1989 – Pestilence bis Repulsion – Metal Pt. 1 – Die Leichen beginnen zu zucken

1987 hatte Chuck Schuldiner mit seiner Band Death und dem Debütalbum Scream Bloody Gore – und im folgenden Jahr mit dem Nachfolger Leprosy – den Standard für eine weitere Extrem-Metal Variante gesetzt: Man will fast behaupten, er hat ein komplettes Genre „erfunden“:

Den Death Metal – der nicht zu Ehren seiner Band so heisst, sondern weil diese Form des Metal sich dem Tod in all seinen Facetten widmet, soweit sie okkult, blutig, gewalttätig, anti-religiös oder/und schmutzig sind. Dazu wurde von ihm und anderen Gesinnungsgenossen Thrash-Metal noch einmal beschleunigt (was auch andere Thrasher machten…) die Gitarren tiefer gestimmt, wahnwitzige Gitarrensounds und –techniken wie „Palm Muting“ und „Tremolo Picking“ benutzt, der Drummer bekam mit rasend schnell gespielten Double Bass Drums und Blast Beats noch mehr zu tun und die im Thrash oft nur noch gebellten Lyrics wurden nun gegrunzt oder gegrowlt. Natürlich waren Death nicht die Einzigen, die die Stilelemente des Thrash „brutalisierten“. Schon zu Beginn der 80er hatten Bands wie Venom, Possessed oder Hellhammer den Boden bereitet – Metal in extreme Bereiche geführt und den Tod zum Thema gemacht. Insofern ist ein „Startpunkt“ für Death Metal so wenig feststellbar, wie der Beginn des Rock’n’Roll. Aber nach dem ersten und zweiten Album von Death ging es mit dem dann „Death Metal“ genannten Stil so richtig los. Die ebenfalls in Florida entstandenen Kollegen von Autopsy, Morbid Angel und Obituary, die Niederländer Pestilence, und noch etliche andere bekamen Verträge von den einschlägigen Labels (Earache, Roadrunner, Peaceville) und 1989 erschienen die hier unten vorgestellten Grundpfeiler des Genres auf Vinyl. Daher – ab hier beginnt (für mich) der Siegeszug des Death Metal im Album-Format – und dieser Stil würde den Thrash-Metal bald kommerziell und in seiner Bedeutung in der Fan-Base überflügeln. Dann wird Death Metal sich in diverse Mikro-Genres aufspalten. Schon ganz zu Anfang gibt es das Sub-Genre Grindcore (…siehe Bands wie Carcass oder Bolt Thrower im U.K. oder Terrorizer – die zwei Mitglieder von Morbid Angel in ihren Reihen hatten in den USA…), in dem Death Metal noch extremer betrieben wird. In meiner Wahrnehmung wird Death Metal in seiner Old School-Form im Jahr ’91 einen Höhepunkt haben, dann wird dieser Stil vom Black Metal übertrumpft (von Bands, die wiederum DM-Bands als zu kommerziell bezeichnen… unfassbar…). Aber letztlich wird auch Death Metal (wie Thrash…) nach einer Underground-Phase in den 2000ern in den 2010er Jahren eine Renaissance erleben und – wenn man es als Liebhaber betrachtet – immer wieder neue interessante Alben hervorbringen.

https://music.apple.com/de/playlist/der-gro%C3%9Fe-rockhaus-1989-metal-teil-1-death-metal/pl.u-GgA5e1zfZXEJG0N

Morbid Angel – Altars Of Madness
(Earache, 1989)

Den Bericht über diesen Klassiker des (Death) Metal lies bitte im Hauptartikel über das Jahr 1989. Morbid Angel haben vielleicht DAS, mindestens aber eines der besten und einflussreichsten Death Metal Alben ihrer Zeit abgeliefert- Aber – wie in der Einleitung beschreiben – Es gibt noch einige weitere Alben, die durchaus die Klasse und den späteren Einfluss von Altars of Madness haben… wie zum Beispiel…

Pestilence
Consuming Impulse

(Roadracer, 1989)

