdurchschnittlich viele Alben von Musiker-innen – ich glaube nicht, dass man das Trend nennen sollte, aber es liefert eine Überschrift. Es gibt keine musikalische Revolution, keinen hervorstechenden Stil – aber erneut einige sehr gute Alben in einem Haufen Unwichtigkeiten. Und das anhaltende Vinyl-Revival führt zum Release und Re-Release etlicher Preziosen. Dass Coldplay und Ed Sheeran immer noch mit hohlem Mist reich werden, ist bedauerlich, aber in den Charts gibt es auch subversiv-erfolgreiches wie Billie Eilish. Hier folgt das, was interessant ist…

https://music.apple.com/de/playlist/der-gro%C3%9Fe-rockhaus-2019/pl.u-WabZZe3FdKkB04b

Lana Del Rey
Norman Fucking Rockwell!

(Interscope, 2019)

Ich hab’s ja schon 2012 anlässlich ihres famosen zweiten Albums (nach dem völlig untergegangenen Debüt) Born to Die gesagt: Lana Del Rey mag für ihr Hit-Album ihr Image komplett durchgeplant haben, aber was dahinter stand, hatte mehr Substanz, als die Spötter der Hype-Polizei tönten. Der 2014er Nachfolger Ultraviolence war genauso toll, die darauf folgenden Alben blieben in der Spur und dann… kam Norman Fucking Roswell, und Born to Die wurde übertroffen. Dass sie in der Zeit dazwischen eine Reihe Singles veröffentlicht hatte, die ebenfalls famos waren, die sich ohne Probleme mit „Video Games“ oder „Shades of Cool“ messen konnten, war ja nicht so überraschend – das Single-Format hatte die Frau offenbar im Griff, auch in der Phase mit den beiden nicht ganz so gelungenen Alben. Aber dann kamen die Singles „Mariners Apartement Complex“ und „Venice Bitch“ und dann NFR… und auf dem Album waren noch etliche weitere Tracks, die Singles hätten sein können. Der veträumte, ja, betäubte Flow, den man von ihr kannte wurde lustvoll weitergeführt. Die Musik – wieder eine Mischung aus Psychedelic, Soft Rock, und vielleicht TripHop…? Ihr Gesang wanderte souverän irgendwo zwischen schöner Melancholie und scheinbarer Gleichgültigkeit, unter der man immer Leidenschaft bis zum Wahnsinn annehmen musste. Dazu zitierte sie gekonnt klassische Rockmusik – Lana Del Rey WAR das pop-gewordene Zitat. UND – sie hatte dermaßen wunderbare Songs!! Ihre Fähigkeiten als Songwriterin waren gewachsen und die Arrangements vom Mit-Autor und Alleskönner Jack Antonoff (Taylor Swift, Lorde etc…) so durchdacht, dass auch die neun Minuten von „Venice Bitch“ keine Sekunde zu lang wurden. Die schwellenden Streicher und das gedämpfte Piano beim „Love Song“… dazu ein halb gesprochener Text, der auch noch lesenswert ist. Natürlich blieb auf NFR das Tempo getragen – etwas anderes wäre undenkbar. Immerhin hatte Lana entdeckt, dass sie auch im Falsett flüstern konnte, und ihre Songwriting-Skills boten Platz für hundert Varianten, die einerseits bekannt schienen, andererseits einen hypnotischen Sog erzeugten. (…es sei denn, man verachtet das Gesamtkonzept. Solche Ignoranten gibt es auch…). Die Dichte und schiere Anzahl an „schönen“ Songs auf diesem Album ist fast ZU groß: Hört euch den Opener und Titeltrack an – es ist einer der besten Songs der Dekade. Hört „The Greatest“ oder das unterschwellig wütende „Fuck It, I Love You“. Seht die 50er bei „How to Dissapear“ in goldenem Licht im Rückspiegel eines alten Cadillac aufleuchten. Trivia am Rande: Norman Rockwell war ein amerikanischer Maler und Illustrator, dessen Cover für die Times etc. leicht ironisch und schwer patriotisch Archetypen der US-Kultur der 40er bis 60er darstellen.

Billie Eilish
When We All Fall Asleep, Where Do We Go?

