1993 – Darkthrone bis Necrophobic – The Second Wave of Black Metal

1993 kann man als das Jahr der Initialzündung einer mitunter recht zwiespältigen Variante des Metal ansehen. Ende der Achtziger hatten ein paar Jugendliche in Norwegen keine Lust mehr auf die – ihrer Meinung nach – zu wenig ernsthaften und nur noch “modischen” Bands des Death- und Thrash Metal.

…sie sahen deren wachsenden kommerziellen Erfolg als Affront an und beschlossen, Krach zu veranstalten der so nihilistisch wie möglich war – sowohl inhaltlich als auch in der Ausführung. Womit konnte man noch wirklich schockieren? Mit Blasphemie, mit faschistoider Arroganz, mit Hass. Wie vermeidet man Anfang der 90er im produktionstechnisch ausgefeilten Metal kommerziellen Erfolg? Mit dumpfem Sound und Eintönigkeit. Nur wurde auch das schnell komplizierter. Der Un-Sound wurde zur Trademark, die Shows, bei denen die Darsteller gerne mit dem sog. Corpsepaint bemalt waren und bei denen mit Tierblut rumgesaut wurde, hatten regen zulauf, das nihilistische Getue wurde zur Mode, bei manchen zum Lebensinhalt, bei anderen zur Pose. – und die Musik von der Presse und diversen Labels zum Trend der Stunde gekürt. Einem Trend der überraschend viele Varianten bekam. Das Problem für Viele ist, dass es insbesondere unter den Vertretern der sog. Second Wave of Black Metal einige Protagonisten gab (manche gibt es sogar immer noch…), deren Haltung extrem fragwürdig bis offen faschistoid ist, und dass viele Bands und auch die dazugehörige Szene sich manchmal höchst halbherzig von rechtem Gedankengut distanziert hat. Leider gehören dazu einige “Projekte” (oft scheinen BM-Musiker andere Menschen so sehr zu verabscheuen, dass sie alles alleine machen), deren Produkte stilistisch und musikalisch sehr überzeugend sind. Scheinbar können nur Leute die wirklich “Hassen” auch Musik machen, die den Hass vertont. Natürlich gibt es inzwischen sowohl Bands, die sich weiterentwickelt haben, musikalisch wie intelektuell, als auch solche, die Kraft und Furor, den Reiz des BM, als Ausgangspunkt für gänzlich Neues genommen haben. Aber es gibt auch nach wie vor einen “Zweig” des Black Metal, der offensiv rechtsradikal ist… Hier erst mal ein paar Worte zu einigen “Klassikern” einer Art von Musik, die von Sonic Youth durchaus voller Respekt als eine Art “Anti-Musik” bezeichnet wurde…..und ein paar Worte zum Ursprung des Genres – zur First Wave of Black Metal – als unterbrechender Mittelteil.

https://music.apple.com/de/playlist/der-gro%C3%9Fe-rockhaus-1993-second-wave-of-black-metal/pl.u-oZyl3XZsR7y8N5z

Darkthrone
Under a Funeral Moon

(Peaceville, 1993)

Als Erstes: Mit diesem Album wird alles, was Black Metal so schwierig, aber auch so toll macht, vor-verdaut und ausgespuckt. Die Lyrics werden hasserfüllt herausgekreischt, das Schlagzeug klingt nach Motorschaden, die Gitarren sind ein sich jeder Virtuosität verweigerndes weisses Rauschen. Songs beginnen unmittelbar und ohne alberne Einleitung und enden auch so. Under a Funeral Moon war das dritte Album der Norweger – nach einem klar im Death Metal verwurzelten Debüt – hatten sie auf ihrem zweiten Album (A Blaze in the Northern Sky) den Schwenk zum Black Metal vorgenommen und zementierten nun die Ästhetik dieses Stils. Man kann diese Musik sicher auch als sinnlosen Lärm bezeichnen, aber das kann man auch über Musik von The Velvet Underground oder Joy Division sagen (deren Ästhetik nicht unähnlich – nur depressiver – ist) für mich ist es minimalistischer Punk, mit Lyrics die bewusst überzogen sind, Songs mit Titeln wie “Summer of the Diabolical Holocaust“ oder „Under A Funeral Moon” können nur so klingen wie hier. Darkthrone waren zu dieser Zeit ein Trio, mit Künstlernamen wie Nocturno Culto, Fenriz und Zephyrous – und ihre Musik ist ebenso ernst gemeint wie das finstere Image, mit dem sie sich umgaben, und man sollte sie auch so hören. Das hier ist vollgepackt mit echten Emotionen, nicht mit den Nettesten, aber wer eine Vertonung der negativsten Seiten des Daseins hören will, findet hier reichlich Stoff .

