1984 – Metal Church bis Celtic Frost – Das Erblühen des Thrash… und dunklerer Blumen

Jetzt starten die Bands des US-Thrash Metal richtig durch. Die härtere, modernere Variante des Metal – von Hardcore und den Bands der britischen neuen Welle des Heavy Metal beeinflusst – hat mit Metallica’s Ride the Lightning (im Hauptartikel 1984 beschrieben…) sein erstes wirklich über Jahre hinaus einflussreiches Album.

Die Thrash-Szene in den USA war – wie im Metal-Kapitel ’83 gesagt – schon seit Jahren in Form von Demo’s und Live-Auftritten aktiv – es hatte zwar ’83 mit Metallica’s und Slayer’s Debütalben zwei Releases gegeben, die weltweit aufmerksam machten, aber dennoch war Thrash ’84 immer noch Untergrund. Aber jetzt tauchten nach weitere Thrash-Alben auf: Megadeth‘ erstes Album Killing is My Business… and Business is Good war noch so schwach, dass ich es vergessen will, aber Anthrax‘ Debüt ist erwähnenswert, die EP Haunting the Chapel von Slayer und Metal Church’s Debüt und – wie gesagt – Metallica’s Zweitling setzten einen neuen, höheren Standard im Metal. Und mit Voivod erschien eine Band am Thrash-Himmel, die dessen Grenzen direkt mal überschritt. 1984 bekommt Thrash Metal übrigens durch die Journaille seinen Namen: Kerrang! Journalist Malcolm Dome benennt das Genre nach Anthrax‘ “Metal Thrashing Mad“. Und ich muß sofort darauf hinweisen: Thrash ist ein Konglomerat aus Einflüssen. Die Bands dieser Stilrichtung haben (noch) ihre Herkunft aus den USA und die größere Härte und Schnelligkeit gemein, aber auf jedem hier unten beschriebenen Album sind die Einflüsse des „klassischem“ Metal deutlich herauszuhören. Die Highlights der klassischen Metal ’84 wiederum will ich in einem eigenen Kapitel loben. Schließlich gibt es auch in den USA etliche Bands, die die Genrepolizei nicht dem Thrash Metal zuordnen würde, deren Alben aber die gleiche hohe Qualität haben – siehe die Hardcore-Thrasher Septic Death, die massiven Einfluss auf die spätere Explosion des Grindcore haben. In Europa formieren sich zeitgleich – sozusagen im Gefolge der komischen Briten Venom und US-Thrash Proto-Black Metal Acts wie die Skandinavier Bathory oder die Schweizer Hellhammer/Celtic Frost. Die sind ein erster Hinweis auf das, was da noch als sog. Black Metal kommen wird. Zwischen den Stühlen Thrash/Black Metal/Heavy Metal sitzen die Dänen Mercyful Fate mit Corpse-Paint und einem beeindruckenden zweiten Album.: Und ja – es gibt auch Alben, die der Metaller heute mindestens KVLT findet, die ich aber ignoriere – so wie das oben genannte Debüt von Megadeth. Die nun folgenden Alben sind eine subjektive Auslese.

https://music.apple.com/de/playlist/der-gro%C3%9Fe-rockhaus-1984-thrash-und-mehr/pl.u-2aoqqvYUNvb4X3K

Metallica – Ride The Lightning
(Music For Nations, 1984)

… wie gesagt – das beste – vielleicht aber auch nur das für die „kommerzielle Entwicklung“ des Metal wichtigste Album des Jahres 1984. Aber bei allen Zweifeln angesichts der vielen großen Alben in diesem Kapitel ist es schon interessant zu hören, wie weit Metallica zu diesem Zeitpunkt der Konkurrenz voraus waren: Den anderen drei Großen des Thrash: Megadeth, Slayer und Anthrax. Lies nur weiter…

Metal Church
s/t

(Steamhammer, 1984)