Die Niederländer Pestilence hattten 1986 als Thrash Metal Outfit begonnen, mit Malleus Maleficarum ein Album an der Grenze zwischen Thrash und Death eingespielt, sich ganz organisch immer weiter mit den Stilmitteln des extremst-möglichen Metal vertraut gemacht – und spielten mit ihrem ’89er Album Consuming Impulse einen der Klassiker des Old School Death Metal ein. Schon der Opener „Dehydrated“ hält sich nicht lange mit Intro oder unnötigen atmosphärischen Samples zur Einleitung auf, er beginnt statt dessen mit einem rasanten Riff das von hartem Bass und furiosem Drumming unterstützt wird. Dann setzt Martin von Drunen ein, der mit seinem eher an Thrash als an Death Metal erinnernden Gesang ohne die üblichen gutturalen Growls einen großen Einfluß auf andere Sänger in diesem Genre haben sollte. Auch langsamere Stücke wie „The Trauma“ sind Death Metal von höchster Qualität. Gitarrist und Bandkopf Patrick Mameli konnte sich mit den Besten messen, war so etwas wie der europäische Chuck Schuldiner – und machte mit Consuming Impulse ein Album, das in jede Death Metal Sammlung gehört. Martin von Drunen wechselte ein Jahr später zu den ebenfalls hervorragenden Asphyx und Mameli wandte sich – wie Schuldiner – den technisch herausfordernden Spielarten des DM zu.

Sempiternal Deathreign
The Spooky Gloom

(Foundation 2000, 1989)

Wie immer – es gibt gerade in den Anfangstagen des Death Metal einige Bands, denen der Sprung in die kommerziell ertragreicheren Gefilde nicht gelingen würde. Und – auch wie immer – das hat dann Wenig mit mangelnden Fähigkeiten oder Ideenlosigkeit zu tun. Die haben einfach Pech gehabt, hatten nicht den langen Atem und waren bei einem zu kleinen Label. Enter Sempiternal Deathreign (…der Name allein könnte schon schlecht gewählt sein – aber „nicht zu kommerziell sein“ war auch in dieser Zeit und in dieser Szene Ehrensache). Das einzige Album der Band aus Gouda in den Niederlanden ihätte mehr verdient, als nur KVLT zu sein und aus mangelnder Erhältlichkeit für 3-stellige Beträge bei Discogs gehandelt zu werden. Die drei Cousins Frank Faase (voc, g), Victor van Drie (b) und Misha Hak (dr) hatten natürlich auch mit Thrash angefangen, liebten Bands wie Venom, Kreator, Sodom – die ja selber auch schon früh nach Death-Metal klangen. The Spooky Gloom ist schon allein deswegen erstaunlich, weil die Drei ihre tiefer gestimmten Gitarren in doomige Gefilde wandern ließen. Saint Vitus und Black Sabbath waren offenbar auch Inspiration, schon der Opener es Albums – „Creep-O-Rama“- hat nach schnellem Start einen langen Doom-Part mit psychedelischen Untertönen und langem Gitarrensolo. Zu den Aufnahmen hatte Misha Hak die Band schon Richtung der Konkurrenz verlassen und mit Remo Van Arnhem half ein Session-Drummer aus, der auch tief in der DM-Szene der Niederlande steckte. The Spooky Gloom ist eines der ersten gelungenen Death-Doom Alben. Ende der 80er gab es sicher einige Bands, die sich auch in dieser Richtung orientierten, gerade in den Niederlanden gibt es mit Asphyx eines der ganz großen Flaggschiffe des schweren, doomigen Death Metal. Und die gab es auch schon seit ein paar Jahren, aber ihr erstes Album würde erst ’91 erscheinen. The Spooky Gloom ist sehr kalt, sehr atmosphärisch, erstaunlich klar produziert, die Songs mögen nicht völlig überzeugend sein – aber es ist eine Pionierleistung, und Songs wie das 10-minütige Epos „Devestating Empire Towards Humanity“ können auch 35 Jahre später noch mit ihrer gar förchterlichen Wucht beeindrucken. Und dass Frank Faase sein Brüll-Organ später bei den ebenfalls recht bekannten Landsmännern von Sinister nicht einsetzen durfte, ist eigentlich schade. Der musste sich auch nicht verstecken. Dass dieses Album nicht einmal als Download zu bekommen ist, sollte schleunigst geändert werden….

