2005 – Inzwischen völlig befreiter Folk – Invisible Pyramid: Elegy Box bis Harris Newman

Schon für die Mitt-90er habe ich Kapitel über „Freien Folk“ verfasst – die Spielart des Folk – oder des „New Weird America“ oder des Avant-Folk oder Psychedelic Folk oder oder – die gerne das Songformat sprengt, Musik, die Einflüsse aus anderen Stilarten als den in der populären Musik der westlichen Welt üblichen integriert.

Musik, die schwieriger ist, als es den meisten Konsumenten lieb ist. Das heisst: Ihre Protagonisten erweitern den Horizont – biochemisch und intellektuell. Viele der unten genannten Acts haben Mitte der Neunziger als lose Improvisations-Kollektive mit fluktuierendem Personal begonnen, und haben dieses Konzept auch zehn Jahre später nicht geändert. Aber inzwischen sind bestimmte Namen/Personen etabliert – d.h. das sind diejenigen, die den Spaß vorantreiben, die Alben mit Charakter und Stil machen – und diese Leute haben so viel Erfahrung und Können angehäuft, dass ihre Art des Musikmachens interessant geblieben ist. Man muß bei manchen Alben dieser Künstler darauf weisen, dass ihre kommerziell erfolgreicheren und konventioneller agierende Kollegen (Devendra Banhart, Joanna Newsom etc…) ihnen ein breiteres Publikum bescheren. Und auch respektierte Indie-Größen wie Sonic Youth haben in den letzten Jahren Bands wie die No-Neck Blues Band ge’namedroppt. So ist 2005 nicht nur ein Jahr, in dem es „weitergeht“ – wie in den Jahren nach 2000 – es ist auch ein Jahr, in dem via Compilations Rückschau gehalten wird – nicht wie im „Pop“ mit Kompilationen der Hits der letzten Jahre (Hits gibt’s hier nicht), sondern mit Kollektionen von Tracks der bekannten und der vielen obskuren Freigeister, die man mühevoll unter dem Hut „Free Folk“ versammeln mag. Die Versammlung etlicher großer und kleiner Namen des Drone/Free Folk auf Invisible Pyramid: Elegy Box ist eine gelungen Übersicht darüber, was – unter Anderem – Free Folk ist bzw. sein könnte – genau so wie Gold Leaf Branches…. aber dazu mehr in meiner Beschreibung. Und natürlich gibt es eine breite Palette von Ideen auf den regulären Alben diverser Künstlern ihrer Art aus den letzten Jahren. Sie alle haben es zwar natürlich nicht auf Major-Labels geschafft, aber VHF und ATP/R verkaufen ihre Waren inzwischen in größeren Stückzahlen. Diese Bands & Alben, die ich also etwas hilflos unter dem Moniker Free Folk zusammenfasse, haben zwar nicht den Erfolg eines Banhart, einer Newsom oder auch nur eines Alasdair Roberts, aber ich bewundere die Konsequenz, mit der die meisten Künstler hier unten inzwischen schon jahrelang – und bis weit in die kommenden Jahre – ihre Idee einer „freien“ Musik verfolgen, ohne sich einem breiterem Publikum anbiedern zu wollen. Die meinen das ernst… und die Entscheidung, ob das dann wirklich noch „Folk“ genannt werden kann, bleibt „frei“…

Various Artists
The Invisible Pyramid: Elegy Box

(Last Visible Dog, 2005)

Das Konzept hinter dieser Box: Musiker und Bands aus dem Umfeld/der Stilrichtung Drone/(Free) Folk/Ambient (alle auf dem Label Last Visible Dog natürlich) machen eine Viertel Stunde Musik, inspiriert von einer vom Aussterben bedrohten bzw. ausgestorbenen Tierart. Man darf einen Track aufnehmen, man kann die 15 Minuten für mehrere Tracks verwenden – nur das Zeitlimit sollte ungefähr eingehalten werden. Dazu gibt es ein Essay von Urdog’s Jeff Knoch, und all das wird auf 6 CD’s mit über 7 Stunden Spielzeit präsentiert. Das ist natürlich eine Tour de Force. Und wer da am besten arbeitet, ist zum Einen sehr subjektiv, und vor Allem stimmungsabhängig – wie immer bei solcher Musik. Die Acts auf dieser Compilation mögen stilistisch und soundmäßig teils weit von Bands wie Jackie O-Motherfucker entfernt sein, aber „Free Folk“ ist ja wie gesagt schon ein schwammiger Begriff auf verteilt auf ein weites Feld, und wenn sich hier ein Noise-Terrorist wie Birchville Cat Motel (= Gitarrist Campbell Kneale) mit den Space Rockern Bardo Pond, den lupenreinen Free Folk Vertretern von Fursaxa und diversen finnischen Freigeistern zum guten Zweck zusammentun, wäre die Frage nach einem Reinheitsgebot nur peinlich. Die Elegy Box bietet einen Überblick über eine Art Musik, die bei nur einem Künstler für die übliche CD-Länge von 60 bis 70 Minuten manchmal schwer zu goutieren ist. Hier kann man also mal reinhören, was der Einzelne Act denn so macht, es sind einige der Meister ihrer Zunft versammelt und das übergreifende Konzept bringt all das in einen sympathischen und überraschend gut funktionierenden Zusammenhang. Invisible Pyramid: Elegy Box ist ein perfekter Überblick und ein toller Einstieg in die Welt von Drone und Free Folk. Einziges Problem: Die CD-Box ist ein teurer Spaß und schwer zu bekommen, aber es gibt ja YouTube und Streamingdienste. Und wenn ich mal als Beispiel einen lupenreinen „Free-Folk“ Beitrag nennen soll: Da ist die auch hier unten beschrieben Fursaxa dabei. Oder da sind Black Forest/Black Sea direkt als Opener.