Burzum
Aske EP

(Deathlike Silence, 1993)

Meine Haltung zu Burzum ist äußerst zwiespältig – aus einem einfachen Grund: Varg Vikersen, der Mann hinter Burzum, ist ein – das inzwischen auch offen zugebender – Faschist und verurteilter Mörder (der seit ein paar Jahren seine Strafe abgesessen hat und jetzt in diversen Blogs seine wirren Gedanken verbreitet). Aber er hat bis zu seinem Mord Musik gemacht, die – was dieses Genre angeht – perfekt in ihrer Atmosphäre und – ja, das meine ich so – Schönheit ist. Er hatte schon 1992 mit seinem damaligen Kumpel und späteren Mordopfer Øystein “Euronymus” Aarseth sein Debütalbum auf dessen Label Deathlike Silence veröffentlicht (geführt aus dem kleinen Plattenladen Helvete – sozusagen der Keimzelle des Black Metal in Norwegen). Dann kam im Anschluss die EP Aske und in der Zeit bis zum Mord im August 1993 die Aufnahmen zu den Songs für weitere Alben. Allerdings lag er schon bei Veröffentlichung von Aske im Streit mit Aarseth. Er hatte ihm aber die Veröffentlichung überlassen, da er schon zu dieser Zeit Schwierigkeiten mit der Polizei hatte, die ihm (zu Recht) vorwarf einige der unrühmlichen Brandanschläge auf Stabkirchen in Norwegen mit initiiert zu haben. Dass er sich auf dem Covershoot von Aske mit einem Foto der verbrannten Kirchen von Fantoft brüstete, zeigt deutlich, wie er zu Verbrechen dieser Art stand – Nett formuliert ist das Provokation um jeden Preis, zumal es zu den ersten Exemplaren der LP ein Feuerzeug gab… Musikalisch aber ist auch dieser Brücken-Release zwischen dem Debüt Burzum und dem Nachfolger (siehe hier unten…) fehlerlos. Die drei Tracks sind natürlich Lo-Fi, und gerade dadurch mag erkennbar sein, was Burzum’s Musik so beeindruckend macht. Er hatte sich den Kollegen Samoth von Emperor am Bass dazugeholt, er nahm zwei übriggebliebene Tracks von den “Sessions” zum Debüt auf die erste LP-Seite, nahm “A Lost Forgotten Sad Spirit” neu auf und dehnte es noch etwas mehr aus. Hypnotisch, eiskalt, repetitiv, primitiv und verzweifelt… Da muss man drauf stehn‘, das ist keine Spaßmusik und das soll es auch nicht sein….

Burzum
Det Som Engang Var

(Deathlike Silence, 1993)

Und dann kam die zweite LP… die Erweiterung, die Ergänzung, die Ausformulierung eines Künstlers, der offenbar an der Grenze zum Wahnsinn wanderte. Musikalisch und stilistisch ist Det Som Engang Var das definitive und perfekte BM-Album: Die Themen der (meist auf norwegisch gekreischten) Songs sind die Natur und die Mythologie Norwegens sowie Tolkiens “Herr der Ringe”, auf das Vikernes sich schon oft bezogen hatte (Er hatte zeitweise den Künstlername “Count Grishnak” getragen). DAS ist der Grund dafür, dass ich dieses Album immer wieder hören kann. Dafür hatte er hier alle Instrument in nur 26 Stunden selber eingespielt, und eine unglaubliche Mischung aus gedoppelten Gitarren, Drums und unheiligem Kreischen zu einem giftigen Gebräu aus verzweifelter Melancholie und Misanthropie zusammengekocht. Im Gegensatz zu Darkthrone klingt auf Det Som Engang Var alles weniger klischeehaft, tiefer und ernsthafter. Schon der abrupte Wechsel vom klassischen Intro zum rohen Getrümmer des zweiten Songs “Key to the Gate” ist perfekt, vereint zwei Welten. Die Musik ist auf der einen Seite rhythmisch eintönig, wird aber immer wieder von atmosphärischen Sounds und instrumentalen Intermezzi unterbrochen. Es ist – wie gesagt – irgendwie leider – eines der besten Alben des Black Metal, und es wurde jahrelang aus nachvollziehbaren Gründen von der Musikpresse boykottiert. Vikersen tötete kurz nach Erscheinen des Albums seinen ehemaligen Freund und musikalischen Partner. Er kam dafür von 1993 bis 2009 ins Gefängnis, wo er weiter Musik machte – eher Ambient als BM – und wo er immer tiefer in völlige politische Verblödung abrutschte. Also stellt sich die Frage – kann oder soll man ein Album wie Det Som Engang Var von einem bekennenden Faschisten wie Vikersen hören? Ich tu’s, weil die Musik der ersten Alben von Burzum keine rechtsradikalen Inhalte hat, und indem ich den Musiker von der Musik trenne. Kann man auch anders sehen. Aber Burzum hat mit den beiden Nachfolgern Hvis Liset Tar Oss und Filosofem (beide vor dem Mord aufgenommen) zwei noch bessere Alben gemacht. Auch die empfehle ich mit besagter Einschränkung.