Neben den bekannten großen Vier des Thrash Metal (mit Metallica an der Spitze…) gab es noch ein paar Bands, die zu Beginn des „Trends“ noch locker in der Spitzengruppe dabei waren. Enter Dark Angel, Overkill, Testament und… Metal Church. All diese Bands mögen nie die Crossover-Anerkennung belommen haben, die Metallica zu Superstars machte. Aber der spätere Mega-Act stand zunächst weder kommerziell noch künstlerisch so viel besser da, als die Bands der zweiten Reihe. Diese vier (und etliche noch obskurere Bands) haben seinerzeit Alben gemacht, die kaum schwächer waren, als die ihrer bald erfolgreicheren Brüder. Metal Church kamen aus Seattle, hatten als Shrapnel – wie üblich – beeindruckende Demo’s veröffentlicht und ließen 1984 nach Namensänderung ihr gleichnamiges Debüt gleichzeitig mit Metallica’s Ride the Lightning auf die Metal-Welt los. Metal Church wurde zunächst bei einem Indie-Label veröffentlicht und nach 70.000 verkauften Exemplaren trat ein großes Label an die Band heran – ein erstes Zeichen für den kommerziellen Durchbruch des ehemals untergründigen Thrash Metal. Und mal ganz unvoreingenommen: Metal Church ist so stark wie Metallica’s Ride the Lightning. In mancher Hinsicht ist es sogar besser- stilistisch ent- und ge-schlossener als Kill ‚em All, das Debüt Metallica’s. Metal Church hatten mit David Wayne einen Sänger, der die stimmliche Bandbreite eines Rob Halford mit dem Dreck in der Stimme von James Hetfield verband und Bandkopf/ Gitarrist Kurdt Vanderhoof war sowohl ein einfallsreicher Gitarrist als auch Komponist. Metal Church haben mit „God of Wrath“ eine dieser kraftvollen Balladen im Programm, mit denen Metallice erst in drei Jahren weltweiten Erfolg haben würden, sie konnten aber auch so rasant loslegen wie die Konkurrenten, wie man bei Tracks wie „Merciless Onslaught“ oder dem reinen Thrasher „Beyond the Black“ hören durfte. Metal Church ist kein „reines“ Thrash-Album. Die Einflüsse von Judas Priest und Bands der NOWBHM sind auch bei dieser Band deutlich herauszuhören, der Gesang David Wayne’s, aber auch andere „klassische“ Heavy Metal Stilmittel sind deutlich erkennbar – aber die Aggressivität und Schnelligkeit vieler Passagen sind purer Thrash. Nun – es gab ja auch nie so etwas wie ein Reinheitsgebot – 1984 wurde der Begriff Thrash Metal gerade erfunden und die Musiker dieser Zeit und dieses Stils betraten Neuland – jeder auf eigene Faust. Metal Church ist neben Ride the Lightning definitiv DAS ’84er Thrash-Album, mit diesem Debüt hätte diese Band eine Karriere wie Metallica starten sollen, aber irgendwie kamen sie über den Kult-Status in der Metal-Gemeinde nicht hinaus. Vielleicht hat ja sogar das unfassbar billige Cover-Design einem größeren Erfolg im Wege gestanden. LP-Cover sind im Metal von eminenter Bedeutung – und dieses ist peinlich. Das Album aber ist groß, eines der besten Debüt’s seiner Zeit und Art.

Anthrax
Fistful of Metal

(Under One Flag, 1984)

Wenn ich in dem entsprechenden Metal-Kapitel für das Jahr 1983 die nicht völlig überzeugenden Debüt Alben von Slayer und Metallica erwähne, muss das erste – 1984 erschienene Debüt von Anthrax wohl auch beschrieben werden, obwohl es sich auch nicht mit den folgenden Alben der Band messen kann. Anthrax gehören nun einmal mit Metallica, Megadeth und Slayer zu den Big Four des Thrash Metal. Und sie sind die einzige Band , die nicht aus der Bay Area um Los Angeles, sondern aus New York kommt. Somit weise ich hier auch darauf hin, dass Fistful of Metal – genau wie Kill ‚em All von Metallica und Show No Mercy von Slayer – „bloß“ der erste halbwegs vernünftige Gehversuch einer erst demnächst wichtigen Metal-Institution ist. ein erster Versuch also, bei dem immerhin instrumental schon Alles da ist: Scott Ian und Dan Spitz schiessen Riffs und Gitarrensalven in den Himmel, die Rhythmussektion mit Dan Lilker am Bass und Drummer Charlie Benante brettert mit Hardcore-Tempo voran – nur Sänger Neil Turbin versucht sich vergeblich (insbesondere im Vergleich mit Metal Church’s David Wayne…) an einer Mischung aus Ian Gillan, Judas Priest’s Rob Halford und wildem Mann. Seine mitunter etwas kläglich-theatralischen Vocals sind es, die die ansonsten gelungenen Songs von Fistful of Metal herunterziehen. Songs wie das für diesen Stil fast getragene „Howling Furies“, das rasante „Subjugator“ oder „Soldiers of Metal“ zeigen, warum diese Band eine der Großen in ihrer Sparte werden würde. Und „Metal Thrashing Mad“ ist tatsächlich der Song, nach dem Kerrang! Journalist Malcolm Dome das junge Genre benannte. Anthrax veränderten sich nach dem Album personell und stilistisch – zuerst wurde Bandkopf Dan Lilker gefeuert (er gründete Nuclear Assault…) und dann wurde Sänger Neil Turbin gegen einen Sänger ausgetauscht, der besser zum nun rasanteren Thrash der Band passte. Die beiden folgenden Alben mit Joey Belladonna als Sänger sind es, die dem Ruf von Anthrax seine Berechtigung geben. Fistful of Metal ist „nur“ das gute Debüt einer wichtigen Band….