(Interscope, 2019)

…Lana Del Rey war also der idealisierte US-Hollywood-Traum. Dann konnte man Billy Eilish Baird O’Connell aka Billie Eilish als Stellvertreterin der leicht gestörten, widerspenstigen Jugend zwischen 15 und 20 sehen, die an der kaputten, oberflächlichen Gesellschaft der USA verzweifelt. Dass sie diese Verzweiflung mit teils grimmigem Humor vertonte, unter der tiefe Traurigkeit auftauchte wie die Rückenflosse eines Hai’s, machte sie sofort interessant. Man wollte es ja zunächst nicht glauben, dass die paar Songs, die sie zuerst auf Soundcloud veröffentlicht hatte, von einer ernsthaften Musikerin kamen, die noch weit mehr konnte. Auch bei ihr gab und gibt es Zweifler, denen Karriere und Image seit 2016 zu generalstabsmäßig geplant schien. Die unterstellten, dass ihr Image lediglich eine neue Version des Images von Lana Del Rey war. Aber was ist falsch daran, Musik mit einem Image zu verbinden? In dem Sinne waren wohl auch Elvis oder Dylan Fake. Spätestens als Eilish nach der famosen Single „Ocean Eyes“ 2015 und der EP Don’t Smile at Me (2017) mit When We Fall Asleep... und diesen durchdachten, textlich klugen Songs daher kam, mussten besagte Zweifler (an)erkennen, dass auch hinter diesem Plan echtes Talent stand. Billie Eilish (die mit ihrem Bruder Finneas zusammen produzierte, arrangierte und komponierte) beeindruckte mit einer charakteristischen Stimme. Sie klang ein bisschen verpeilt, vielleicht sogar mal albern, aber vor Allem glaubhaft traurig, wo ihre andere vergleichbare Kollegin Lorde straight und desillusioniert war. Mal flüsterte sie nur, mal sang sie mit traurig-tiefer Mädchen-Stimme. Sie hatte keine Vier-Oktaven-Stimme, dafür transportierte sie eine Verzweiflung, die man ihr abnahm – und die ein Sprachrohr brauchte!! Und – auch Billie Eilish war eine hervorragende Songwriterin: Der Hit „Bad Guy“ war nur der Aufhänger. „All the Good Girls Go to Hell“ oder „My Strange Addiction“ sind ebenfalls toll geschrieben und die letzten drei Songs des Albums bilden eine wunderbare, thematisch zusammenhängende Trilogie. Sie überschritt bewusst Stil-Grenzen, verband R’n’B, Trap, HipHop und Pop mit minimalistischen Sound- Elementen und schuf eine eigenständige, klanglich bewusst etwas gedämpfte Umgebung. Dass die Tracks mit kleinen Tricks aus dem kommerziellen Schönklang geholt wurden, machte When We Fall Asleep… noch besser. Die Gemeinde der gestrengen Hipster glaubte natürlich, dass der Hype, der sich im Laufe der letzten Jahre aufgebaut hatte, irgendwann vor die Wand fahren würde. Dieses Debüt aber versprach weit mehr…. und der Nachfolger wurde tatsächlich genauso stark…

FKA twigs
Magdalene

(Young Turks, 2019)

…und die nächste Künstlerin, die sich erfolgreich als Gesamtkunstwerk insziniert hat. Vor fünf Jahren hatte Tahliah Debrett Barnett aka FKA twigs sich nach zwei großartigen EP’s mit ihrem Debüt LP1, vor Allem aber mit visionären Videos und Songs einen künstlerischen Freiraum geschaffen, der es ihr offenbar ermöglichte, danach unbeschadet vom Gossip um ihre Beziehung und Trennung vom Hollywood-Posterboy Robert Pattinson im Fokus zu bleiben. Vergleiche mit künstlerisch autarken Frauen wie Kate Bush oder Björk gab es zuhauf. Aber die sind selber Ausdruck eines gewissen Machismo. Denn FKA Twigs bewies mit Magdalene ihre persönliche schöpferische Kraft, indem sie aus dem Ausnahmezustand ihres Trennungsschmerzes große Musik machte. Magdalene ist „typisch“ FKA twigs – ist artifiziell, ist futuristisch, ist ästhetisch, klingt einzig nach ihr. Es ist wie ihre Videos, wie ihre virtuosen Dance-Moves (Sie hatte in eigenen und in Video’s anderer Künstler gezeigt, was für eine fantastische Tänzerin sie war). Dass sie dazu auch noch eine hervorragende Songwriterin war, wurde nun wieder klar, falls man es vergessen haben sollte. Sie arbeitete für dieses Album u.a. mit Nicolás Jaar, Skrillex und Jack Antonoff (siehe Lana Del Rey…) zusammen. Und sie hatte eine klare Vorstellung von einem reduzierten, fast minimalistischen Sound. Ihre Stimme – oft in Kate Bush-Höhen unterwegs – schwebt über Songs, bei denen die Emotionen gerade wegen des reduzierten Sounds deutlich hervorstechen. Die Grundmelodien hatte sie am Klavier komponiert, dessen Klang war immer noch deutlich hörbar. Aber dann wurden die Songs mit elektronischen Störgeräuschen und gedoppelten Stimmen verfremdet. Und dennoch wirkt die Musik auf Magdalene sehr organisch. Barnett’s Stimme und ihr emotionaler Zustand ist das bestimmende Element ihrer Songs. Das Album ist eine Reise durch eine zerbrochenen Liebe, ein Dokument der Einsamkeit nach einer persönlichen Tragödie. Das hatte sie bewusst so gewählt, sie sagte selber, dass es sie überrascht habe, wie sehr ihr Unglück ihre Kreativität angespornt habe. So gesehen sind Songs wie „Sad Day“ oder „Mary Magdalene“ einerseits intim, andererseits aber auch allgemeingültig. Und es schnürt die Kehle zu, wenn sie bei „Cellophane“ beschreibt, wie grausam die Öffentlichkeit den Zusammenbruch ihrer Beziehung zu Robert Pattinson beobachtete – ja offenbar auch herbeigesehnt hatte. Die auf dem Cover von Magdalene abgebildete künstliche/entstellte Tahliah Barnett war in diesem Kontext nur logisch.