Immortal
Pure Holocaust

(Osmose, 1993)

Das zweite Album der Norweger Immortal – mit dem misanthropischen Titel Pure Holocaust – kan man immerhin wieder so feiern wie den Klassiker von Darkthrone: Da ist schon das Cover mit den Musikern in vollem Ornat – von denen aber tatsächlich nur Demonaz Doom Occulta und sein Freund Abbath Doom Occulta (Oh Mann !) alle Instrumente eingespielt hatten während Grim nur als Posterboy abgelichtet worden war. Da ist der Titel – so unkorrekt wie möglich – und da ist selbstverständlich auch die Musik: Immortal fanden sogar Gnade vor den Augen von Havohej’s Paul Ledney! Und der Mann hatte Ahnung (Sihe weiter unten…). Pure Holocaust ist höllisch rasant, von eisiger, grimmiger Atmosphäre, dabei melodisch ausgefeilt und letztlich Blaupause für etliche Copycats, die dennoch hier nicht mehr herankamen. Abwechslungsreicher als Darkthrone, politisch genießbarer als Burzum und schneller als alle anderen. Es ist eine Freude hier zuzuhören. Die Themen sind nordische Mythologie und – natürlich – Hass in allen Farben. Schon beim Opener “Unsilent Storms in the North Abyss“ ist das Drumming rasanter als bei jeder Konkurrenz und Sänger Abbath hört sich nach tollwütigem Hund und nicht nach Mensch an. Und auf den folgenden Songs wird das Tempo weiter angezogen, allerdings kommen hier und da ein paar sich majestätisch dahinschleppende Passagen vor („The Sun No Longer Rises“), die für eine gewisse Abwechslung sorgen. Die Melodik erinnert manchmal an Bathory, passt zum „nordischen“ Klima und der eiskalten Produktion des Albums. Wo Burzum und Darkthrone auf ihre jeweilige Weise nach aggressivem Hass klingen, sind Immortal kalter Wahnsinn in tiefstem Winter. Ihre ersten drei Alben (= der Vorgänger Diabolical Fullmoon Mysticism und die ’95er Battles in the North) sind genauso unverzichtbar wie die ersten Darkthrone- und Burzum Alben – wenn man Black Metal will.

Emperor/Enslaved
Emperor/Hordanes Land

(Candlelight, 1993)

Dieses Split-Release ist ebenso richtungsweisend, wie Darkthrone’s drittes Album, aber sowohl Emperor als auch Enslaved sollten im Verlauf der Zeit eine weit interessantere Entwicklung durchmachen, als ihre Vorbilder, die letztlich mit den ersten vier Alben ihren Claim abgesteckt hatten. Und für Fans des Old School BM geht über diese erste Veröffentlichung beider Bands nichts hinaus. Tatsächlich kann man sagen, dass sowohl Emperor als auch Enslaved hier so inspiriert klingen, wie nie mehr danach – Denn noch war Black Metal eher Leidenschaft als Geschäft (Auch wenn ich den Vorwurf des Ausverkaufs von “Idealen”, der quasi jedem halbwegs erfolgreichen BM-Act gemacht wird, lächerlich finde). Emperor feilten bis zum folgenden Full-Length Album weiter an ihrem Stil, klangen aber nie mehr so unmittelbar und aggressiv wie hier. Tremolo-Picking und Keyboards, die noch weiter im Hintergrund standen als auf dem kommenden Album, untermalen Songs, die zum Besten gehören, was Black Metal kompositorisch zu bieten hat: „Wrath of the Tyrant“ und „ Cosmic Keys to My Creations and Times“ sind frühvollendet, Emperors folgende Alben sind allesamt hörenswert, aber letztlich Variationen von dem, was hier vorgedacht wurde. Die drei Stücke von Enslaved (auf der 2. Seite der LP) reichen hingegen noch nicht ganz an das heran, was die Band in den kommenden Jahren noch machen sollte. Sie sind eine Band, die sich ständig weiterentwickelte, deren Debüt hier im Vergleich daher etwas schwächer ist. Was nicht viel heißen soll. Auch hier schon mischten sie ihrem an Burzum geschulten BM eine kräftige Prise Viking-Metal und exzentrische Spielereien bei. Enslaved scheuten sich schon ’93 nicht die Grenzen des Genres zu sprengen, und kompositorisch waren sie schon hier auf der Höhe – Allein in der Ausführung sollten sie noch besser werden

Satyricon
Dark Medieval Times

(Moonfog, 1993)

Die Norweger Satyricon sind ein Fall für sich. Manchen BM Hörern sind sie inzwischen zu virtuos und zu arrogant, unter anderem weil sie als eine der ersten Bands einen Plattenvertrag bei einem großen Label bekamen – und dadurch seitdem mit dem Vorwurf des „Ausverkaufs“ behaftet waren. Ihr Debüt allerdings ist noch ein perfektes Beispiel für den Underground-Black Metal des Jahres ’93. Sie bestehen zu diesem Zeitpunkt aus Sigurd „Satyr“ Wongraven, der alle Instrumente spielt und singt und Kjetil „Frost“ Haraldstad, der zunächst von seinem Chef abgelehnt worden war, weil er keine Erfahrung an seinem Instrument hatte, sich aber in kürzester Zeit zu einem hervorragenden Drummer entwickelte. Das Debütalbum Dark Medieval Times – eingespielt nach den üblichen Jahren im Untergrund und zwei Demo’s – gehört zu den besten Alben des damals noch jungen Genres. Eine eiskalte Atmosphäre, Passagen mit den dem Titel entsprechenden mittelalterlichen Klängen via Akustik-Gitarre und Flöte, boshaft gekreischte oder geflüsterte Vocals, eine rohe und primitive Produktion, die aber eher zur gewünschten Atmosphäre beiträgt, als ihr zu schaden – das Album kann sich durchaus mit Burzum’s Det Som Engang Var und Darkthrones Under a Funeral Moon messen, das Songwriting ist vielleicht sogar abwechslungsreicher, als es bei den beiden Vorgenannten der Fall ist. Es gibt geschickte Tempowechsel („Taakeslottet“), aber auch die gerne genommenen, rasanten und zugleich eintönigen Passagen, die zur desperaten Atmosphäre beitragen sollen. Hier liegt natürlich auch das Problem mit diesem (und fast allen anderen) Black Metal Alben, die Bemühungen um „Evilness“ ist den meisten Alben deutlich anzuhören – und dadurch mitunter unfreiwillig komisch. Man sollte immer bedenken: Das sind die „Stilmittel“, die man akzeptieren muss, um einen Zugang zu der Musik zu bekommen – und all die Musiker hier sind damals noch sehr junge Leute gewesen.