Slayer
Haunting the Chapel EP

(Roadrunner, 1984)

Und der nächste Vertreter der „Großen Vier“ Auch Slayer sind noch auf dem Weg an die Spitze, aber auf ihrer EP Haunting the Chapel kann man schon Vieles finden, was Reign in Blood in zwei Jahren zum Klassiker machen würde. Das letztjährige Debüt Show No Mercy war im Vergleich tatsächlich weniger beeindruckend als diese drei Tracks in 13 ½ Minuten. Zum einen hatte Produzent und Label-Eigner Brian Slagel inzwischen dazugelernt, zum Zweiten waren die Fähigkeiten der Musiker dank Live-Erfahrung deutlich gewachsen, zum Dritten hatte die Band jetzt ein klares Songwriting-Konzept. Sänger Tom Araya versuchte nur noch selten den Heavy Metal-Shouter a la Rob Halford zu geben, Drummer Dave Lombardo machte in Thrash und benutzte die Bass-Drum als Gewitter und vor allem die Soli von Jeff Hannemann und Kerry King waren jetzt pfeilschnell und uferten in chaotische Gefilde aus. Das blasphemische Horror-und Hass-Image der Band nahm Gestalt an – und alle drei Songs hatten das Potential zur Hymne: Vor Allem „Chemical Warfare“ und der Titeltrack sind düsterer als Alles, was man von der Konkurrenz zu hören bekam – in ihrem Tempo nah an der Raserei des kommenden Albums. „Captor of Sin“ hätte noch auf Show No Mercy gepasst – war nicht ganz so krass, wie die beiden anderen Tracks, nur besser produziert. Wer diese EP hörte, wurde auf den Blutregen vorbereitet, der kommen würde. Auf späteren Versionen der EP wurde noch der etwas ältere Metal Massacre Compilation-Beitrag „Aggressive Perfector“ ergänzt. Der passte weder stilistisch noch produktionstechnisch dazu, aber was soll’s. Haunting the Chapel ist – zumindest für Metal-Fans – essenziell. Hier hört man, warum Slayer Metallica’s größte Konkurrenten um den Thrash-Thron waren.

Und hier ein paar Worte zur….

Megadeth – Last Rites EP

Diese EP hat nicht die Klasse von Slayers Haunting the Chapel, Dave Mustain muss sich nach dem Rausschmiss bei Metallica erst mal sortieren. Er ist ein sehr guter Gitarrist, der aber hier erst einmal nicht so begeistert. Auch das erste komplette Album in 1985 – Killing Is My Business… And Business is Good! ist noch nicht auf dem Niveau der Konkurrenz. Daher will ich mich hier nicht weiter äussern…

Voivod
War and Pain

(Metal Blade, 1984)