Weyes Blood
Titanic Rising

(Sub Pop, 2019)

2019 ist zweifellos das Jahr der Singer/Songwriterinnen. Hier habe ich vier Alben gefunden, die man – wenn man will – in diesen großen Topf werfen kann. Und natürlich ist Weyes Blood nicht wie Lana Del Rey, Billie Eilish oder FKA twigs. Ihre Kunst beleuchtet eine andere Facette. Natalie Laura Merling macht seit Anfang der 00er Musik, sie war in einem streng religiösen Elternhaus aufgewachsen und hatte den Dogmatismus in der christlich-fundamentalistischen US-Gesellschaft von Herzen zu verachten gelernt, war daraus ausgebrochen (…was nicht jede/r schafft) und hatte u.a. beim Free Folk-Act Jackie-O-Motherfucker mitgemacht, ehe sie ihre eigene Musik unter dem Namen Weyes Blood zu veröffentlichen begann. Und inzwischen war sie in allen Belangen zu großer Meisterschaft gelangt. Titanic Rising ist üppig und klug arrangiert, Merling ist eine fantastische Sängerin, deren „dichte“ Stimme mich an Rufus Wainwright und Karen Carpenter erinnert und sie hat durchdachte Songs, die in ein spannend romantisches Konzept passen. In ihren Lyrics ist sie sich der heraufdämmernden Katastrophe unserer Welt bewusst – aber sie sagt selber: „…I hope you could have a smile during the apocalypse“. Wie Rufus Wainwright bei dessen besten Alben adaptierte sie für dieses Album offenbar den Stil von 70er-Jahre Singer/Songwritern – ein bisschen Musical, ein bisschen Paul McCartney. Das auch im Albumtitel mitgedachte Bild der Band, die auf der Titanic weiterspielte, während diese unterging, war bewusst gewählt. Die Art, in der sie dazu üppige Streicher, schwebende Synthesizer oder ein prominentes Piano erklingen ließ, war schlüssig. Dass manche ihrer Texte verschlüsselt waren, passte zu ihrer introvertierten Persönlichkeit. Dass sie beim sehr schönen „Something to Believe“ den Verlust von Sinn und Glauben in der modernen Gesellschaft beklagt, gehörte in ihre Biografie. Im Meisterstück „Movies“ bedauert sie, dass sie nicht die Simplizität und Sinnhaftigkeit eines Filmes leben kann:„The meaning of life doesn’t seem to shine like that screen“. Dazu verlaufen elektronische Sounds organisch in ein üppiges Orchester. Und ihre Stimme ist voller Sehnsucht. All das leitet eine zweite LP-Seite ein, die mit Schönheit und sturer Hoffnung überwältigt. Manchem mag Titanic Rising ZU viel sein. Aber das ist solch persönliche Kunst manchmal.

Little Simz
GREY Area

(Age 101)