Impaled Nazarene
Tol Cormpt Norz Norz Norz

(Osmose, 1993)

Impaled Nazarene kommen aus Finnland, dem anderen skandinavischen Hot Spot des Black Metal, und obwohl sie der Einordnung ins Black Metal Umfeld vehement widersprachen, kann man die Musik auf ihrem im Oktober ’92 aufgenommenen Debüt Tol Cormpt Norz Norz Norz nicht anders benennen. Die gerade mal ihre Pubertäts-Pickel quitt gewordenen hatten sich schließlich informiert und den Titel ihres Albums der “enochischen Sprache” – der von den englischen Okkultisten John Dee und Edward Kelley im 16. Jhdt. entwickelten Engelssprache – verfasst: “Alle sollen mit sechs sechs sechs nummeriert werden“…das ist doch so diabolisch, wie es sich eigentlich nur für Black Metal gehört? Und sie hatten – freiwillig oder nicht – auch eine gehörige Portion kranken Humor in ihrer Musik. Nicht ganz so stilecht war der recht klare Sound des Tico-Tico-Studio’s aus ihrer Heimatstadt Oulu, der die Boshaftigkeit der Texte und die wilde Wucht der Band durchaus adäquat einzufangen wusste. Dass sie ihrem Hass abartige sexuelle Perversionen beimischten, dass Tracks wie “Goat Perversion” oder “Damnation (Raping the Angels)” ’93 eine neue und besonders empörende Art der Provokation bedeuteten, war der Band natürlich willkommen. Und als damals ein bisschen unübliches Alleinstellungsmerkmal hatten sie in ihrem Gebräu aus Hass, Blasphemie, Sex und Perversion auch eine gehörige Portion Rock’n’Roll versteckt. Die lässt Tol Cormpt… seltsam aus der Zeit fallen. Impaled Nazarene waren 1993 noch neu und anders, als der Rest…

Impaled Nazarene
Ugra-Karma

(Osmose, 1993)

…eine Eigenart, die sie mit ihrem zweiten Album Ugra-Karma noch verstärkt weiterführten. Sie beklagten zunächst – getreu der Grundeinstellung aller echten Black Metal Bands – die Tatsache, dass Black Metal nur ein Trend wäre, dem sie auf keinen Fall folgen würden – und machten also ein zweites Album, das sich schon im (bald wegen unerwünschter religiöser Vereinnahmung zensierten) Cover vom üblichen BM-Artwork unterschied. Impaled Nazarene mögen also einen Namen gewählt haben, der sehr klischeehaft war, aber ihr Sound war Black Metal mit recht eigenwillige Facetten. Da war der Einsatz von Keyboards, die im Hintergrund einen psychedelischen Nebel erzeugten, da waren Drums, die zwar an Metall-Verarbeitung erinnerten, die aber für Black Metal-Geknüppel zu virtuos waren. Und natürlich kokettierten Impaled Nazarene mit dem Nationalsozialismus, wenn sie etwa bei “Gott ist tot” kreischten: „Gott ist tot“, „Judean Gott ist tot“ und „Heil! Heil! Heil! Heil!“… Und natürlich wurde der Nazi-Bezug bald darauf halbherzig geleugnet und der Song stattdessen als Kritik an der israelischen Palästinenser-Politik dargestellt. Letztlich verarbeiteten Impaled Nazarene auf manchmal etwas dümmliche Weise alle möglichen fragwürdigen bis unappetitlichen Themen. Und Sänger Mika Luttinen hatte sich ein Buch über Hare Krishna gekauft, und daraus die Themen für zwei Songs sowie den Albumtitel geholt. dazu gab es die übliche Blasphemie und wieder ein bisschen Perversion bei “Sadistic 666/Under the Golden Shower” und “The Horny and the Horned”. Alles war ein bisschen albern und aufgesetzt – aber wer hörte diese Musik wegen tiefsinniger Texte? Zumal die Musik auf Ugra-Karma mit einem zusätzlichen Plus an Aggressivität zelebriert wurde – “Soul Rape” etwa ist unglaublich rasant und saftig, klingt, als würde eine Harcore-Band auf Speed durchdrehen. Dieses Album vibrierte vor Energie und einer seltsam Art von perversem Spaß und gilt daher als das bessere der beiden ’93er Alben. Und Impaled Nazarene sind die Ramones der Second Wave of Black Metal.