Various Artists
Gold Leaf Branches

(Digitalis, 2005)

2005 scheint – wie gesagt – das Jahr der Rückschau in der experimentellen (Folk)musik zu sein – der Rückschau in Form gewaltiger Compilations. Gold Leaf Branches vom Digitalis Label dauert knapp fünf Stunden – wenn man das denn in Einem durchhören will. Das Label, gegründet vom Multi-Instrumentalisten, Literaten, und Hansdampf in allen Gassen Brad Rose, ist auch so ein Sammelbecken verschiedener in diesem Bereich der Musik „namhafter“ Künstler. Hier kommt die geisterhafte Folk-Chanteuse Marissa Nadler zu Wort, der Fahey-Adept James Blackshaw spielt mit, die Begründer des Free Folk Charalambides sind dabei, Brad Rose mit diversen eigenen Projekten wie z.B. Ajilvsga (man höre auch deren Medicine Bull 2008…) oder The North Sea (man höre deren Bloodlines in fünf Jahren..) oder der tolle Lo-Fi-Folk Songwriter Elephant Micah etc pp… aber es sind vor Allem die Unbekannten (bzw. NOCH Unbekannteren…), die Gold Leaf Branches zu mehr als einer unübersichtlichen Kollektion machen. Steven R. Smith’s Projekt Hala Strana mit deren „Fanfare“ gefällt mir sehr, The Weird Weeds‘ „Soda Jerk“ ist kurz und prägnant (und deren Album Hold Me aus dem Vorjahr ein Segen…) – es gibt Etliches zu entdecken und was mir gefällt, mögen andere weniger toll finden. Es ist eben eine Compilation – aber eine, die mit Liebe gemacht wurde: Die drei CD’s sind in mit besagten goldenen Blättern bedrucktem Wachspapier eingeschlagen, Man konnte sie nur bei Digitalis bestellen – und heute gibt es sie für wenig Geld bei Discogs…

Jackie-O Motherfucker
Flags of the Sacred Heart

(ATP/R, 2005)

Jackie O-Motherfucker sind alte Bekannte im Bereich Free Folk. Vielleicht DAS Vorzeige Kollektiv für diese Musik-Gattung, die Band, die man dem Neugierigen vorspielt, weil sie die konziseste Diskografie haben, weil sie sich mit dem „Genre“ weiterentwickelt haben, und dabei immer wieder neue Ideen auf ihren Alben verarbeiteten. Ihre Alben in den drei Jahren von ’99 bis ’02 sind toll, Flags of the Sacred Harp ist in Ausführung und Konzept so was wie die Gussform für Free und Freak-Folk whatever…. Es gibt in den USA ein Hymn-Book aus dem 19. Jahrhundert, das The Sacred Harp heisst, eine Sammlung von Chor-Stücken aus der Zeit der Kolonisation Amerika’s, aufgeschrieben in vereinfachter Notenschrift mit nur vier Noten – um auch den musikalisch Unkundigen zum Mitmachen anzuregen. Dieses Gesangsbuch nimmt das Kollektiv aus Portland als Ausgangspunkt für seine musikalischen Exkursionen – mal weit hinaus auf einen Ozean von Klang und Improvisation, mal streng und konzentriert am Geist der Originale ausgerichtet. Die „originalen“ Tracks („Nice One“, „Rockaway“, „Loud and Mighty“, „The Louder Roared the Sea“) sind mal folky, wie man es von Jackie-O bisher nicht kannte – „Rockaway“ wird zum Zeitlupen-Blues mit Lyrics, die Blind Willie McTell geschrieben haben könnte („tombstone is my pillow/ graveyard’s gonna be my bed“) oder sie klingen nach Bonnie „Prince“ Billie. Aber aus dem finalen Track „The Louder Roared the Sea“ machen sie dann einen 16-minütigen Drone – die Avantgarde lauert immer hinter der nächsten Ecke. Auch die eigenen Songs pendeln zwischen Drone und Folk. „Hey! Mr. Sky“ ist einer der nettesten verschlafenen Folk-Songs des Jahres, das Zentrum des Albums ist dann der viertelstündige Drone „Spirits“, eine allmählich aufsteigende Exkursion, die den religiösen Hintergrund der themengebenden Traditionals mit elektronischen Spielereien in weltumspannende Spiritualität übersetzt. Da ist das Cover mit der Plaid-Decke nur noch das Pünktchen auf dem „i“, Besser wurden Jackie-O Motherfucker nicht mehr.