Lies es in der Einleitung: Viele IMO „wichtige“ 2019er Alben sind von Frauen gemacht. Und es hatte sich wirklich etwas verändert: Sehr gute Musikerinnen gab es immer, aber ihre Kunst wurde im chauvinistischen music-business bislang oft nicht anerkannt/veröffentlicht. Oft war auch nicht die Musik, sondern das Aussehen der Musikerin der Faktor, dem Beachtung geschenkt wurde. Bei den fünf hier nacheinander beschriebenen Künstlerinnen ist ihr „Aussehen“ EIN bewusst eingesetzter Faktor: Lana Del Rey, Billie Eilish und insbesondere FKA twigs spielen (selbst)bewusst mit ihrem Image… und brechen es nach eigenem Plan. Und die Klasse der Musik dieser Frauen ist der wichtigste Faktor. Und ich begeistere mich auch für eine Frau, deren musikalische Sprache HipHop ist. Dabei ist die Britin Simbiatu Abisola Abiola Ajikawo aka Little Simz auf ihrem dritten Album GREY Area angeblich noch auf der Suche nach ihrem Stil. Mit der „grauen Zone“ ist die Unklarheit über ihre Entwicklung als Mitt-Zwanzigerin, als Mensch und Künstlerin gemeint: „I just wrote the album from a place of confusion...“ – aber wenn das Ergebnis solcher Unsicherheit dermaßen cool, schön, intelligent ist, dann wünsche ich mir mehr verunsicherte Künstler. Schon der ’16er Vorgänger Stillness in Wonderland hatte ihr coming of age thematisiert, Da mag es kokett wirken, wenn GREY Area noch einmal dieses Thema behandelt. Aber Little Simz setzte ihre Mittel nun gekonnter ein. Ihr Jugendfreund Inflo produzierte wieder – und machte zeitgleich mit seinem Projekt Sault großartige Musik zwischen Neo-Soul und HipHop. Seine Erfahrung mag mit dazu geführt haben, dass GREY Area so organisch klingt, dass die Instrumentals live eingespielt wurden. Simz‘ Lyrics werden in ihrem sehr coolen Flow gerappt: Ein bisschen stoned, ein bisschen Caribbean/US West Coast und viel London-drawl. Jeder der zehn Tracks klingt anders, ist zugleich klar Little Simz. Auf diesem Album ließ sie ihre Liebe zum Soul noch durch eine andere Stimme klingen. Für den Closer „Flowers“ hatten sie und Inflo den Gitarristen und Sänger Michael Kiwanuka als Gast dabei. Aber auch der konnte (und wollte) Little Simz‘ Persönlichkeit nicht überdecken. GREY Area ist kraftvoll, nachdenklich, mutig, sensibel. Es ist – wenn nicht das beste, dann eines der besten HipHop-Alben eines an tollem HipHop reichen Jahres. Und der Nachfolger wurde ein Geniestreich.

Tyler, The Creator
IGOR

(Columbia, 2019)

Und nun – the most psychedelic HipHop-album of all time? Was Tyler Gregory Okonma aka Tyler, The Creator in den letzten Jahren alles veranstaltet hatte, was der aus seinem sicherlich beachtlichen Talent doch noch gemacht hatte, nachdem er in den frühen 10ern erst einmal einige extrem flache Alben und Mixtapes aufeinander folgen ließ, war erfreulich. Scum Fuck Flower Boy, der ’17er Vorgänger von Igor, hatte mit großer Gästeschar, Bienen-Cover und einem bunten stlistischen Blumenstrauß die Hoffnung auf mehr geweckt. Dass Tyler mit Igor tatsächlich noch eine Stufe höher stieg, war kein Zufall. Er ließ sich wieder von namhaften Kollegen helfen – mit dabei waren nun Kanye West, Solange, Playboi Karti und der Comedian Jerrod Carmichael, der in kurzen Spoken Word Passagen das lyrische Konzept unterstützte: Dieser „Igor“ ist der finstere Gehilfe eines Schurken, es geht um ein love-triangle – um die Liebe zu einem Mann (seit ein paar Jahren ein im zuvor so homophoben HipHop gern genommenes Thema) der wiederum zugleich eine andere Frau liebt. Es geht um das Unverständnis der eigenen community und emotionales Durchheinander. Aber letztlich waren es diese Songs und Tyler’s Raps, die das Album zusammenhielten. Er nahm neben den etablierten Psychedelic-Soul-Einflüssen auch noch Funk und R’n’B in den Gemischwaren auf. Er hatte mit „Earfquake“ einen unwiderstehlichen Song dabei, den Rihanna und Justin Bieber zuvor abgelehnt hatten (die Trottel…). Kendrick Lamar hatte Tyler’s Gesang gelobt, also nahm er seine Stimme ziemlich Lo-Fi auf und verlieh dem Album damit Charakter. Dann gab es einen wunderbaren Song wie „Gone Gone/Thank You“, bei dem Pop, Soul, Psychedelik, und melancholischer Wahnwitz in einer sonnigen Melodie zusammenflossen. Dann hatte er mit „Are We Still Friends?“ ein befriedigendes Ende für den emotional turmoil parat…. auch wieder in einem ungewöhlichen Soul/Rap-Track… Tyler, The Creator war also weiterhin groß in Form, hatte sogar sein vorheriges Album in den Schatten gestellt. Man mag die Frage stellen… ist das noch HipHop? Eigentlich egal…

Purple Mountains
s/t

(Drag City, 2019)

