1988 – N.W.A. bis Stetasonic – Der Beginn der Golden Years of HipHop an der East Coast und der West Coast

Zunächst einmal ein bisschen Geschichte: HipHop entstand zu Beginn der Achtziger an der Ostküste der Staaten, genauer in den Ghetto’s der New Yorker Bronx.

Hier entwickelte er sich aus den Ursprüngen um die Sugarhill Gang, Grandmaster Flash und Run DMC oder Afrika Bambaata (nur ein paar von Vielen), deren Rap’s (laut Wörterbuch = Sprechgesang) zu Beats aus dem Ghettoblaster das Leben der schwarzen Bevölkerung in diesen Teilen der Stadt widerspiegelte. Diese Raps und Rhythmen wurden von verschiedenen Leuten in diverse Richtungen weiterentwickelt, variiert und mit immer besseren Texten und Beats ausgeschmückt. Zweck der ganzen Angelegenheit war es, zu diesen Beats zu tanzen und sich auf abenteuerliche Weise zu bewegen – zu „Breakdancen“ – aber nach einer Weile wurde das Ganze immer komplexer und die Stories, die erzählt wurden, immer wichtiger. Das „Goldene Zeitalter“ – die Zeit von 87 bis 94 etwa – war dann von HipHop Acts geprägt, die es nicht so sehr auf den Dancefloor abgesehen hatten, als vielmehr auf eine perfekte Abstimmung aus Samples, Rhythmik und Texten, die entweder äußerst politisch waren (Public Enemy) oder die Ghetto-Wirklichkeit und den mehr oder weniger friedlichen Gebrauch von illegalen Rauschmitteln (und/oder Waffen…) auf mehr oder weniger deutliche Weise darstellten (Eric B & Rakim, Boogie Down Productions, EPMD und so weiter…) Dazu kamen bald die sog. Native Tongue’s wie die Jungle Brothers oder (bald) De La Soul und A Tribe Called Quest mit selbstbewusst schwarzen, meist „peacigen“ Themen. Sie alle haben einen virtuosen Umgang mit den HipHop- Stilmitteln Sprache und Musik/Samples gemein. Ende der Achtziger begannen dann auch an der Westküste der USA Rapper einen eigenen Stil zu entwickeln. Zunächst waren es im Vergleich zu NY nur wenige, aber das hier unten beschriebene Album Straight Outta Compton von N.W.A. bildet die Wurzel einer ganzen Szene, die einen härteren Sound hatte, die politisch extremer war, auch sexistischer, soundmäßig minimalistischer und sich insgesamt als „tougher“ als die Rapper von der East Coast gerieren wollte. Der bald beginnende Macho-Krieg zwischen East Coast und West Coast war dumm, schwanzgesteuert und leider für ein paar Protagonisten tödlich. Aber das ist eine andere Geschichte. Hier sind einige Highlights vom Beginn des „Golden Age of HipHop“, Alben, die die Grundlage des HipHop bis in die heutige Zeit bilden. Zu Beginn ein paar Alben, die für diese Musik so wichtig sind, wie Blonde on Blonde und Revolver für die weiße Popmusik. Dies sind Alben, die für HipHop bis weit in die 00er Jahre die Gussform bilden.

Public Enemy – It Takes A Nation Of Millions to Hold Us Back
(Def Jam, 1988)

Dieses Album habe ich im Hauptartikel des Jahres 1988 beschrieben – weil es eines der wichtigsten Alben der 80er ist, einer der Grundpfeiler des HipHop und weil es immensen Spass macht. Bis heute hat It Takes a Nation of Millions… seine Gültigkeit behalten. Lies mehr im Hauptartikel – und lies im Anschluss über das andere Album, das diese Position genauso gut innehaben könnte.