…dafür hier eine weitere Band, die eine enorm lange Karriere vor sich hat. Zumal eine, die sich von Anfang an nicht wirklich in Kategorien einordnen ließ. Ja – die aus Quebec, aus dem französisch-sprachigen Teil Kanadas stammenden Voivod sind eine Thrash-Metal Band. Aber sie haben über 40 Jahre lang eine sehr eigenwillige Version des Hardcore-Metal gespielt. Dabei kaum Nachahmer, aber etliche Bewunderer gefunden. War and Pain ist das Debütalbum der ’82 gegründeten Band – nach dem üblichen Underground-Demo-Tape To the Death, das irgendwann sogar von Alterative Tentacles re-issued wurde. Und wie das in der Frühzeit so war – diese Jungs wollten so extrem wie möglich sein: Vorbilder waren Venom, Motörhead, Black Sabbath und Judas Priest. Sie erfanden die Gestalt „Voivod“ – eine Art Post-apokalyptischen Vampir – um den sie ihre Texte ranken ließen – die sie als frankophone Kanadier erst mühevoll ins Englische brachten – und spielten dazu einen Metal, der noch stark von Punk beeinflusst war, der aber durch Dennis „Piggy“ D’Amour’s Robert Fripp-beeinflusste Gitarren eine futuristische Anmutung bekam. Dazu kam Denis „Snake“ Belanger’s Rob Halford-in-evil Gesang – der NICHT nach Thrash klang. Dazu ein hyperaktiver Drummer, der noch im Hardcore Punk Modus trommelte und Songs, die breitbeinig zwischen Thrash, Punk und seltsamem Future Metal standen. So beginnt War and Pain (typisch Metal…) mit dem Track „Voivod“, der melodisch Konventionen sprengte, aber vor Allem die berserkerhafte Wucht der Band zeigte. Immer wieder werden die Vorbilder angedeutet – aber die Band dreht sich dabei in Science Fiction Gefilde. Seltsame Melodien, die man nicht als „Riffs“ bezeichnen kann, ein Sound und Songs die wie von Granatsplittern zerfetzt klingen. Voivod waren eine post-moderne – hier noch primitive – Version von Motörhead. Bester Track: „Live for Violence“ (klar…).

Septic Death
Need So Much Attention… Acceptance of Whom EP

(Pusmort, 1984)

1984 ist wie man hier sieht ein enorm wichtiges Jahr für die fiesen Extreme des Metal. Und so passen auch Septic Death mit ihrer ersten EP Need So Much Attention in dieses Kapitel: Denn dieses eigentlich als Spaß-Projekt gedachte Quartett aus Boise/ID wurde zur wegweisenden Grindcore/Speedcore-Legende. Zu einer Band, die wiederum anderen Extremisten wie Napalm Death oder Carcass den Weg gewiesen hat. Von Ersteren wurden sie jedenfalls als Einfluss benannt – so wie auch von Bands wie Integrity oder den Black Metal Pionieren Darkthrone. Das Cover – wie alle Septic Death Sleeves – wurde vom Sänger der Band, Brian „Pushead“ Schroeder gestaltet, der sich damit als Zeichner einen großen Namen machte. Die EP wurde mit ein paar Extra-Tracks bald noch einmal veröffentlicht – 1985 als Now That I Have the Attention, What Do I Do With It?, 1990 als Attention. Danach sollte man suchen, denn die EP ist ein überteuertes Kult-Objekt. Und was ist da für Musik drauf? Irriwtzig schnell gespielter Hardcore Punk – eigentlich. Also auch was für Freunde der Dead Kennedys oder der Bad Brains. Aber da sind die Metal-Gitarren von Jon Taylor, es gibt eine „Song-Ästhetik“, die vieles übernimmt, was man von den Thrash Bands dieser Phase kennt (Nachdem die Band ’86 aufhörte gab es eine posthume EP, zu der ihr Verehrer James Hetfield Background Vocals beitrug). Es gibt Tracks wie das zäh dahinfießende „Fear“, den Hardcore Thrash von „Hardware“ rasante Tracks wie „Quit“… Diese Band stand willentlich zwischen den Stühlen Hardcore und Thrash. Dass Pushead dazu einen Vocal-Stil genau in der Schnittmenge zwischen Slayer’s Tom Araya und H.R. (von den Bad Brains..) ablieferte, macht dieses Album nur noch erfreulicher. Need So Much Attention… Acceptance of Whom ist natürlich kein astreiner (Thrash) Metal, aber es ist eines dieser für den Metal der kommenden Jahre ebenso „wichtiges“ Album, wie etwa Celtic Frost’s Morbid Tales. Die Punk-Seite des Thrash mal in reiner Blüte. …Ganz abgesehen von diesem sensationellen Cover-Design.