Es gibt natürlich 2019 auch von männlichen Singer/Songwritern (um den Begriff weiter zu strapazieren) tolle Alben. Einer aus dieser Zunft – ein anerkannter Schriftsteller und zugleich Songwriter – war David Berman. Der hatte in den 90ern mit namhaften Freunden (z.B. Steven Malkmus von Pavement) mit seinem Projekt Silver Jews sechs großartige Alben mit ziemlich depressiven Texten und feinen Songs im Umfeld um Indie und Alternative Country gemacht. Ab 2009 beschloss er, nur noch zu lesen und zu schreiben und so zu versuchen, seine Depressionen und Drogensucht in den Griff zu bekommen. Er machte zehn Jahre keine musik mehr, er schien sein Leben in den Griff zu bekommen. Dann verließ ihn seine Frau und er nahm ein neues Album auf. Dafür holte er sich ein paar Musiker aus dem Umfeld der NY Psychedelic Folk-Band Woods, schrieb Lyrics über seinen Zustand und benutzte den Namen seines Blogs PurpleMountains als Band/Albumtitel. Auf den ersten Blick beeindruckt Purple Mountains nicht: Berman’s Stimme war noch nöliger als früher, die Musik war feiner, aber unauffälliger Indie-Rock mit Country-Schlagseite. Die Band schaukelte sauber, aber nicht virtuos, die Arrangements waren klug durchdacht und angenehm… Und man MUSS hier die Texte, den Sinn, die Stimmung lesen, suchen, erkennen. Berman war immer gut darin, den traurigsten Situationen zugleich eine gewisse Komik abzugewinnen – scheinbar Frieden mit Pech und dem eigenen Unvermögen zu machen: „The end of all wanting is all I’ve been wanting...“ sang er beim Opener „That’s Just The Way That I Feel“. Der Verlust der Ehefrau war ständig in den Texten zu finden – aber nicht anklagend, sondern bloß als ein weiterer in einer Abfolge von lachhaften Nackenschlägen. Da sagen Songtitel wie „She’s Making Friends, I’m Turning Stranger“ schon alles. Bei „I Loved Being My Mothers Son“ schrieb er mit fast erschreckender Offenheit über den Tod seiner Mutter, der ihn dazu gebracht hatte, wieder Musik zu machen. Auch der eigene Tod war Thema, wenn er bei „Nights That Won’t Happen“ sang „…the dead know what they’re doing when they leave the world behind…“. Und dass er am Ende des Albums zu der Erkenntnis gelangte „Maybe I’m The Only One For Me“, ließ glauben, dass er mit seinem Dasein letzlich klar kommen würde – die Schläge auf lustige Weise irgendwie verarbeiten würde… Aber dann brachte David Berman sich weniger als einen Monat nach dem Release von Blue Mountains am 7. August 2019 um… Es ist wieder so ein Album, bei dem man – wenn man den Kontext kennt – nicht weiss, ob man es wirklich hören kann oder will. Die Komik der Lyrics und die Ehrlichkeit dahinter schnüren die Kehle zu. Ich vermute, das hat David Berman eigentlich nicht beabsichtigt…

Nick Cave and the Bad Seeds
Ghosteen

(Bad Seed, 2019)

Nick Cave ist einer der ganz wenigen Musiker, die über Dekaden ein großartiges Album nach dem anderen herausbringen. Der so gut wie nie enttäuscht und der bei mir schon sechs mal im Haupartikel auftauchen MUSSTE… und 2019 musste er wieder. Mit Ghosteen als Teil drei der Trilogie aus Push the Sky Away, Skeleton Tree und Ghosteen. Und dabei hat er es in all den Jahren geschafft, mit kleinen Veränderungen und großen Songs immer neue Facetten der Kunst des Songwritings aufleuchten zu lassen. Er hat dazu natürlich auch die richtigen Leute bei seinen Bad Seeds versammelt. Inzwischen war der Dirty Three-Geiger Warren Ellis als Arrangeur und Multi-Instrumentalist zu seiner nicht mehr ganz so geheimen Geheimwaffe geworden. Ellis hatte schon auf den vorherigen Alben deutliche Spuren hinterlassen. Ghosteen wurde durch seine Handschrift nun zu Ambient/Post Rock… und das tat diesen Songs und ihren Inhalten gut. Das Schicksal hatte Cave arg gebeutelt. Sein Sohn hatte sich während der Aufnahmen zum Vorgänger Skeleton Tree umgebracht, inzwischen war auch noch sein langjähriger Mit-Musiker Conway Savage an einem Gehirntumor gestorben und Cave hatte einen Weg finden müssen, all das zumindest zu verarbeiten… indem er aus all dem Unglück Musik und Texte schöpfte, die tief und schön waren. Ghosteen hat einen träumerischen Sound, so weichgezeichnet und zugleich unheimlich, wie das Cave-untypische Cover. Cave singt mitunter im Falsett, die Songs kommen fast komplett ohne Percussion aus, Synthesizer-Flächen und Klavier sorgen für Melodie-Flächen, Bass, Gitarre, Drums sind nur noch hier und da zu hören. Cave hatte seine Gedanken zu Texten verwoben, die zwar die typische erzählerische Qualität hatten, die er aber nicht wie sonst üblich am Schreibtisch im Büro verfasst hatte, sondern als Haufen von Ideen gesammelt hatte. LP 1 des Doppelalbums (Vinyl… Vinyl soll es sein!!) präsentiert mit acht etwas konziseren, kürzeren Songs „the children“. Die zweite LP mit drei Tracks, von denen zwei weit über 10 Minuten dauern, sind „their parents“. Diese Songs winden sich um Texte, die einerseits abstrakt-fantastisch sind, andererseits fast unverschlüsselt die grausame Realität abbilden. Da ist sogar der Titeltrack des Albums mit seinen 12+ Minuten keine Sekunde zu lang. Ghosteen kann man zurecht als Cave’s „schönstes“ und ergreifendstes Album bezeichnen. Das ohne Larmoyanz zu schaffen, sogar so etwas wie Hoffnung zu vermitteln, war allein schon eine große Leistung.