Obituary
Slowly We Rot

(Roadrunner, 1989)

Slowly We Rot ist ein weiteres Album, das den Death Metal der 90er massiv beeinflussen sollte und zu den Besten des Genres gezählt werden kann. Obituary blieben zwar nach ein paar guten Alben eher im Mittelmaß stecken und lösten sich Ende der Neunziger zunächst auf, aber dieses Debüt hat all die Stärken, die man bei Old School Death Metal aus Florida sucht. Insbesondere Sänger John Tardy’s Gesang, – der klang als würden seine Stimmbänder verrotten – stach heraus und gab Obituary diesen charakteristischen „gory“ Sound. Die Riffs auf Slowly We Rot sind eher langsam und zäh, aber das passte zum Image dieser Version des Death Metal. Andere Bands aus Florida wie Cannibal Corpse oder Deicide sollten einen ähnlichen Sound spielen – einen Sound der später im Sludge wieder auftauchen sollte. Neben den Vocals von John Tardy war Gitarrist James Murphy die treibende Kraft, seine Riffs waren perfekt für diese Art Musik. Grundsätzlich mögen die Unterschiede zwischen den diversen Bands des Genres dem Aussenstehenden unbegreiflich sein. Die hier getroffene Auswahl soll dennoch ein möglichst breites Spektrum des Death Metal zeigen und Slowly We Rot gehört zweifellos zu den Highlights dieser Musik.

Autopsy
Severed Survival

(Peaceville, 1989)

Severed Survival ist das Debütalbum der amerikanischen Death Metal Band Autopsy. Das Album wurde im April 1989 von Peaceville Records veröffentlicht und es klingt – auch heute noch – definitiv KRANK!! Autopsy erschufen auf diesem Album einen der ekelhaftesten Sounds in der gesamten Historie des Death Metal. Es ist ein basslastiger, schmieriger, verzerrter Sound, der zugleich jedoch so kraftvoll und brutal ist, dass er bei jedem Fan von Gore-Metal verstärkten Speichelfluß erzeugen wird. Der Bass allein (von einem technisch enorm beschlagenen Gast eingespielt – Steve DiGiorgio von Sadus…) läßt Boxen an die Grenzen der Belastbarkeit kommen – und dann ist da Sänger/Drummer Chris Reifert: Der hatte seine Karriere als Sideman bei Death begonnen, hier bewies er, dass er ein hervorragender Songwriter (für das Genre) war. Der Opener „Charred Remains“ etwa bleibt wie etwas Klebriges in den Ohren hängen. Dass Reifert neben dem Job als Drummer noch den Gesang handhaben konnte, war allein schon eine gewaltige (und körperlich anstrengende) Leistung. Aber dieser „Gesang“ passte dann auch noch so wunderbar perfekt zu den vollkommen geschmacklosen Splatter-Texten. Der Vergleich mit einem rülpsenden Leichnam ist der einzig passende. Severed Survival ist ein Album, das man fast meint riechen zu können, und in seiner Art ist es sowohl richtungsweisend als auch ein exzellentes Stück Death Metal – und das hier abgebildete, erst ab 1990 verwandte Plattencover vom Comic-Zeichner Kev Walker (der bald u.a. auch für Marvel zeichnen würde…) ist bis heute eines der besten in diesem Genre.

Godflesh
Streetcleaner

(Earache, 1989)