N.W.A.
Straight Outta Compton

(4th & B’Way, 1988)

Foto – Eric Poppleton

Für die meisten auch nur ein ansatzweise konservativen Weißen in den USA ist es wahrscheinlich bis heute schwierig bis undenkbar, diese Platte anzuhören – geschweige denn sie zu mögen oder ihren Stellenwert anzuerkennen. N.W.A. (…steht für „Niggaz With Attitude“…) sind mit Straight Outta Compton die Erfinder eines ganzen Sub-Genres: Des Gangsta-Rap. Und auf ihrem Debüt ist schon alles dabei, was in dieser Sparte des HipHop dabei sein muss – und somit auch alles, was man an ihr hassen kann: Intoleranz, Frauenfeindlichkeit, auf dicke Hose machen und Gewaltverherrlichung. Man muß sich heute klar machen – All das war zuvor nicht unbedingt typisch im HipHop und wurde spätestens mit diesem Album zur Blaupause für das Genre. Das mögen fragwürdige Verdienste sein. aber – was für eine Platte! Zum Einen waren mit Dr.Dre, Ice Cube und Eazy-E gleich drei Protagonisten des HipHop der Zukunft an diesem Projekt beteiligt. Und dann funktionierte hier auch noch die musikalische Zusammenarbeit der drei Solitäre – sie schufen mit den ersten drei Stücken auf Straigh Outta Compton eine der besten Einleitungen in ein Rap-Album, das Titelstück, dann „Gangsta Gangsta“ und „Fuck tha Police“ – mehr Punk als DeeDee Ramone. Und was ist mit den Texten? Der Aufruf zur Gewalt wurde natürlich nicht überhört, das FBI rügte die Plattenfirma, MTV verbot das Video zum Song, die Verkaufszahlen schossen in die Höhe und ein Genre war erfunden. Und auch heute noch empören sich die Rechtschaffenen – wie schön das ist.

EPMD
Strictly Business

(Fresh, 1988)

Foto – Janette Beckman. Britische Fotografin, die in die in die USA ging, Punk fotografierte und sich dann für HipHop begeisterte

Enter EPMD – was für die lustige Absichtserklärung „Erick and Parrish Making Dollars“ steht. Das Duo aus NY/Long Island – bestehend aus Erick Sermon und Parrish Smith – und ist eine weitere Ikone des East Coast HipHop, geliebt von denen, die sie kennen, immens einflussreich bis heute: Ohne sie kein Jay Z, kein Nas, und auch kein Snoop Dogg – kein relaxter, dope-HipHop. Und tatsächlich wurden diese New Yorker auch an der Westküste respektierte – was seinerzeit keine Selbstverständlichkeit war. Für New York klangen sie aber auch fast ZU entspannt, waren ihre Samples und Rhythmen fast ZU relaxed und funky. Schon der Opener – das Titelstück des Albums – basiert auf dem gesampelten Refrain von Bob Marley’s „I Shot the Sheriff“, über den die beiden Rapper ihre entspannten Rhymes legen, meist ist die Herkunft der Samples schnell zu erkennen, ihre erste Single, „You Gots to Chill“ basiert auf Samples von Zapp’s „More Bounce to the Ounce“ und Kool & the Gang’s „Jungle Boogie“, die zum rollenden Beat gegeneinander kämpfen während Sermon und Smith Alles mit ihrem kollaborativen Rap zusammenhalten. Das hört sich an, als wäre es ganz simpel – und es ist auch nah am ursprünglichen Prinzip des HipHop, bei dem über gesampelte Disco-Beats erzählt wird, aber EPMD waren in ihrer Kunst einige Schritte weiter als der Rest, sie nutzten Samples aus Soul und Rock (damals noch unüblich…) und schufen eine sehr entspannte und eigene Atmosphäre. Strictly Business ist eine Sampelorgie aus der Zeit, als man sampeln konnte was man wollte, ohne allzu große Schwierigkeiten zu bekommen, und es zeigt, dass man daraus etwas ganz eigenes schaffen kann. Weitere Highlights: „You’re a Customer“ auf Steve Miller’s „Fly Like an Eagle“, oder „Jane“, basierend auf einem Sample von Rick James‘ „Mary Jane“. Bekiffter Party-HipHop mit Niveau – ein Album, das etliche Imitatoren in Stil und Atmosphäre nach sich ziehen sollte.