Beherit
Drawing Down the Moon

(Spinefarm, 1993)

Beherit kommen auch aus Finnland, und auch sie sind etwas zu seltsam für den gewöhnlichen BM – Hörer gewesen wie mir scheint. Das Cover mit dem untypischen Mondoberflächen-Motiv statt irgendeiner satanistischen Symbolik macht es schon deutlich. Die hatten einen etwas anderen Horizont als etwa ihre Zeitgenossen aus Norwegen. Andererseits: Beherit ist die syrische Bezeichnung für Satan, und die Musiker nannten sich Marko „Nuclear Holocausto“ Laiho , Jari „Sodomatic Slaughter“ Pirinen und Abyss (Whatever…). Der Sound dieser Band hebt sich aber dann definitiv vom Black Metal der Norwegischen Flaggschiffe ab. Die Kreissägengitarren sind tiefer gestimmt, erinnern manchmal an Black Sabbath, der Gesang ist eine Mischung aus Growls und tiefem Kreischen, der Sound ist roh, primitiv, chaotisch und sehr speziell. Es gibt recht kurze, immer voneinander abgegrenzte Songs, besser simple Riffs, die dann im Chaos münden. Ich denke Drawring Down the Moon hat Jahre später einige der fortschrittlicheren Chaotic Black Metal Bands wie Deathspell Omega beeinflusst. Bandkopf Nuclear Holocausto machte nach dem Debüt mit Dark Ambient weiter. Dieses Album hier ist nicht nur schön, sondern auch und vor allem anders.

Rotting Christ
Thy Mighty Contract

(Osmose, 1993)

Und auch aus Griechenland kommen böse Black Metal Buben. Wie gesagt, dieses Genre ist ziemlich international. Und Rotting Christ sind mit ihrem Debüt Thy Mighty Contract sofort eine sehr eigenständige Macht (…vielleicht nicht ganz so schwer in Zeiten, in denen ein Genre “definiert” wird). Die Band um die Brüder Sakis und Themis Tolis hatte schon ’87 mit Grindcore angefangen, sich an Bands wie Venom und Blasphemy orientiert, mit ihrem Namen schon von Beginn an eine klare anti-christliche Position bezogen (die in Griechanland auch nicht auf besonders viel Zustimmung traf), und bei ihren Konzerten Leute dazu gebracht, sich selbst zu verletzen und ähnliche Späße zu betreiben. Ihr Sound war… eigen- artig und ständig. So sehr, dass der arme Øystein “Euronymus” Aarseth (Siehe Burzum…) vor seiner Ermordung das Interesse bekundete, ihr Debüt auf seinem kleinen Label zu veröffentlichen. Dazu kam es natürlich nicht, aber die französischen Black Metal Spezialisten Osmose nahmen sie unter ihre Fittiche. Man mag Thy Mighty Contract durchaus kritisieren – da wäre das übliche Gejammer denkbar, weil die “Drums” etwas zu weit vorne im Mix sind, weil Bruder Themis Tolis elektronische Drums benutzte, weil der Sound manchmal etwas schwachbrüstig ist – aber Black Metal war ’93 immer noch Underground, eine “Budget” stand kaum zur Verfügung und grottiger Sound war im BM fast Pflicht (und würde es für Manche bleiben…) Dafür aber hatten Rotting Christ tatsächlich ein Ohr für einprägsame Riffs (obwohl die für dieses Lob sicher jeden in die Hölle geschickt hätten) und schufen mit gegröhlten Sprech-Parts und Keyboards viel Atmosphäre. Natürlich ist die “Atmosphäre” im Black Metal finster und eintönig – wie es sich in der Hölle gehört. In vieler Hinsicht ist Thy Mighty Contract also perfekter Black Metal, es ist ein Album, das man komplett hören muss, Tracks herauszustellen ist schwer. Der Closer “The 4th Knight of Revelation” mag besonders gefallen. Immerhin ist dies ein eigenständiger Grundpfeiler des sog. Melodic Black Metal.