Fursaxa
Lepidoptera

(ATP/R, 2005)

Fursaxa ist die Musikerin und Esoterikerin Tara Burke, die schon seit Beginn der 00er Jahre völlig ironiefrei eine mttelalterlich/psychedelisch anmutende Musik macht, die sie in Verbindung mit der Free Folk Community bringt. Dazu hat sie den Segen und lobende Worte von Sonic Youth’s Thurston Moore und einen Plattenvertrag mit ATP/R – dem Label, das sich aus einer Konzert-Promotion-Agentur zu einem beachtlichen Indie-Label entwickelt hat. Was sich die Label-Macher von ihr versprechen, ist ein bisschen rätselhaft, Fursaxa’s Lepidoptera ist hermetische Musik, mit Wurzeln in Folk, in religiösen Madrigalen und im Drone einer Nico etwa. Die Tracks basieren auf Gitarrenchords, Organ-Drones, gklöppelten Tamburinen und Tara Burke’s gedoppeltem und verdreifachtem Gesang. Der ist nicht notwendigerweise verständlich, es geht ihr um das Entstehen von Stimmungen, der Raum ist ein weiteres Instrument, er klingt mit, Dynamik soll anscheinend nicht entstehen, sondern eine kontemplativer Stimmung. Das könnte albern wirken ob seiner Esoterik, ist aber so ernst gemeint – und dadurch so gelungen – dass man sich einfangen lassen kann. Ich sehe Tracks wie das pastorale „Pyrcantha“ mit übereinander geschichteten Gitarren oder das bedrohliche „Freedom“ als aurale Mandalas. Muster aus Klang, die nicht als „Folk“ im bekannten Sinne zum mitsingen oder nachpfeifen gedacht sind, sondern eine archaische Form der Meditationsmusik neu empfinden und erfinden.

The No-Neck Blues Band
Qvaris

(5RC, 2005)

Eine weitere Lieblingsband von Sonic Youth’s Thurston Moore ist die No-Neck Blues Band. Er nannte sie seinerzeit tatsächlich „the best band in the universe ever.“ Und die Referenz Richtung Universum trifft es auf gewisse Weise auch ganz gut: Das basisdemokratische Improv-Kollektiv ist immer noch in New York beheimatet, hat dort im Harlemer Hint House bei seinen wöchentlichen Sessions eine traumhafte Sicherheit darin entwickelt, disparate Musikformen zu einem gewagten Mix zu verwirbeln und dabei tatsächlich zu klingen, als würde ein Flug durch fremde Galaxien musikalisch untermalt. Da treffen Sun Ra, Grateful Dead, Captain Beefheart’s Magic Band und Robert Johnson aufeinander und spielen Free Jazz auf einem Blues, Raga und Folk Fundament. Oder ich sag’s mal so: Qvaris klingt fremd. So fremd wie seinerzeit Beefheart’s Trout Mask Replica geklungen haben mag. Nur dass Qvaris in eine Welt eintritt, in der es Ausserirdisches wie Trout Mask schon gibt. Und die No-Neck Blues Band teilt mit Beefheart in meinen Augen vor allem die angenehme Eigenschaft, sich durch ihren naiven Spass am Abseitigen intellektueller Analyse zu entziehen. Da sind Tracks wie „Live Your Myth in Grease“ mit minimalistischen Gitarrensplittern über Tribal-Rhythmen, das gibt es das völlig abstrakte „Black Pope“ mit spooky Keyboard-Sounds in einem seltsamen Klang-Unversum (Mit einem lustigen Video bei YouTube…), da ist eine Band mit einem komplett anti-kommerziellen Anspruch, die aber mit diesem Album – und mit den beiden Vorgängern Sticks and Stones May Break My Bones(siehe Free Folk 2001) und dem 2003er Album Intonomancy – einen ganz eigenen Claim abgesteckt hat – die wirklich „neue“ Musik gemacht hat (und die dazwischen freilich eine Unzahl von Kleinst-Veröffentlichungen auf Mini-Labels gemacht hat…). Ich weiss nicht, ob Qvaris irgendwann eine vergleichbare Bedeutung wie Trout Mask Replica haben wird – vermutlich eher nicht, weil die Flut an seltsamen Musik inzwischen reissend geworden ist, aber Qvaris ist allemal eines der besten Alben seiner seltsamen Art. Thurston Moore hat Ahnung, und wenn man sich auf sein Urteil nicht verlassen will, dann kann man immerhin meinen Worten glauben…

Sunburned Hand of the Man
Wedlock

(Eclipse, 2005)