Eric B. & Rakim
Follow The Leader

(Uni, 1988)

Foto – Drew Carolan

Und ein weiterer Klassiker aus der Gründerzeit des HipHop. Die New Yorker Eric B. & Rakim mit dem Nachfolger zum Vorjahres-Meisterstück Paid in Full (Siehe Hauptartikel 1987….). Und natürlich ist ein Fortschritt zum revolutionären Debüt zu erkennen – was den Erstling nicht schlechter oder uninteressanter macht. Auf Follow the Leader erweitert Producer Eric B das Vokabular, ergänzt den bisherigen Minimalismus um ein paar wohlgesetzte Samples – nicht mehr nur aus dem Katalog von James Brown’s, sondern hier und da auch um ein paar Samples aus Bereichen der Rockmusik. Die Eagles, die Average White Band, Herbie Hancock’s Headhunters. Aber hier gilt, wie bei EPMD’s Strictly Business – das Ergebnis ist völlig eigenständig, Rakim’s durchdachte Raps heben die gesamte Musik auf ein höheres Level, sein tiefe Stimme lässt Textbrocken wie Ziegelsteine zwischen die Beats fallen. Er gilt nicht umsonst bis heute als einer der besten Rapper seiner Generation – und als Vorbild für etliche Rapper, die da kommen werden. Follow the Leader ist weit dunkler, rhythmischer und härter als das hier oben reviewte Strictly Business, weit sparsamer als It Takes a Nation of… und cooler als das wütende Straight Outta Compton. Es zeigt wie variantenreich man arbeiten kann, wenn man sich auf’s Notwendigste beschränkt – und es ist ein Album, das so heute nicht mehr entstehen könnte. Dies ist HipHop in seiner pursten Form – die beiden ersten Alben von Eric B. & Rakim sind unersetzlich, dass sie hiernach nie mehr auf dieses Niveau gelangen würden ist traurig, aber nicht überraschend. Highlights auf diesem Album sind der Opener/Titeltrack mit Rakim’s akrobatischen Raps, „Microphone Fiend“, in dem Rakim Drogensucht mit seiner Sucht nach Mic und Worten vergleicht – oder „Lyrics of Fury“ mit den Zeilen: „I can take a phrase that’s rarely heard/ Flip it/ Now it’s a daily word.“ – was wohl treffend beschreibt, was jeder Rapper erreichen will… Rakim hatte es erreicht.

Boogie Down Productions
By All Means Necessary

(Jive, 1988)

Foto – Doug Rowell

Während der Produktion zum zweiten Album des Duo’s Boogie Down Productions wurde Beatmaster und Produzent Scott LaRock in den New Yorker Prospects beim Versuch, einen Streit zu schlichten, erschossen. Der nun gezwungenermaßen allein arbeitende KRS-One war durch dieses Ereignis so erschüttert, dass er das Gangsta-Konzept des Debütalbums Criminal Minded für das neue Album über den Haufen warf, sich selbst den Moniker „The Teacher“ gab, und stattdessen eines der ersten explizit politischen HipHop Alben machte, dass sich mit dem Bewusstsein und vor Allem den selbstzerstörerischen Tendenzen innerhalb der schwarzen Community befasst. Tracks wie „Stop the Violence“ und „Necessary“ kritisieren die Brutalität innerhalb der HipHop-Szene – einer Szene, die sich mit Macho-Gehabe und Intoleranz intern zerfleischt, während die „weisse“ Polizei die Leichen aufsammelt. Warnt vor Rassismus, den er „white man’s game“ nennt, kritisiert Drogenhandel und Bestechlichkeit der Polizei bei „Illegal Business“ und warnt vor den Gefahren von Aids im Kondom-Commercial „Jimmy“. All das über einem reduzierten Sound, mit extrem harten 808 Beats, die man schon von Criminal Minded kennt, über eine recht geringe Zahl von Samples – so basiert „Ya Slippin“ auf dem einen Sample von Deep Purple’s „Smoke on the Water“. By All Means Necessary ist genauso politisch wie Public Enemy’s Meisterstück It Takes a Nation of Millions…, und seine relativ gesehen geringere Bekanntheit mag dem extrem reduzierten Sound geschuldet sein, der den Fokus letztlich auf die Lyrics legen will, es aber für die HipHop-ferne Hörerschaft weniger attraktiv macht. Es ist ein weiteres Album, das den HipHop der folgenden Jahre vorwegnimmt, und es ist das beste Album von KRS-One – vor dessen Solo-Alben.