… und ein weiterer Beweis, dass gerade an den extremsten und härtesten Rändern des Metal Ende der Achtziger eine Revolution auf die Nächste folgt – die ausserhalb kaum bemerkt wird… Justin Broadrick hatte 1987 auf Napalm Death’s zweigeteiltem Debüt Scum die harte Musik in die extremste Ecke geleitet und die erste LP-Seite mit seiner Gitarre und seinen Vocals veredelt, ehe er dann die Grindcore-Erfinder aus Birmingham/UK verließ und wieder etwas ganz Anderes – und vor Allem ganz Neues – erfand. Der Grindcore Napalm Death’s war seiner Meinung nach ein finales Statement (was stimmt…) und nun steigerte er die Intensität der von ihm so geliebten Extrem- Musik, indem er das Tempo massiv drosselte und die Atmosphäre in tiefstes Schwarz verdunkelte. Godflesh machen auf Streetcleaner natürlich KEINEN Death Metal (oder Grindcore…) – das hier ist schwer definierbare Musik, die nach dem Prinzip der chinesischen Wasserfolter funktioniert. Riffs kriechen dahin um endlich auf den gemarterten Schädel zu tropfen, Broadrick röhrt, die Drums klingen maschinell, der Bass dröhnt unterirdisch. Aber eine theatralische Doom-Atmosphäre kommt nicht auf – den Unterschied machen die Tatsachen, dass dieser Metal alle Macho-Posen vermeidet, und dass ihm der blutig grinsende Humor der Blood’n’Gore Fraktion völlig fehlt. Das hier ist wirklich so schrecklich, wie die brennenden Gekreuzigten auf dem Cover-Foto. Hier gilt: „No heroes, no missions, just a world burning to ashes“ So erfanden Godflesh mit Streetcleaner im Alleingang den Industrial Metal – und wie das bei solchen Pioniertaten vorkommt – es gibt nur noch wenige Bands und Alben, die danach diese Intensität erreichten. Kaum ein anderes Album mit vergleichbarar Musik ist so roh und pointiert. Streetcleaner baut die Brücke zwischen den 80ern mit Drum-Machines und altem Industrial und den 90ern mit seinen massiven Bässen und Dark-Ambient Klängen. Broadrick wurde bald gesuchter Gast bei Free-Jazzern wie John Zorn oder experimentierfreudigen Nicht-Metal Musikern wie Loop’s Robert Hampson, Streetcleaner ist eines der wegweisenden Alben der Rockmusik

Bolt Thrower
Realm of Chaos

(Earache, 1989)

… und nun zu den Auswüchsen einer Variante des Death Metal, über die ich in einem kleinen Artikel aus 1988 referiert habe: Bolt Thrower hatten zusammen mit Napalm Death und Cacass auf ihrem Debüt in Battle There Is No Law den Grindcore definiert, ihre beiden Kollegen würden zunächst bei dieser noch extremern Variante des härtesten Metal bleiben – Bolt Thrower aber gingen auf ihrem Zweitling Realm of Chaos einen logischen Schritt in Richtung einer eigenen Art von Death Metal. Schon ’87 war der typische britsche Crust-Punk Faktor bei ihnen etwas weniger deutlich gewesen. Diese Band hatte eine Kriegs-Ästhetik, die sie auf dem neuen Album nun auch via Coverdesign (vom Spielehersteller Games Workshop gesponsored) deutlich machten. Man beachte… ’89 gab es noch keine Computerspiele dieser Art und Bolt Thrower bezogen sich auf das Rollenspiel Warhammer 40.000. Aber gerade im Metal mag der Background, auf den sich eine Band bezieht, noch so seltsam sein… die Klasse eines Albums hängt letztlich von den „Songs“ – von Riffs und Wiedererkennbarkeit ab. Und das gilt auch für den scheinbar unkenntlichen Noise namens Death Metal. Bolt Thrower waren damals (und sind bis in die 00er Jahre…) echte Meister im fabrizieren von panzerbrechenden Riffs. Realm of Chaos klingt nach Krieg, nach unbändiger Kraft, ist massiv und wuchtig wie ein Rammbock. Und dazu sind Tracks wie „Through the Eye of Terror“, „World Eater“ oder „Eternal War“ auch noch memorabel wie die besten Black Sabbath oder Deep Purple Songs. Natürlich würden sie wegen ihrer massiven Härte nie deren Gassenhauer-Charakter bekommen – aber im Death Metal hatten Bolt Thrower spätestens jetzt ihrer eigene Nische gebaut. Eine Nische, die auch nur sie allein besetzt hielten, weil jeder Andere zum Plagiator werden würde. Dass sie mit Karl Willets einen Meister der gutturalen Growls und mit Jo Bench eine Frau (!) am Bass hatten, waren da nur noch zusätzliche Specials. Ein Death Metal Klassiker also, bei dem Grindcore fast nicht mehr zu finden war. Den bekam der Fan aber mit….