Zusammen mit Jackie O-Motherfucker und der No-Neck Blues Band sind die in den Neunzigern in Boston entstandenen Sunburned Hand of the Man um den Drummer John Moloney (hier nicht dabei…) und den Gitarristen Chris Corsano so etwas wie Elder Statesmen des avantgardistischen Free Folk. Der Rest dieses Kollektives variiert logischerweise, es handelt sich ganz offensichtlich um einen Kreis aus Freunden – die 2005 die Hochzeit ihrer Bandkollegen Paul LaBrecque and Valerie Webb in Alaska musikalisch feierte und aus den dabei stattgefundenen Jams das formidable Album Wedlock destillierte. Nun könnte gerade so etwas sinnloses und unerquickliches Gedaddel werden, aber die 12 Beteiligten gaben sich hier wirklich Mühe. Und sie hatten die Fähigkeiten und den Willen, ihre psychedelischen Exkursionen bei aller Freiheit zusammenzuhalten. Es ist seltsam und auch schwer in Worte zu fassen, wie es kommt, dass eine Noise- und Rückkopplungs-Collage wie der Titeltrack trotz all seiner Freiheit nie an Spannung verliert. SHOTM spielen hier keine Hippie-Folk Waisen, sie machen Krach voller Energie und Spaß, und ob da irgendwo im Untergrund „Folk“ mitschwingt, will ich garnicht analysieren. Aber Free Jazz ist das auch nicht, freie Improvisationsmusik aus der Avantgarde ist im Vergleich wiederum meist viel akademischer, verbreitet weniger Spaß. Man kann sich bei Wedlock genau vorstellen, wie die Musiker sich auf einer schnell zusammengebauten Bühne in rasende Ekstase gespielt haben. Man hört genau das – auch weil die Aufnahmequalität Lo-Fi-roh ist. Dass die Musiker hier tatsächlich auf ihre Weise virtuos bzw. furchtlos sind, spielt sicher auch eine große Rolle: Insbesondere Corsano und der Bassist und „Shouter“ Dave Bohill stechen heraus – aber SHOTM sind ein Kollektiv, und als solches vergnügen sie sih auch hier. In gewisser Weise repräsntiert dieses Album Free Folk auf die beste denkbare Art.

Spires That in the Sunset Rise
Four Winds the Walker

(Secret Eye, 2005)

Free Folk hat im Gegensatz zum Free Jazz eine durchaus erkennbare feministisch/weibliche Komponente. Frauen sind selbstverständlich gleichberechtigte Mitglieder in den Kollektiven, die die improvisierte Musik dieser Zeit kreieren, Da sind Tara Burke/Fursaxa, Charalambides‘ Christina Carter oder Erika Elder von den Tower Recordings – und die sind nicht nur Begleiterinnen, sie haben den selben Einfluss auf die Musik ihrer „Bands“, wie ihre männlichen KOllegen – und mit Spires that in the Sunset Rise (wieder so ein toller Bandname) etablierte sich ein all-female Quartett aus Chicago mit seinem zweiten Album…. und arbeitete im Gegensatz zu den anderen Protagonisten des Free Folk mit elektrisch verstärktem Instrumentarium, das man doch eher mit Männer-dominiertem Rrrock verbinden könnte. Aber auf Four Winds the Walker wird erkennbar, dass die Wahl der Instrumente unwichtig ist, und die rein weibliche Perspektive, aus der die Musik hier gemacht ist, nicht plakativ ‚rausgehauen wird, sondern sich selbstverständlich in Energie, Innovation und Klang zeigt. In dieser Art von Musik ist das Geschlecht (so scheint es mir jedenfalls) gleichgültig. Four Winds the Walker ist ebenso einzigartig und eigenartig wie Qvaris von der No-Neck Blues Band, das Universum, das Spires… erforschen, bietet unendlich viele unerkannte Möglichkeiten. Natürlich benutze ich wieder (obskure) Bands als Vergleiche – Das Quartett könnte sich auf die Slits, die Raincoats und Yoko Ono berufen, auf die großartigen Sun City Girls, auf die abwegige Sixties-Folk Band Comus, und auf die durchkonzipierten Verrücktheiten diverser ESP-Disk Folk-Alben der Sechziger, aber – auch wie immer – die Vergleiche hinken. Spires… nutzen ihre Instrumente, als wären sie die Ersten, die ein verstärktes Banjo mit dem Bogen streichen, sie setzen ihre diversen, teils selbst-erfundenen Instrumente unter massive Spannung, sie erfinden tatsächlich eine weitere Facette im neuen, freien Folk. Ihre Songs klingen fremd, aber erstaunlich präzise, sie verlieren sich nicht – wie bei anderen Free Folk Acts üblich – in ellenlangen Improvisationen, sie bleiben fast immer innerhalb des Song-Formates zwischen drei und fünf Minuten (was ihnen eine angenehme Ökonomie verleiht)… aber diese Songs sind fremd, neu und erfreulich abwegig. Tracks wie „Sheye“ oder „Born in a Room“ haben theatralische Background Vocals, die man eher aus dem Prog-Rock zu kennen glaubt. Und ein Song wie „The May Han“ ist fast „normal“, würden da nicht seltsame String-Instrumente, schwirrende Saiten und zischende Becken den Hintergrund aufwühlen. 2005 ist ein Jahr, in dem Free Folk seine Grenzen weit nach außen verschiebt. Dass das Gros der Menschheit nichts davon weiß, ist ein bisschen schade und sehr egal.