Ultramagnetic MC’s
Critical Beatdown

(Next Plateau, 1988)

Foto – auch Janette Beckamn, siehe EPMD… siehe auch janettebeckman.com

Auch die Ultramagnetic MC’s sind 1988 mit ihrer Art des HipHop innovatv unterwegs (nicht so schwer, wenn noch fast alles neu ist…). Ced Dee, Moe Love, TR Love und Kool Keith entstammen der Breakdance Szene der Bronx, ihre Raps sind abstrakt, komplex und dadurch ungewöhnlicher als die der Konkurrenz, ihr HipHop ist weird, in einer Szene, in der „Realness“ oberstes Gebot zu sein scheint. Producer Ced Dee arbeitet hauptsächlich mit einem Sampler und den Beats und Gitarrensounds alter James Brown-Tracks, was der Musik entsprechend Funkiness verleiht. Das Prinzip der einzelnen Tracks ist immer gleich: ein harter „Boom Bap“ Beat, Kool Keith rappt stream-of-consciousness Wahnsinn, Ced Gee unterbricht ihn, und rappt seinen Part indem er in Zungen spricht – es ist kein Wunder, dass Critrical Beatdown auch ’88 nur moderaten Erfolg in den Charts hatte. Die Rhymes sind zu verrückt, die Rhythmen zu komplex für den Hausgebrauch – was aber auch dazu geführt hat, dass das Album weit besser gealtert ist als andere Alben seiner Ära. Die Ultramagnetic MC’s wichen allen Klischee’s aus – und Critical Beatdown wurde zur Quelle etlicher Samples von Nas über Gang Starr bis zu The Prodigy. Hiernach veröffentlichten die Ultramagnetic MC’s zwar noch ein paar Alben, aber nur No. 3 (The Four Horsemen von ’93) reicht an das Debüt heran. Immerhin: Kool Keith wird 1996 als Dr. Octagonecologyst eines der besten und wahnsinnigsten HipHop Alben der Neunziger machen. Hier findet man seine Wurzeln.

The Jungle Brothers
Straight Out The Jungle

(Warlock, 1988)

Cover – Ken Kaufman. Auch einer, der auf HipHop spezialisiert war

De La Soul und A Tribe Called Quest sind die bekannteren – und über die Jahre auch die haltbareren Acts des politischen Jazz-Rap – oder wie man es auch nennt – des Conscious HipHop, des HipHop, der sich mit den sozialen Missständen der afro-amerikanischen Gesellschaft auseinandersetzt. Die New Yorker Jungle Brothers sind der erste Act, der ein komplettes Album veröffentlicht, und dieses sowie das zweite Album Done By the Forces of Nature definieren einen Sound und eine Haltung, die sich deutlich vom politischen HipHop der Aggressoren Public Enemy oder dem Gangsta-Shit anderer Acts abhebt. Die Liaison von Jazz und HipHop war logisch, andere mögen es später noch besser gemacht haben, aber die Jungle Brothers erinnerten die schwarze Community erstmals wieder daran, dass Jazz IHRE Musik war. Bald würden Jazz-Grooves, mit dem Besen gestreichelte Drums und Bläserspitzen wichtige Bestandteile des HipHop werden – 1988 ist das noch ein Alleinstellungs-merkmal, wie man auch an den vorher besprochenen Alben hören mag. Da ist es dann bizarr, dass „I’ll House You“ – der erfolgreichste und bekannteste Track dieses Albums – nicht etwa Jazz mit Rap, sondern Chicago House mit Rap verbindet – und im Kontext trotz der Zusammenarbeit mit dem legendären House Produzenten Todd Terry eher nach Comedy klingt, als nach ernsthaften social issues. Aber es gibt ja auch die Zusammenarbeit mit Q-Tip vom Tribe auf „Black is Black“ – Afro-Zentrismus wie er bald auch von den anderen „Native Tongues“ auf Alben wie betrieben wird. Lustig zu erfahren, dass die Instrumental Tracks auf dem Album in vielen Fällen sozusagen „von Hand“ hergestellt wurden, die Loops wurden manuell, ohne den sonst üblichen Sampler von Jazz-Alben geholt und zum Track zusammengefügt. Straight Out the Jungle mag noch Schwächen haben, aber das haben strenggenommen alle Alben dieser Zeit, und es definiert den Sound, der kommen würde.