HTRK
Venus in Leo

(Ghostly, 2019)

Venus in Leo ist eines dieser Alben, das viel zu Wenige kennen und das auch deswegen von mir unter die zwölf interessantesten Alben 2019 gewählt wird… Das Trio HTRK aka HateRock kam aus Melbourne, hatte 2003 zunächst minimalistischen Post Punk/Dub/Industrial mit Hilfe von Drumcomputer, Gitarre, Bass und Gesang gespielt. Musik, die – na ja – „Rock hasst“. Ein Gegenentwurf zu australischen Acts wie AC/DC oder InxS… Sie wurden durch ihre Live-Auftritte bekannt, Rowland S. Howard (Ex Birthday Party) kümmerte sich um sie, HTRK gingen mit Bands wie Yeah Yeah Yeahs und The Horrors weltweit auf Tour – aber 2010 brachte sich ihr Bassist um. Nigel Yang (g, synth) und Jonnine Standish (voc, dr) machten weiter, indem sie Sound und Konzept noch einmal minimierten. Ihnen mag bewusst gewesen sein, dass sie damit zwischen die Stühle gerieten und niemandem mehr ähnelten, es mag sogar das Ziel gewesen sein. Aber es führte auch dazu, dass sich eine gewisse Ratlosigkeit um ihre Musik breit machte. Man muss schon Offenheit mitbringen, um ein Album wie Venus in Leo wirklich zu goutieren. Nicht, dass HTRK’s Musik anstrengend oder zu komplex wäre… aber der minimalistische Ansatz bewirkte Monochromie – die mit Monotonie verwechselt werden konnte. Dabei hat Jonnine eine tolle Stimme, die die Emotionen nur unterschwellig glühen lässt, die dafür in den Texten zutage treten. Es geht um (natürlich) gescheiterte Beziehungen und wie diese sich auf das Leben auswirken. Es geht um Vergangenes und was es bewirkt. Dass Jonnine’s Elternhaus auf dem Cover abgebildet ist – mit ihr und Nigel Yang halb-transparent eingefügt – ist fast witzig-plakativ. Aber wenn man einen Song wie das gelayerte, verhallte „Venus in Leo“ hört, vergeht jeder Gedanke an Albernheit. HTRK bewegen sich in ihrem eigenen Koordinatensystem, ohne sich um Moden zu kümmern. Sie sind so zeitlos, wie die Young Marble Giants oder The xx… die einzigen beiden Acts, die ich als Vergleich nennen kann. Und wenn man hinhört, bemerkt man, was für kluge und toll geschriebene Songs da sind: „Dream Symbol“, kleine Synth und Gitarren-Schnipsel und mehrfach übereinander gelagerte Stimme. „Mentions“ mit harten Beats und subtilem Gesang. Und zum Abschluss als zusammenhängende Erzählungen – „New Year’s Day“ und „New Year’s Eve“. Im Ersteren wird die Furcht vor dem Kommenden behandelt, Letzerer beschreibt eine gescheiterte Teenage-Romanze und wie sie die Erzählerin prägte. Venus in Leo ist unauffällig, tiefgründig… und perfekt.

The Comet Is Coming
Trust in the Lifeforce of the Deep Mystery

(Impulse!, 2019)