Die erste Welle

… und wie gesagt: Noch ein paar Worte zum „Ursprung“ dieses Genres, oder besser – ein paar Namen. Da waren einmal Venom, die Band aus England, die unter Anderem auch mangels instrumentaler Fertigkeiten einen sehr rohen Metal spielten, Anfang der Achtziger vor Allem mit einem nicht sonderlich ernsthaften aber zu der Zeit wohl recht schockierenden satanistischen Image spielten. Ihr Debut heißt Welcome to Hell – das geht ja noch – ihre 2. Platte von 1982 hieß dann Black Metal – ist aber eher simpler Thrash-Metal. Dann sind da die Schweden Bathory, deren rohe Kost schon eher als BM der ersten Stunde durchgeht, die auch immer eine kräftige Prise nordische Mythologie und Viking-Metal hinzufügten. Ihr Image war ernsthafter, ihre Musik, weniger förchterlich als romantisch, ihr fast atonal-chaotisches 87er Album Under the Sign of the Black Mark gehört nicht nur für mich zu den essentiellen BM-Alben. Nur wussten sie noch nicht, dass sie damit ein Genre beeinflussen würden. Die Schweizer Celtic Frost – ehemals Hellhammer – deren To Mega Therion (’85) genauso toll ist, hatten großen Einfluss, sie sind aber zugleich irgendwie eher am Rande des Black Metal geblieben, genauso wie die Dänen Mercyful Fate. Deren Leadsänger King Diamond „erfand“ den Corpsepaint (oder waren das Kiss…?), die Band spielte Thrash – und zwar sehr feinen – hatte aber sonst mit BM nichts zu tun. Und in Kanada gab es die Chaoten von Blasphemy, die ’84 entstanden, deren erstes Album Fallen Angel of Doom Black Metal pur, aber ohne Gekreische ist. Man nennt es auch „War Metal“!! Ebenfalls ’84 aber gebar Satan die Norweger Mayhem, denen sowohl Burzum’s Varg Vikersen als auch der im Review zu dessen EP Aske und zu Det Som Engang Var erwähnte Øystein Aarseth unter dem Pseudonym Euronymus angehörte. Sie sind wohl die Band die für den Beginn der „Second Wave of BM“ und damit für die Initialzündung des Black Metal steht, ihr musikalischer Output allerdings beschränkte sich bis 1994 auf zwei chaotische und fast nicht anhörbare EP’s mit den netten Titeln Pure Fuckin‘ Armageddon und Deathcrush. DAS ist dann Black Metal, wie ihn die Hardliner hören wollen: Entmenschlichtes Rasen – und keinerlei Zugeständnisse an musikalische Ästhetik – noch mehr Anti-Musik als etwa Havohej. Mayhem haben dann 1994 ein sehr gutes Album gemacht – ohne ihre „berühmtesten“ Mitglieder und das reicht. Ansonsten gibt es – hier unten veranschaulicht – etliche interessante frühe Bands aus verschiedensten Ländern. Der Musikstil der am wenigsten tolerant erscheint, ist erstaunlich international: Mit Bands aus Japan, Brasilien, Griechenland, Polen, Tschechien, Russland, Skandinavien und bald auch Großbritannien, den USA und Deutschland. Vielleicht wird das unterstützt durch die Tatsache, dass man die Lyrics nie wirklich versteht, ihren Sinn allerdings immer.

Havohej
Dethrone the Son of God

(No Fashion, 1993)

Havohej werden manchmal als Entsprechung zu Burzum für den US Black Metal genannt, allerdings hat sich ihr Begründer, der ehemalige Drummer der frühen Black Metal Band Profanatica nicht zum politischen Dummkopf stlisiert. Er ist da eher in religiöser Hinsicht extrem. Neben Judas Iscariot und Krieg gehört Havohej zu den ersten US-Bands, die sich in dieser Musikrichtung einen Namen machten. Man schaue das Cover an, auf dem sich Paul Ledney vor Abscheu windet, höre sein unweltliches Gekrächze, das Programm und genau so gewollt ist. Dazu Texte, die so blasphemisch wie nur möglich sind und ein Titelsong, der auch noch „a capella“ dargeboten wird. Was genau Ledney so an Religion und vor allem am Christentum stört, erschliesst sich hier nicht, er nannte in Interviews sinngemäß ALLE organisierten Religionen schwachsinnig, verteilte seinen Hass auch gerecht auf die Black Metal Szene weltweit und gab nur wenigen Bands das Recht zu existieren. Tja – Havohej ist Jehova rückwärts, und Gott verteilt seine Gnade nach Gutdünken. Die Songs tragen Titel wie „Fucking of Sacred Assholes“ oder „Spilling Holy Blood“, und wer religiös ist, wird sowas nicht hören wollen. Die Musik wird in einem Maße primitiv gehalten, das man deutlich als Absicht erkennt. Drums ähnlich wie bei Bathory bilden das Grundgerüst, darüber ein, zwei sich wiederholende Bass-Riffs und Gitarren, die nach Kreissäge klingen. So machen Havohej zusammen mit ihren Brüdern im Geiste Ildjarn die ultimative Anti-Musik – Musik die nur als eine Art sonischer Gewalt existiert, ähnlich wie bei manchen elektronischen Noise-Acts. Die Songs haben oft zwei gegensätzliche musikalische Themen – gerne chaotisch und atonal – die irgendwann kollidieren, um den Höhepunkt zu markieren. Das ganze Album riecht nach unheiligem Abscheu und Blasphemie ist der einzige Anlass für die Musik. Im Grunde ist Dethrone the Son of God also das ultimative Black Metal-Album. Man kann es nur noch anders machen, nicht bösartiger.