Big Daddy Kane
Long Live the Kane

(Cold Chillin‘, 1988)

Cover – George DuBose

Jetzt zum ersten echten Großmaul des HipHop. Man könnte sagen: before Kanye there was Kane – das ehemalige Mitglied der Pioniere The Juice Crew All Stars hatte sich den Kollegen und Beatmaster Marley Marl als Produzenten gesichert, hatte anerkanntermaßen beachtliche Skills als Rapper und warf auf seinem Debüt Long Live the Kane zusätzlich seine bigger than life personality in die Waagschale. Das Album ist eine Disco-Kugel, die den HioHop des Jahre ’88 in allen Facetten widerspiegelt. Da ist die perfekte, redduzierte Produktion von Marley Marl, da sind die unvermeidlichen James Brown-Samples, da sind Themen aus der eigenen Community, aber vor Allem ist da die Angeberei über die eigenen Rhyme-Skills und besonders erfreulich – der dezente Hinweis auf die eigene Potenz („I’ll Take You There“) – was langweilig bis unerträglich werden könnte, wäre Antonio Hardy (so Big Daddy Kane’s bürgerlicher Name) nicht so wunderbar selbstironisch und ein mindestens so einfallsreicher und virtuoser Rapper wie Kool Keith von den oben genannten Ultramagnetc MC’s. Er ist nicht politisch wie Chuck D oder bedrohlich wie KRS-One, aber er ist einer der besten Rapper seiner Zeit – und einer den ganze Generationen von anderen Rappern respektieren und zitieren werden. Man höre nur einen Track wie „Ain’t No Half-Steppin“. Das war eben die Zeit, in der alles neu war, als der Gedanke an „Correctness“ im HipHop noch Unverständnis erzeugt hätte.

Slick Rick
The Great Adventures of Slick Rick

(Def Jam, 1988)

Cover – Glen E Friedman. Auch Suicidal Tendencies. Skater-Fotograf

Noch so ein Klassiker: Der In London geborene und in NY lebende Slick Rick aka Richard Walters gehört sozusagen zur ersten Generation erfolgreicher MC’s, er hatte schon Mitte der Achtziger seine Spuren in der New Yorker Szene hinterlassen und mit dem MC/der lebenden Beatbox Doug E. Fresh mit „La Di Da Di“ einen der ersten echten „Hits“ dieser jungen Musik-Gattung fabriziert. Drei Jahre brauchte es dann, bis er mit The Great Adventures of Slick Rick das erste Album veröffentlichte – auf dem selben Label wie die Beastie Boys und Slayer übrigens. Slick Rick ist ein hervorragender Rapper mit typischem britischen Akzent, dazu ein echter Storyteller, der immer wieder kluge und interessante Inhalte mit schlauen Rhymes verbindet. Seine Lyrics reichen vom misogynistischen „Treat Her Like a Prostitute“ über das Lob des MC-ing („The Ruler’s Back“) bis zum reinen Storytelling („Children’s Story“), von soft („Teenage Love“) bis hardcore („Lick the Balls“). Und all das ist verpackt in die dynamische, sparsame Produktion von Slick Rick bzw. der Bomb Squad und Jam Master Jay (Run DMC). Mit Def Jam hatte er natürlich DAS hipHop-Label dieser Zeit hinter sich – und die bekamen mit den ausgekoppelten Singles „Teenage Love“, „Hey Young World“ und „Children’s Story“ Klassiker geliefert. The Great Adventures of Slick Rick ist enorm unterhaltsam, klingt durch die sparsame Produktion recht modern, hat in Slick Rick einen tollen Rapper und Texter und es gilt zurecht als Klassiker seiner Zeit. Dummerweise geriet Slick Rick in den kommenden Jahren immer wieder mit der Justiz aneinander, was seine Karriere sehr behinderte. Er machte drei weitere Alben – teils im Gefängnis aufgenommen – aber an dieses Album kam er nicht mehr heran. Als Vorbild für Leute wie Snoop Dogg oder Jay Z (der sein „The Ruler Is Back“ coverte) ist er unsterblich.