Napalm Death
The Complete Peel Sessions

(Strange Fruit, Rec. 87/88, Rel. 1989)

Nun – Napalm Death, DIE Pioniere des Grindcore, waren ’89 nicht untätig. Allerdings waren sie eher live unterwegs, mussten sich mit Besetzungswechseln ‚rumschlagen, hatten eigentlich ja mit Scum (’87) und From Enslavement to Obliteration (’88) auch schon Alles gesagt. Somit war das Studio erstmal kein Ort für die vier Gesellen, die dafür aber am 13. August 1987 und am 8. März 1988 auf Bitten des DJ’s und Grindcore Fans John Peel für zwei Sessions in die heiligen Hallen des BBC gekommen waren. Es war das „klassische“ Quartett aus Lee Dorrian, Mick Harris, Shane Embury und Bill Steer, das sich dort mit der BBC-Produzenten-Beamtenschaft traf. Beide Sessions wurden dann ’89 vom John Peel Label Strange Fruit als The Complete Peel Sessions veröffentlicht. Der erste Teil dieser Sessions war schon mal ’88 als 12“ veröffentlicht worden, die beiden zusammen nur 20 Minuten dauernden kompletten Aufnahmen sind vorzuziehen… denn sie sind in mancher Hinsicht besser als die beiden legendären Studioalben. Ganz einfach, weil die Soundqualität besser ist, weil die Quasi-Live Situation diese eingespielte Band in aller Macht einfängt, weil die Vier inzwischen den zwar liebenswerten, aber mitunter auch etwas eintönigen Crust-Punk aus ihrem Rezept gestrichen hatten. Weil sie gut in Form waren und weil sie im Bewusstsein einer inzwischen wachsenden Anerkennung offenbar frei aufspielen konnten. Es ist vielleicht für denjenigen, der Grindcore nicht kennt, etwas befremdlich, was da abgeht. Aber witzigerweise sind die 25 (!!) teils millimeterkurzen Überfälle differenziert und differenzierbar. Damit ist nicht gemeint, dass man da Melodien wiedererkennt, aber Mick Harris‘ Drum-Kunst ist enrom. Und enorm unterschiedlich. Shane Embury’s Bass brodelt, Bill Steer’s Gitarren rauschen und Lee Dorrian…? Es ist irgendwie ein Jammer, dass der danach bei Cathedral „normal“ gröhlte. Dass ND auf der zweiten LP-Seite mit den Tracks von März ’88 auch noch fast Death Metal spielen, der aber die massive Kraft des Grindcore hat, macht The Complete Peel Sessions noch unverzichtbarer. Highlights? Die Sekunde von „You Suffer“… nein, das geht nicht. Dieses unglaubliche Kraftpaket MUSS man komplett hören. Grindcore in blumiger Frische…

Carcass
Symphonies Of Sickness

(Earache, 1989)

Wem das Debüt von Autopsy in all seiner Splatter-Ästhetik zu geschmacklos und ekelerregend scheint, der dürfte sich das zweite Album der Goregrind Urväter Carcass auf keinen Fall zu Gemüte geführt haben. Die hatten mit dem aufgrund seiner – bewusst!! – dumpfen Produktion fast unhörbaren Vorgänger die Death-Metal Facette Grindcore gemeinsam mit ihren eher politische agitierenden Kumpels von Napalm Death (…deren Scum und insbesondere From Enslavement to Obliteration sei hier nochmals dringlich empfohlen…) fast im Alleingang definiert. Nun steigerten sie den für sie vorherrschenden Splatter-Faktor um etliches, indem sie sich eine vernünftige Produktion leisteten. Und jetzt zeigte sich, was man auf dem Debüt nur mit Mühe hatte heraushören können. Unter all dem Blut und den herumfliegenden Innereien waren Songs und Riffs in verschwenderischer Fülle zu finden. Auf dem neuen Album klangen die Gitarren fett, das Schlagzeug spielte so schnelle Breaks, dass man nicht mehr folgen konnte, alle vier Musiker „sangen“, was bedeutete, dass man von schrillem Kreischen bis zu Growls aus tiefsten Tiefen alles zu hören bekam. Die Musik war noch etwas atmosphärischer, die Texte (natürlich getreulich abgedruckt und mit medizinischen Fachausdrücken gespickt…) hatten sie offensichtlich dem Tagebuch eines irren Pathologen entnommen. Und Songs wie „Exhume to Consume“, oder „Ruptured in Purulence“ sind in ihrer eiter-spritzenden Brutalität perfekt. Die Symphonies of Sickness vertonen das Gemetzel im Operationssaal.