Six Organs Of Admittance
School Of The Flower

(Drag City, 2005)

Dass Free Folk ein breiteres Publikum erreicht hat, kann man ganz gut an Six Organs of Admittance‘ erstem komplett im Studio produzierten Album erkennen. Der Kopf hinter diesem Namen – Ben Chasny – ist befreundet mit Freak Folk Posterboy Devendra Banhart, er hat einen Plattenvertrag beim doch recht großen Indie-Label Drag City – mit Musik, die mitunter in die abstrakten Bereiche der Free Folk-Improvisationen und Drones eintaucht, die aber auch immer wieder ins Songformat zurückkehrt. School of the Flower ist Free Folk Light – und das meine ich nicht negativ!! Denn was Ben Chasny hier mit dem experimentellen Percussionisten Chris Corsano (von Sunburned Hand of the Man…) veranstaltet, ist keinesfalls als Einknicken vor einem „Massengeschmack“ zu sehen. School of the Flower ist einfach auf eine Grenze gebaut. Da passt es, dass Chasny’s Vorbilder – nach eigenen Aussagen – bei Bands wie The Dead C, SunnO))) oder bei dem japanischen Experimental-Musiker Keiji Haino und dessen Band Fushitsusha zu finden sind – und eben nicht bei den alten Folk-Meistern der anglo-amerikanischen Geschichte. Eben das hört man auch immer wieder auf School of the Flower. Das Album startet gelinde psychedelisch mit „Eighth Cognition/All You’ve Left“, aber schon innerhalb dieses Tracks beginnt auf einmal Corsano mit diversen Instrumenten zu rattern und rasen, dass es eine Freude ist. Da ist der pure Free Folk Drone von „Saint Cloud“ und dann ist da das zentrale Titelstück mit einer uhrwerkhaften Gitarrenfigur, die im Verlauf von dreizehn aufregenden Minuten immer tiefer in einem zart gesponnenen Chaos aus rasanten E-Gitarren (siehe japanische Noise Bands…), Rückkopplung, freien Percussionwirbeln und Lärm versinken. Und auch hier nannte Chasny mit John Cale/Terry Riley’s Church of Anthrax ein Vorbild, das weit ausserhalb der Grenzen des Folk steht. Dass er zwei relativ konventionelle Folk-Tracks ans Ende des Albums stellt, dass er hier erstmals nicht mit 4-Spur-Recorder sondern mit vollem Studio.Equipment arbeitete – all das macht dieses Album zu einem sehr genießbaren Einstieg in seine Arbeit und in die hermetische Musikform, der ich es hier zuordne. Und das Album zeigt, dass dieser Ben Chasny völlig zu Recht ein so profilierter Künstler ist. Er begleitete Joanna Newsom und seinen Freund Banhart, arbeitet mit Extremisten wie Charalambides oder Current 93 und stand unwillig – und damit sympathisch – im Rampenlicht des „New Weird America“ ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren und ohne die Vorbilder zu verleugnen, die eben ausserhalb der (Folk-) Norm lagen. Six Organs of Admittance sollte man hören – und mit diesem Album beginnen.

Wooden Wand and the Vanishing Voice
Buck Dharma

(Time-Lag Rec., 2005)

Auch James Jackson Toth, der sich hinter dem Alias Wooden Wand verbirgt, gilt als wichtiger Vertreter dieser seltsamen „Free Folk“ Bewegung um die 00er Jahre. 2005 ist er weit in die Welt des Free Folk eingestiegen, hat mit diversen Leuten bei unterschiedlichen Sessions und Aufnahmen gespielt, und macht ein beachtliches Loner-Folk Solo Album titels Harem of the Sundrum & The Witness Figg. HIER aber passt seine Zusammenarbeit mit dem Folk-Kollektiv The Vanishing Voice besser hin. Buck Dharma ist archetypisch in seinen ellenlangen Jams, die – man könnte es beklagen – manchmal ins Nichts führen, aber auch genau das tun sollen. Toth spielte insbesondere mt Vanishing Voice’s Jessica Bowen zusammen, würde sie bald heiraten und mit ihr von New York auf’s Land nach Tennesse ziehen. Die vier bis fünf Leute von The Vanishing Voice improvisieren sich in Trance, echtes Songwriting schimmert ab und zu auf, aber Gitarren-Jams wie bei „Owl Fowl“ oder die fast neun Minuten von „Rot On“ leben vor Allem vom Sound, von der Trance, in die die Musiker und idealerweise die Hörer verfallen. „Spear of Destiny” ist gut geeignet, dieses Album und diese Band mit ihrem eigenen Stil vorzustellen. Hier verbiegen sie eine Blues-Struktur, während Jessica Bowen pastorale Bilder von Bergen und Quellbächen entstehen lässt und nach kurzer Zeit Jackson Toth’s Acid-Gitarre durch den Song mäandert. Das mag schwierig sein. Man muss in der richtigen Stimmung sein – aber in dieser Zeit gab es offenbar einen Spirit, der dazu führte, dass eine ganze Generation von Künstlern Musik machte und veröffentlichte, die in Folk und Improvisation gebadet war. Daraus die wahren Schätze zu empfehlen, ist schwer, weil die Menge unüberschaubar ist und weil sich die „Qualität“ solcher Musik schwer fassen lässt. Ich liebe von diesem Act Buck Dharma und das im folgenden Jahr veröffentlichte Gipsy Freedom.