Schon für 2018 habe ich ein Projekt des vielbeschäftigten Saxophonisten und Aktivisten Shabaka Hutchings als wichtigstes „Jazz“ Album ausgesucht. Der schwarze Brite jamaikanischer Abstammung hatte mit den Sons of Kemet ein ungewöhnliches, visionäres und tolles Album gemacht… und er war 2019 weiterhin enorm aktiv/kreativ. Eines seiner ebenfalls schon seit einiger Zeit verfolgten Projekte waren The Comet is Coming. Und wieder… Hutchings mag eine wichtige Rolle spielen, aber der Typ hatte auch noch ganz Miles Davis-like die Fähigkeit, andere Musiker leuchten zu lassen: Hier arbeitete er mit dem Londoner Elektronik Duo Soccer96 zusammen… der Mann wusste also, wie man Jazz in die Zeit der elektronischen Club-Musik holt (war damit allerdings auch nicht allein). Dan Leaver aka Danalogue war der Synth-Spezialist, der Typ, der Hutchings‘ Saxophon unterstützte, der den progammierten Bass-Sound erschuf, Betamax aka Max Hallett ein absolut virtuoser Drummer, einer der enorm karftvolle Rhythmen sauber umspielen konnte, der mit den Drums regelrecht erzählen konnte. Dass diese zwei Elektronik-Geeks ihre Musik grundsätzlich live spielten – ohne Laptop – passte perfekt in das „handwerkliche“ Jazz-Umfeld. Trust in the Lifeforce of the Deep Mystery war nicht klar politisch wie Sons of Kemet’s Your Queen is a Reptile. Das hier war spiritueller Jazz in modern… Natürlich konnte man Bezüge zu Sun Ra und Alice Coltrane finden – Hutchings bezog sich ausdrücklich auf Beide (…hört euch Alben der Beiden an!!). Aber hier wurde nicht kopiert. Das Trio hatte eher Science Fiction und psychedelisch-ausserirdische Bilder mit B-Movie-Ästhetik vor Augen. Dazu ließ Hutchings sein Saxophon ins Universum explodieren – und zeigte hier deutlich, dass er ein Virtuose war. Die Art und Weise, in der die Band Tangerine Dream, elektronischen Funk und Spiritual Jazz miteinander verschschränkte, ließ aus bekannten Versatzstücken etwas wirklich Neues entstehen. Man kann keine einzelne Tracks hervorheben – sie laufen ineinander, es beginnt langsam und space-jazz-haft, beim zentralen „Blood of the Past“ spricht die britische Slam Poetin Kae Tempest und sozio-politische Kritik wird tatsächlich in das SF Konzept und elektronischen Nu-Jazz eingebaut. Und dann zieht das Tempo an… Trust… ist mitreissend, ist modernster Jazz… und King Shabaka auf dem Weg nach ganz oben.

Blood Incantation
Hidden History of the Human Race

(Dark Descent, 2019)

Wie so oft: Auch in diesem Jahr bin ich von einigen und etlichen Alben mit unterschiedlichen Metal-Charakteristika begeistert, kann aber bei keinem „wirkliche“ Innovation hören. Aber der Umstand trifft heutzutage auf fast alle musikalischen Genre’s zu. WAS gut geht, ist eine neue Mixtur und Auffrischung alter Rezepte – und wenn das Gericht, das dabei herauskommt so beeindruckend kraftvoll und wuchtig ist, wie das zweite Album der US-New School of Old School Death Metaller Blood Incantation (toller Schriftzug übrigens, komplett unleserlich), dann ist es mir egal, dass hier auch alte Sachen wie Morbid Angel und Nocturnus die Haupt-Zutaten sind. Dass Bandkopf Paul Riedl Science Fiction-Geek war, konnte jeder erkennen, der das Cover sah und das vorherige Album Starspawn (2016) kannte. Dass er auch ein Fan von Tangerine Dream war, würde er zwei Jahre später mit dem puren Berlin-School-Elektronik Album Timewave Zero beweisen. Aber Hidden History of the Human Race war der real deal… Diese Band verband alles, was perfekten Death Metal 2019 ausmachte: Komplexe Song-Strukturen, die man unbedingt nachvollziehen wollte (man denke an die Band Death), dann wieder atonal-chaotischen Passagen. Ein Growler, der zum Fürchten growlte, Gitarren-Solo-Ausbrüche höchster technischer Qualität, eine sehr tighte Band, die offenbar auch Jazz kannte… So beginnt „Inner Paths (To Outer Space)“ mit bedrohlichen Synthesizern, die einen Prog-Rock-Part einleiten, der dann in brutalsten Death Metal mündet. Blood Incantation brachten alles zusammen, was man (inzwischen wieder) an Death Metal gut fand. Und sie boten all das mit infernalischer Wucht und mit Riffs zum niederknien. Und beim abschließenden, dreiteiligen Opus „Awakening – From the Dream of Existence to the Multidimensional Nature of Our Reality (Mirror of the Soul)“ rülpste sogar Antti Borman mit, der legendäre Frontgrunzer der Kult-Band Demilich!! Ein musikalisches Labyrinth, in dem sich alle Einflüsse dieser Band von Miles Davis bis Tangerine Dream finden ließen. Hidden History… ist einereits schamlos old school, andererseits hyper-modern. Und so letztlich zeitloser Death Metal.

black midi
Schlagenheim

(Rough Trade, 2019)