Blasphemy
Gods of War

(Osmose, 1993)

Die Kanadier Blasphemy wiederum waren eine der untergründigsten, aber zugleich innovativsten Bands im Black Metal. Ihr Debüt Fallen Angel of Doom war 1990 allein auf weiter Flur (zumal in Kanada), ihr Metal war so extrem wie Nichts anderes. Und ihr Fleiß leider bei weitem nicht so groß, dass sie jetzt mit auf der Schaumkroen der BM-Welle hätten reiten können. IHR Black Metal war tatsächlich ein ganz eigenes Ding. Man sagt auch “War Metal” dazu, oder “Bestial Black Metal”, und beides ist eine nette Bezeichnung für eine Art ultra-schnellen Hardcore mit ganz bösen, anti-christlichen Themen. Gegrunzt von einem Brüllwürfel, der alles schon kann, was so mancher BM-Kreischer noch lernen muss, gespielt in einem Tempo, das unmenschlich ist. Man höre nur, wie durch “(Intro) Blasphemy” gerast wird… Die Band Blasphemy (nicht die Art, sich Gott zu nähern) gab es schon seit ’84, sie hatten lange gebraucht, um ein Demo aufzunehmen, inzwischen warein neuer Bassist mit dem sehr lustigen Namen “Ace Gustapo Necrosleezer and Vaginal Commands” zu folgenden Kollegen dazugestoßen: Zum Sänger „Nocturnal Grave Desecrator and Black Winds“, zum Gitarristen „Caller of the Storms“ und zum Drummer „3 Black Hearts of Damnation and Impurity“… Ich unterstelle ein zuviel an Fantasie. Aber – ich unterstelle keine Unfähigkeit. Die Musik auf diesem letzten Album der Pioniere war in vieler Hinsicht erschütternd. Die Gitarren-“Soli“ krank, die Drums (auch hier) zu schnell, der Bass… er ist dabei, man hört ihn kaum, der „Sänger“ klingt seeeehr böse – wie ein Ork mit Kehlkopfkrebs, und was er da von sich gibt, dürfte nicht nett sein. Diese Band brach nach diesem Album unter dem eigenen Gewicht zusammen. Gods of War dauerte in seiner ursprünglichen Form gerade mal Hardcore-20 Minuten und wurde dann um einige Demo’s verlängert. Leider machten die Musiker dann erst mal bis ’99 Pause um dann nur noch Live-Alben und Bootlegs herauszulassen. Blasphemy sind womöglich extremer als Mayhem. Und sie blieben mit ihrem Metal irgendwie allein. Dies ist Black Metal – eine Art von…

Sigh
Scorn Defeat

(Deathlike Silence, 1993)

Man sagt ja, Japaner können Alles nachmachen. Ein Klischee, aber in der extremen Musik folgen sie offenbar gerne Vorbildern aus Europa und den USA – um diese dann auch mal zu übertreffen – man höre sich nur Bands wie die Flower Travellin‘ Band, Boris oder Acid Mothers Temple… an. Scorn Defeat war das erste Album von Sigh, die mit dem Titel die Vorbilder Venom zitierten, aber musikalisch schon weit komplexer waren., als die Black Metal Urväter – und als ihre Zeitgenossen aus Norwegen und Finnland. Scorn Defeat ist sauber produziert, es gibt ausgefeilte Instrumental-Passagen, mit Fake-Orchester und ruhigen Keyboard-Parts, der Gitarrist Shinichi Ishikawa ist nicht nur schnell, er kann auch Melodie – und dennoch – Scorn Defeat ist Black Metal. Die Einflüsse aus Klassik, Thrash und Doom sind hörbar, aber Sigh waren für alle anderen Genres und deren Hörer bei weitem zu extrem, der klassisch ausgebildete Bandkopf, Bassist, Sänger und Keyboarder Mirai Kawashima neigte zum musikalischen Wahnsinn, mit dem er sich in den folgenden Jahren ganz konsequent zwischen alle Stühle setzen würde. Dieses Debüt wurde nicht umsonst von Euronymus‘ Deathlike Silence Records veröffentlicht – der wusste offenbar da schon, was Black Metal kann. Das Album passt nicht in das gewohnte Bild von Black Metal anno 1993, ist aber so abwechslungsreich und fremd, dass man es mal anhören sollte, auch wenn – oder gerade weil – ein Song wie „Gundali“ mit klassischem Klavier endet. Dafür hat das 10-minütige „Ready for the Final War“ einen zum Black Metal passenden Titel, beginnt in rasantem Tempo mit ausreichend bösartiger Atmosphäre, ehe es in Richtung Chaos abbiegt. Sigh würden einen logischen Weg in Richtung Avantgarde-Metal gehen und 2001 mit Imaginary Sonicscape mindestens ein weiteres großes Album machen. Scorn Defeat ist Black Metal für zu schlaue Köpfe

Mystifier
Göetia

(Osmose, 1993)