Stetasonic
In Full Gear

(Tommy Boy, 1988)

Foto – wieder Janette Beckman…

Stetasonic waren einer der ersten HipHop Acts, die mit Live Band agierten. ’83 in der Breakdance-Szene entstanden, war das Doppelalbum In Full Gear ihr zweites Album – und eines der ganz großen HipHop-Alben dieses Jahres. Das Debüt On Fire war zwar gut, aber noch etwas unbehauen gewesen – hier fallen alle Teile ihres Sounds an ihren Platz. Da sind neben den üblichen James Brown Samples (und dem klugen Satz: „Tell the truth, James Brown was old/ ‚Til Eric and Rakim came out with ‚I Got Soul‘„) und noch mehr Sly & the Family Stone Samples und wortreiche Bezüge zur einflussreichen Band der beginnenden Siebziger, da ist energetisches Live-Drumming und die virtuose Produktion von Prince Paul (der bald das Debüt von De La Soul produzieren wird…) und Daddy-O, da sind die gekonnten Raps von Daddy-O und Frukwan und das Beatboxing von Wise und da sind Einflüsse aus Dancehall Reggae, R&B und Rock. Sie verarbeiten im Prinzip Alles, was ihnen nützlich erscheint, und sind damit eklektizistischer als ihre Zeitgenossen und dabei ist das Album nicht wütend politisch und hat nichts mit Gangsta Rap zu tun. Die Stimmung ist eher positiv und der musikalische Background auf ihre Art jazzig -was sie in die Reihe der Alben von A Tribe Called Quest und De La Soul stellen würde, wären ihr Sound und ihre Haltung nicht „altmodischer“ als die der Conscious HipHop Vorreiter. Stetasonic sind offensichtlich von ihren Live-Auftritten geprägt, sie betreiben auf In Full Gear HipHop Entertainment – und wenn sie bei der klassischen Single „Talking All That Jazz“ die zu jener Zeit aktuelle Sampling-Diskussion verhandeln (bei der es darum ging, dass die Nutzung von Samples bezahlt werden sollte), dann äußern sie einen klare Meinung (Pro Sampling natürlich), aber sind dabei nicht wirklich militant. „Float On“ ist eine ziemlich cheesy Ballade, die nach Einträgen ins Dating-Portal klingt „Freedom or Death“ wiederum behandelt soziale Themen auf eine Art, die sich Public Enemy’s Chuck D. auch mal anhören sollte. In Full Gear gilt als Klassiker in der zweiten Reihe – zum Einen weil es ’88 revolutionärere Alben gab, vermutlich aber auch, weil all die folgenden Moden und Modernismen es überholt haben und die Beats heute anachronistisch klingen – was für mich den Spaß beim anhören guter Musik nicht reduziert, aber das ist nicht jedermann’s Einstellung und einzig mein persönlicher Vorteil beim Genuss solcher Alben. Aber zugegeben – In Full Gear ist eindeutig Achtziger – finde das gut oder schlecht – wie du willst…