Skygreen Leopards
Live & Love in Sparrow’s Meadow

(Jagjaguwar, 2005)

Die hier sind nach meiner Beobachtung bei manchen Freak-Folk Freaks weniger beliebt. Ich nehme an, weil sie eine gewisse Naivität zu transportieren scheinen, weil ihre Musik Klischees zu erfüllen scheint, die mit Coolness oder gewollter „Weirdness“ wenig zu tun hat. Falsch – finde ich. Klar, wer sein Album Live & Love in Sparrows Meadow nennt, wer Schmetterlinge und einen Ballon auf’s Cover setzt, der bedient sich einer Sprache, die ein bisschen nah am Kinder-Märchen verortet werden kann. Aber die Skygreen Leopards sind und waren auf ihren Alben um 2005 herum nie blöd-naiv. Da sind Donovan Quinn und Glen Donaldson (auch bei den ernst(hafter)en Thuja, deren ’05er Pine Cone Temples nicht so gelungen ist…) zu versiert, wissen zu viel über Folk – und Pop! Es ist also Absicht. Bei den Skygreen Leopards treffen poppige Melodien auf seltsam verträumte, psychedelische Texte und Texturen, auf das virtuose Geklingel diverser Saiteninstrumente, auf Lukas-der-Lokomotivführer Getute und bekiffte Vocals. DAS muss man mögen. Aber Songs, die so ökonomisch kurz sind wie hier, die eine so bestechende, wenn auch etwas wirre Melodik haben, wie „Clouds Through Sparrow’s Eye“ oder „A Child Adrift“ (…dieser Titel allein…) können nicht verkehrt sein. Einzig die Frage, ob dieses Album in diesen Artikel neben das coole Impro-Kollektiv No-Neck Blues Band gehört, kann man stellen. Im Free Folk malt man mit breiter Palette… manchmal auch Kinderbilder. Und wer es weniger naiv will, der delektiere sich auf diesem Album an Tracks wie „Labyrinth Window“. Auch noch kurz, melodisch, ein bisschen verträumt, zwar nicht improvisiert, aber auch abgedreht. Hier also dieser Aspekt des Free Folk. Es gibt in dieser Zeit so viele Facetten, dass es mit diesem Artikel hier nicht getan sein wird.

Lichens
The Psychic Nature of Being

(Kranky, 2005)

Ich gebe diesen Einträgen immer Überschriften, die EINEN ganz bestimmten Stil – ein Genre zum Thema der Reviews und Bemerkungen machen – wissend, dass diese Schubladen den Musikern meist wohl nicht passen würden, dass Musiker oft nicht beschließen, EIN bestimmtes Genre mit ihrer Musik zu bedienen und wissend dass andere Hörer das Album X der Band Y eher einem anderen Genre zuordnen könnten. Aber ich sehe solche Kategorisierungen ja auch nicht besonders streng, sie sind lediglich praktisch zur „Erklärung“ von Musik. Das Prinzip für mich ist: Wer das eine Album mag, das man möglicherweise dem lockeren Begriff Free Folk zuordnen könnte, der mag vielleicht auch das folgende Album etc…. Da ist zum Beispiel das Alias Lichens des 90 Day Men bzw. TV on the Radio Musikers Rob Lowe – ein Album das der Multi-Instrumentalist (fast) alleine eingespielt hat, und das weder mit dem Math Rock der Einen, noch mit dem Art-Rock der Anderen viel gemein hat – das mich ganz einfach eher an die Musik diverser Bands aus diesem Artikel erinnert. Die drei Tracks – 10 bis 20 Minuten lang – wurden ohne Overdubs live improvisiert, was mir fast unglaublich erscheint, denn Lowe arbeitet mit geloopter Stimme, Gitarrenklustern und organischen Synthie-Sounds gleichzeitig. Er macht aus wortlosem Gesang schwebende Drones, aus denen die gezupften Gitarrentöne wie Regentropfen fallen („Kirlian Auras“) das ganze Album klingt völlig organisch, seine Wurzeln mögen nicht in überlieferten Folk Traditionen liegen, aber die Früchte von Lowe’s Arbeit schmecken mir eher nach Fursaxa (ohne Esoterik), spätem John Fahey und indischem Raga als nach gewollt experimentellem Drone mit all seiner Dissonanz. The Psychic Nature of Being ist so freundlich, dass es für mich perfekt in eine Reihe mit anderen Free Folk Alben dieser Zeit passen kann. Insbesondere der abschließende 20-Minuten Track „You Are Excrement, You Can Turn Yourself Into Gold“ mag etwas ZU lang geraten sein, aber Durchhalten ist in dieser Form von Musik Bedingung – und mir fällt das Durchhalten leicht, weil Lowe immer wieder neue Loops, Distrortions und Sounds ergänzt. Ich wüsste auch ein paar andere Bezeichnungen für diese Musik, aber mir scheint, wer die obigen Alben mag, könnte Lichens auch mögen.