,Auch in Brasilien waren die Tapes und Alben von Bands wie Celtic Frost und Bathory bei einigen jungen Leuten auf offene Ohren gestossen. Mystifier, die Band aus Salvador, Bahia hatte schon Ende der Achtziger begonnen, Thrash mit finsteren Untertönen zu spielen, hatten mit den Landsleuten The Sarcófago zumindest ein paar Gesinnungsgenossen und begannen zu Beginn der Neunziger die Grenzen ihrer Musik – und ihrer Texte – immer weiter in anti-christliche Bereiche zu verschieben. Ihr drittes Album Göetia entspricht dennoch nicht zu 100 % dem, was die Protagonisten der Second Wave of Black Metal in Norwegen machten. Der Sänger heisst zwar Asmodeus, aber er kreischt nicht, sondern er growlt, Astaroth und Behemoth spielen auch mal Thrash-geschulte Twin Leads, wenn es sein muss, Drummer Lucifuge Rofocale ist einer, der mehr kann als nur rasant Klopfen, und dann ist da ja auch noch Beelzebuth, der zwar den Namen des Teufels nicht schreiben kann, aber Bass spielt und sauber produziert. Und ein Song wie “The Sign of the Unholy Cross” ist zu Beginn so rasant wie manches von Immortal, ehe es in atmosphärische Mid-Tempo-Gefilde abgleitet – die Gefilde übrigens, in denen Mystifier definitiv besser zurechtkommen. Dann die angewiderten Vocals, die dazu hervorgestossen werden, die Misanthropie und der Hass – was anderes als Black Metal soll man dazu sagen? Es sind Lyrics, die sich mit Okkultem und Blasphemie beschäftigen, wobei die Tatsache, dass die Musiker eher in der portugiesischen Sprache als im Englisch zuhause sind, an so lustigen Songtiteln erkennbar wird wie etwa “The True Story About Doctor Faust’s Pact with Mephistopheles” – demnächst bei Phoenix…. Göetia klingt nicht so kalt, nicht so winterlich wie Det Som Engang Var oder Under a Funeral Moon, aber es klingt evil und herrlich verrottet, es ist Black Metal aus dem Dschungel, um ein Klischee zu bemühen. Und Brasilien erwies sich wieder einmal als Land mit einer fruchtbaren Extrem-Metal-Szene.

Dissection
The Somberlain

(No Fashion, 1993)

Schweden war Anfang der 90er eine der Hochburgen des Death Metal. Eine Band, die Black Metal spielte war daher dort eher ungewöhnlich, zumal tatsächlich ein regelrechter Krieg zwischen den jeweiligen Szenen herrschte. Was warfen wohl die Norweger den Schweden vor? Natürlich den Teufel Kommerzialität. Und in der Tat, wenn man das erste Album von Dissection hört, ist die Tatsache, dass sie die Proberäume mit At The Gates teilten (deren 92er The Red in the Sky… sehr guter Death Metal ist) wenn man es erkennen will, herauszuhören. Insofern jedenfalls, als Dissection durchaus ein Ohr für Melodie haben, dass sie ihrer Musik auch durchaus eine klare Produktion durch den da gerade mal 20-jährigen Dan Swanö angedeihen lassen. Für Anhänger der Reinen Lehre ist The Somberlain höchstens melodischer Death Metal und lediglich Gesang und eisige Atmosphäre sind mit anderen Black Metal Bands vergleichbar. Dafür gibt es auch mal ein akustisches Gitarren-Intermezzo und reichlich Sinn für Melodie und Dramatik. Wer Black Metal in seiner “geniessbarsten” Form hören will, ist hier jedenfalls richtig. Dissection widmeten The Somberlain dem kurz zuvor ermordeten Euronymus und hatten mit diesem Album mal eben die Duftmarke für BM in Schweden gesetzt. Der Nachfolger Storm of the Lights Bane wurde dann zu einem DER BM-Alben überhaupt.

Necrophobic
Nocturnal Silence

(Black Mark, 1993)

Und zuletzt überschreite ich die Grenzen des Black Metal – man nennt das hier heute wohl Blackened Death Metal. Necrophobic sind auch Schweden, und die hatten eh das Problem, nie „true“ genug zu sein für einen anständigen Black Metal Fan, der Norwegen und vielleicht noch Finnland als BM-Land gelten lassen wollte. Pech – denn The Nocturnal Silence ist ein sehr gutes Album eben auf der Grenzlinie zwischen Death- und Black Metal. Schnelles Riffing, gekreischte Vocals, die an BM erinnern, blasphemische Texte, aber eine Melodik und eine Produktion, die roh und zugleich klar ist. Da sind doch tatsächlich Riffs und Melodien und sogar Passagen mit Soli und Akustikgitarre. Die Einflüsse reichen von Bathory („Before the Dawn“) bis zu Slayer („Unholy Prophecies“) und Necrophobic trauten sich zu der damaligen Zeit mit diesem Album was: Death Metal Bands durften so nicht klingen, die Grenzen waren noch un-überschreitbar und es gab eine regelrechte Feindschaft, die sich auf Konzerten durchaus auch in Gewalt äusserte. Nocturnal Silence ist abwechslungsreich, die Spannung wird hochgehalten, die Tracks sind aggressiv und zugleich differenziert, und wer extremen Metal mag, ohne sich an seltsamen stlistischen Glaubenskämpfen beteiligen zu wollen, wird das Album zu schätzen wissen. Necrophobic gingen zunächst klugerweise nicht auf Tour, aber dadurch versank das Album in der Flut der Veröffentlichungen jener Zeit. Spätere Alben sind deutlicher in Richtung BM gerückt, aber ihr Debüt ist meiner Meinung nach ihr bestes Album.