Terrorizer
World Downfall

(Earache, 1989)

Terrorizers World Downfall sollte keinesfalls mit dem ebenso guten Altars of Madness von Morbid Angel verglichen werden. Zwar sind hier mit Pete Sandoval und David Vincent gleich zwei Mitglieder der Death Metal Pioniere dabei, aber Terrorizer war ein Act mit vollkommen eigenem Charakter. Da die Band sich nach diesem Album auflöste (die beiden vorgenannten Musiker konzentrierten sich auf Morbid Angel, Gitarrist Jesse Pintado ging zu den britischen Brüdern im Geiste von Napalm Death und Sänger Oscar Garcia gründete Nausea) sollte World Downfall ihr einziges Statement bleiben. Die Band hatte über die Jahre etliche Demos aufgenommen und ihren politischen Grindcore in dieser Zeit zu voller Reife gebracht. In den USA allerdings war diese Form des Death Metal nicht so angesagt wie im UK… bekam erst mal keinen Support von den US-Spezailisten-Labels. So gingen sie also erst 1989 für 48 Stunden in ein ordentliches Studio und nahmen mit dem in Florida ansässigen Producer Scott Burns diesen Semi-Klassiker auf. Der Grindcore, der hier gespielt wird ist pfeilschnell, hart und kompromisslos – und er hat die notwendigen Unterschiede zu anderen Acts seiner Art: Wo Napalm Death ihre britischen Crust-Punk-Einflüsse haben, da stehen bei Terrorizer Hardcore, Thrash und die durchaus logischen Death-Metal Elemente im Vordergrund. Dass das Ganze eine art Spaß-Projekt war, mag dem Verfechter ernsthafter Bemühungen missfallen. Ich höre genau diesen Spaß heraus und finde ihn bbegrüßenswert. Daher ist World Downfall für mich neben den Alben von Carcass, Napalm Death und Brutal Truth einer der tragenden Grundpfeiler des Grindcore.

Repulsion
Horrified

(Necrosis, Rel. 1989)

…und noch ein Grundpfeiler des Grindcore. Das Debüt der Amerikaner Repulsion wurde tatsächlich schon 1986 aufgenommen (!!), zirkulierte zwei Jahre lang als Cassette unter dem Titel Slaughter of the Innocent im aufgewühlten Untergrund, ehe Necrosis das Album neu mixte und produzierte, um im „aufstrebenden Genre“ Grindcore einen weiteren Meilenstein aufzurichten. Man sollte sich klar machen: Das Demo entstand ein ganzes Jahr VOR Napalm Death’s Scum !! Repulsion sind somit Pioniere VOR den Pionieren, sozusagen die Wikinger in Amerika – und sie klingen nicht weniger konsequent oder professionell (zumindest was die remixten Aufnahmen des Tapes angeht) als die anderen Urväter des Grindcore. Horrified bietet alles, was das Herz des Liebhabers höher schlagen lässt: 18 Blood’n’Gore-verschmierte Tracks in rasendem Tempo, voran getrümmert in weniger als einer halben Stunde. Mit Scott Carlson einen Sänger (und Bassisten – der übrigens auch bei Death spielte..), der äußerst angepisst klingt, einen virtuosen Drummer namens Dave „Grave“ Hollingshead, der komischerweise später nirgends mehr auftauchte, einem erdigen, schmutzigen Sound und mit Songs, die mit ein paar „getrageneren“ Passagen sogar so etwas wie Abwechslung garantieren. Natürlich sind Tracks wie „Maggots In Your Coffin“, „Radiation Sickness“, „The Stench Of Burning Death“, oder „Acid Bath“ klischeebehaftet und nicht jeden Metal-Head’s Sache, aber da ist einiges an Musikalität unter der Kruste. Grindcore – oder meinetwegen Death Metal dieser Art – war seinerzeit bewusst provokant – auf eine durchaus kindische Art, die (mir) bis heute Spaß macht. Die Musiker waren schließlich meist zwischen 16 und 20 Jahre alt. Horrified ist ein weiterer Klassiker in einer Musikgattung, die ein acquired taste sein mag, die aber, wenn man sich mit ihr beschäftigt, wirklich faszinieren kann. Nach diesem Album lösten Repulsion sich (vermutlich in Säure) auf, und Carlson ging zu den Doom-Meistern von Cathedral. Mit den drei hier beschriebenen Alben ist ’89 ein sehr gutes Jahr für die allerhärteste Art von Metal.