und primitive Gitarrenmusik ?

Und nun zu einem dem Free Folk anverwandten Bereich der Musik, zum „American Primitivism“, der instrumentalen Gitarrenmusik, die ihre Wurzeln ebenfalls im Folk des alten Amerika hat, der sich aber von Anfang an (Mitte der Fünfziger…) mit seinem „Erfinder“ John Fahey in alle Richtungen ausdehnte – der klassische Musik, indischen Raga, Drone und meinetwegen sogar „Rock“ in seine Sprache einfügte – und damit vieles vorwegnahm, was die Musiker der diversen Free Folk Kollektive praktizierten. Daher mag es kommen, dass Jack Rose (siehe hier unten) bei den Free Folk Könnern von Pelt seine Heimat fand, und daher mag es kommen, dass eine Band wie die No-Neck Blues Band bei John Fahey’s Revenant Label eine Heimat fand…

Jack Rose
Kensington Blues

(VHF, 2005)

Jetzt ist der Name John Fahey gefallen, und mit Kensington Blues steht hier auch ein Album, das in der Reihe der Free Folk Alben streng genommen nicht ganz richtig ist. Jack Rose ist Mitglied der Band Pelt und er hat 2004 mit Raag Manifesto ein Album gemacht, das seine Gitarrenexkursionen – wie so viele andere Bands seiner Zunft – nach Indien überführt. Nun veröffentlicht er Kensington Blues auf dem Free Folk-affinen Label VHF – aber er macht mit diesem Album einen großen Schritt aus der Free Folk/Raga Ecke Richtung Blues- und Folk-inspirierter instrumentaler Gitarrenmusik. In Richtung der Musik mithin, die man „American Primitivism“ nennt, die viele Musiker aus dem Umfeld des Free Folk beeinflusst hat und deren „Erfinder“ und größter Vertreter John Fahey drei Jahre zuvor gestorben ist. So hört der kundige Hörer dann auch jenen Fahey heraus, aber auch dessen Schüler Robbie Basho, den britischen Folk-Gitarristen John Renbourn, Elizabeth Cotton, Richard Thompson und sogar Grateful Dead’s Jerry Garcia. Was mich beeindruckt, ist der ständige Ideen-Flow, die (Neu)- Erfindung einer eigenen Musik aus uralten Wurzeln. Rose ist offensichtlich ein großer Techniker, aber er stellt – wie Fahey – sein Können in den Dienst eines höheren Konzeptes, er wäre vermutlich auch mit jedem anderen Instrument ein herausragender „Musiker“. Aber natürlich ist es eine Freude ihn auf der 12-tring, mit Slide-Gitarre und als Ragtime Fingerpicker zu hören. So wie es interessant und spannend ist, zu hören wie er bei „Cross the North Fork“ Raga und Ragtime organisch ineinander fliessen lässt. Dann ist da das Fahey-Cover „Sunflower River Blues“, das Rose mit seinem eigenen Flow versieht oder das ganz eigene „Cathedral et Chartres“, das mit Slide Gitarre am Ende in einen Drone abgleitet. Schön, dass immer wieder kürzere Tracks wie „Flirtin‘ with theUndertaker“ auf die Ursprünge seiner Musik verweisen und für Erholung nach den ausladenden experimentelleren Tracks sorgen. Jack Rose hatte mit Pelt und Allein einen eigenen Pfad eingeschlagen und wurde nun spätestens mit Kensington Blues zum berechtigten Nachfolger von John Fahey. Um so tragischer war da sein Tod vier Jahre später an einem Herzinfarkt. Seine Musik: Kostbar.