Schon witzig… Inzwischen schreiben viele Künstler ihre Alben oder ihren Projektnamen grundsätzlich in Versalien. Siehe Tyler, The Creator’s IGOR… Die Band black midi bleibt bescheiden kleingeschrieben. Aber das war’s mit Bescheidenheit. Denn die Musik auf ihrem Debüt Schlagenheim ist gänzlich unbescheidener brutal-mathematischer ProgRock. WAS? Ja – das alte Monster. Nicht fantasy-haft, wie Marillion oder Genesis, sondern hart, dystopisch, virtuos mit einem Hang zum metallischen Noise. Aber auch mit lyrischen Passagen in den komplex-verwundenen Songs, dann wieder mit krachenden Breaks und brutalen Gitarren. Es GAB sowas schonmal – Kayo Dot’s Choirs of the Eye steht im Hauptartikel 2003. Die können auch Alles spielen und wissen sich zwischen Death Metal, Noise und Jazz zu bewegen. Aber black midi sind noch anders: Die vier Briten kamen von der BRIT School – von einer dieser Schulen, die „performing arts“ lehrt, und sie hatten – 2019 eben – ein fundiertes Wissen um die Geschichte der populären Musik. Oder anders: Die kannten alles von Blues über Country und Post Punk bis IDM. Das hört man ihrer Musik an. Im Studio nahmen sie ihre komplexen Tracks innerhalb von fünf Tagen auf, Produzent Dan Carey machte noch ein paar Overdubs und fertig war eines der erfolgreichsten Alben Englands in 2019 (u.a. Mercury Prize Winner). Geordie Gree (g, etc…), Matt Kwasniewski-Kelvin (g, etc…), Cameron Picton (b, etc…) und Moran Simpson (dr, etc…) hatten bewusst einen ganzen Haufen weiterer Instrumente von Synthesizer bis Banjo dabei, wollten NICHT so klingen, wie im Konzert. Ihre Musik ist mathematisch-präzise, sie hatten ihre Tracks teilweise tagelang geübt. Dass sie dabei dennoch klangen, als wäre alles ein Spaß (mit knirschenden Zähnen), dass sie offenbar die Spontaneität eines Punk-Acts beibehielten, ist eines der Wunder von Schlagenheim. Dazu kommt ein extrem eigenständiger Sound, eben kein instrumentaler Overkill, sondern eine Band, die aus hunderten herauszuhören ist. Weil Geordie Geep’s quakende Stimme so eigenartig ist. Weil ihre nicht zu langen (!) Songs bei aller Härte und Komplexität Zugänglichkeit bewahren. Weil sie zwischen Math Rock und Prog Rock und Punk einen Platz besetzen, der bisher frei war. Opener „953“ leitet perfekt in die Arbeit dieser Band ein. Mal machen sie Krach wie King Crimson, mal Repetition wie Can, mal erzeugen sie den Wahnsinn von Pere Ubu… Das sind illustre Namen und wer deren Musik nicht kennt, sollte dringend nachhören… und black midi dafür bewundern, dass und wie sie diese Meister in ihr eigenes System einbauen. Oder das 2:20 min Wunder „Near DT, MI“… Völlig übertrieben, was da alles drin steckt, dennoch nicht ZU kurz. black midi setzten mit diesem Album eine neue Duftmarke. Wenn ein Album 2019 innovativ ist, dann ist es Schlagenheim. Trivia: Wo oder was „Schlagenheim“ sein soll, bleibt das Geheimnis der Band…

to honour the mentionable

Wie gesagt – die Anzahl der tollen Alben von Singer/SongwriterINNEN in 2019 ist groß. Hier könnte ich noch über Angel Olsen’s All Mirrors oder Yeule’s Serotonin II oder LINGUA IGNOTA’s Caligula schwärmen. Oder HipHop… Tyler, The Creator hat mit JPEGAMFIA’s All My Heroes Are Cornballs und mit Bandana von Freddie Gibbs & Madlib und mit Hiding Places von billy woods & Kenny Segal starke Konkurrenz. Die beschreibe ich aber anderswo. Der Platz reicht eben nicht. Und auch 2019 machen die über-produktiven King Gizzard & The Wizard Lizard mit Infest the Rats Nest ein großes Abum, das ich hier nicht unterbringen kann. Genausowenig wie den Avantgarde-Metal von Liturgy auf H.A.Q-Q. Die werden in ein paar Jahren ein noch besseres Album machen. Ich finde auch Matana Roberts‘ Coin Coin Chapter Four: Memphis sehr toll. Aber wie gesagt… Zuviele Alben, zuwenig Platz, ich habe mich so entschieden und bin mir sicher, dass ich unsicher bin, ob diese 12 Alben DIE KLASSIKER bleiben, die sie durch die Beschreibung im Hauptartikel zu sein meinen. Aber diese 12 Alben hier vor SIND großartig. Und die in diesem Post Scriptum genannten eben auch…