James Blackshaw
Sunshrine

(Digitalis, 2005)

Wenn Jack Rose der neue Fahey wäre, könnte James Blackshaw der neue Leo Kottke sein – jedenfalls was die Wahl seines Instrumentes angeht – er ist ein Meister der 12-String Gitarre. Aber Kottke lebt noch und James Blackshaw ist vielleicht etwas weniger in amerikanischen Blues Traditionen verwurzelt als Kottke – oder als Jack Rose, was das angeht. Sunshrine erscheint ebenfalls – wie die oben beschriebene Compilation Gold Leaf Branches – auf Brad Rose’s Digitalis Label (… der ist nicht mit Jack Rose verwandt…) und ist in seiner Konzeption näher am Free Folk, als an Kensington Blues…. eben weil hier Folk und Weltmusik, Raga und Drone mit offen gestimmter 12-String Guitar, Organ, Glockenspiel und anderen Klangerzeugern zu einer neuen, „freien“ Musik zusammenfinden – zu einer Folkmusik, die ich eher mit dem 21. Jahrhundert verbinde, als mit dem amerikanischen Folk des frühen 20. Jahrhunderts. Aber der Brite James Blackshaw wird – so wenig wie andere hier genannte Musiker – beschlossen haben instrumentale, gitarren-basierte Musik mit dem Etikett „Free Folk“ zu spielen. Er verfolgt einfach seine eigene Version der Instrumentalmusik, er mag Vorbilder wie Fahey und vor Allem Robbie Basho haben, aber er ist ideenreich und konsequent in der Verwirklichung seiner Vision. Das über 25-minütige Titelstück geht von Folk über Raga-Passagen bis zu harten Orgel-Drones, man hört, warum Noise-Spezialist Campbell Kneale ihn ein Jahr zuvor auf seinem eigenen Label ein Album (Celeste) machen ließ. Das kurze „Skylark Herald’s Dawn“ ist weniger extrem, sozusagen ein Ausklang in Ruhe. James Blackshaw entpuppte sich hier endgültig als ein weiterer Ideenreicher Vertreter einer neuen, abenteuerlichen und avantgardistischen (Folk)Musik PK

Harris Newman
Accidents With Nature and Each Other

(Strange Attractors, 2005)

Die drei hier nun hintereinander gestellten Alben sind ein guter Beweis dafür, dass man mit rein instrumentaler Gitarrenmusik ein weites Feld an Emotionen und Bildern darstellen kann. Da ist Jack Rose mit seinem Mix aus Raga und Ragtime, der tatsächlich das mystische alte Amerika wieder auferstehen lässt – und zugleich in meditativem Nebel vergehen lässt, da ist der Brite James Blackshaw, der mit seiner Gitarre schwebende Drones erzeugt, die von sanft leuchtend bis grell strahlend reichen, der sanft und elegisch wird ohne zu nerven, und da ist der Kanadier Harris Newman, der auf Accidents With Nature and Each Other – wie der Titel sagt – die Natur in all ihrer Kraft und Verletzlichkeit im Kampf mit dem Menschen darstellt. Er ist, wie die beiden anderen Gitarristen, ein Virtuose mit einer Botschaft und mit einem Ziel: Auf seiner Website schrieb er zu diesem Album: „This album is a lament for humankind’s great narcissistic folly, its belief that (depending on your perspective) it will either conquer, tame, or destroy our planet. If I were a gambling man, and had to picks sides in the so-called struggle between man and nature, my money’s on the mud.“ Diese kritische Haltung zum Umgang des Menschen mit der Natur stellt er mit sehr kraftvollem und virtuosem Gitarrenspiel – und mit wohlgesetzten Sounds von Steel Guitar und Percussion dar. Schon beim Opener „The Butcher’s Block“ klingt die akustische Gitarre lauter und kraftvoller, als es mit elektrischer Gitarre vorstellbar wäre. Manchmal erzeugt Newman mit schnell gespielten Läufen ein regelrechtes Schwirren und Summen, das er mit hart gezupften Bass-Saiten akzentuiert. Das ist sehr rhythmisch und hört sich als Beschreibung technisch an, es erzeugt aber vor Allem einen überwältigenden Sog. Bei Tracks wie „A Thousand Stolen Blankets to Keep You Warm at Night“ braucht man nichts anderes, als Newman’s Slide-Gitarre um eine Story vor Augen zu haben. Lyrics sind bei dieser Musik unnötig, sie wären sogar zuviel. Und die düstere Atmosphäre von „It’s a Trap (Part 1)“ und „…(Part 2)“ würde durch Worte nur ins Banale verschoben. Newman unterscheidet sich technisch von seinen Zeitgenossen und vom Übervater John Fahey weit genug, um spannend zu sein, und er unterscheidet sich eben auch durch die Intentionen – nenn es meinetwegen die „Story“ – die er mit seiner Musik verfolgt. Und diese Geschichte ist es auch, die Accidents With Nature and Each Other so persönlich macht. Harris Newman (genau wie Rose und Blackshaw) kann man nicht „nachspielen“, diese Musik ist Ausdruck einer ganz individuellen Musikalität und einer persönlichen Absicht, die man nicht – wie einen Text – ablesen und wiederholen kann. Diesen „American Primitivism“ könnte man Free Folk ohne Kollektiv nennen.