Mercyful Fate
Don’t Break The Oath

(Roadrunner, 1984)

Die etwas unklare Position dieses Albums im Umfeld von Thrash und Proto-Black Metal 1984 kann man schon am (sehr tollen aber auch ziemlich bunten…) Cover von Don’t Break the Oath ablesen. Die Dänen Mercyful Fate bzw. ihr Kopf Kim Petersen aka King Diamond sind aber unzweifelhaft Musiker, die hunderte von prä-pubertären Black Metal Eleven beeinflusst haben. Und das nicht nur, weil King Diamond seinen „Corpse Paint“ nicht – wie Kiss – mit Comedy Hard Rock veband, sondern eigenständigen, harten Metal mit Okkultismus und einer fetten Dosis Satanismus verband. Man konnte diese Band ernst nehmen. Ihre Klasse hatten sie schon ’83 mit ihrem tollen Debüt Melissa bewiesen, musikalisch waren sie all over the place und ihren Kollegen in vielen Bereichen voraus. Auch hier gilt – die Zahl derer, die sich von ihnen beeinflussen ließen, ist gewaltig. So waren Mercyful Fate sogar (zumindest für einen Metal-Act 1984) kommerziell recht erfolgreich. Aber wohlgemerkt: Die Musik dieser Band eigentlich traditioneller Heavy Metal, King Diamond’s Gesang hat mit dem Growlen, Gebell oder Gekreische der Bands, die sich beeinflußt sahen, nichts zu tun. Die Lyrics – natürlich… Wenn Songs Titel haben, wie „Night of the Unborn“ oder „Come to the Sabbath“, oder wenn es bei „The Oath“ heisst „I deny Jesus Christ, the deceiver/And I abjure the Christian faith…“, dann freut sich der kleine Satanist. Und wenn die Songs dazu solches Niveau haben, dann kann man von einem „Klassiker“ sprechen. Denn das ist Don’t Break The Oath. Ein Klassiker des Metal. Man muss auch noch bedenken, dass Black Metal 1984 kein „Genre“ war. Es gab kein Reinheitsgebot und ein kleiner „Erfolg“ bedeutete nicht, dass Metal-Acts als unglaubwürdig verachtet wurden. Dazu kommt die schiere Kraft und Inspiration von Songs wie „Desecration of Souls“ mit zwei Gitarristen, die mal alleine, mal in Twin-Formation erstaunliches spielen. Manchem war King Diamond’s Falsett-Gesang zu gekünstelt. Aber das war sein Stil. Wenn er „normal“ sang, klang er schwächer. Und wie gesagt – kompositorisch und textlich ist dieses Album top notch… wäre es auch heute noch. Man kann sich vor Tracks wie dem ominösen „Come to the Sabbath“ oder dem perfekten Riff des Openers „A Dangerous Meeting“ nur verneigen. Don’t Break the Oath ist eines dieser Alben, die auch in den Hauptartikel des Jahres ’84 gehören könnte.

Venom
At War With Satan

(Neat, 1983)

Da mag sich mancher Leser wundern. Ich (be)achte auch das dritte Album der Komiker von Venom. Man attestiert ihnen schließlich entweder eine Vorreiterrolle als Black Metal-Band, oder wirft ihnen die übelste Fake-Evilness vor – und ihr drittes Album At War With Satan gilt als erster step down. Die Vorgänger Welcome to Hell und Black Metal waren sehr einflussreich – und das hat Gewicht, egal was man von der Band hält. At War With Satan aber wurde in Zeiten von Metallica etc. nur noch als Aufguss eines nett ausgedachten Konzeptes angesehen… sagen die Einen… Ich gehöre zu den Anderen. Für mich ist At War With Satan ein Album mit einer passenden Mischung aus Tongue in Cheek Humor und geplanter Provokation. Auf den vorherigen Alben hatten sie rohe Klötze aus Thrash und Speed-Metal im 2-Minuten Format herausgeschossen, hier ist der erste Track eine LP-Seite lang. Die Produktion ist mies, die Lyrics sind lächerlich, es gibt satanistische Verweise zu Hauf, die witziger und zugleich provokanter sind, als der Salon-Satanismus der meisten Zeitgenossen – Mötley Crüe inklusive, die in diesem Jahr mit Shout at the Devil auch auf den Satanisten-Zug aufzuspringen versuchten – sogar mit Pentagramm auf dem Sleeve…! (Da ist das Fake-Folianten Cover weit „geschmackvoller“) Die restlichen Tracks auf der zweiten Seite der LP sind ok – nicht beeindruckend, sondern das, was Venom zuvor schon gemacht hatten. Auch Venom gelten als Vorreiter des frühen Black Metal, sie haben mit Punk und Garage-Rock’n’Roll genausoviel zu tun wie mit Metal. Auf Eines aber sei deutlich hingewiesen: Ihre Musik hat auf ihren ersten epochalen Alben ab ’81 wenig mit dem schwarzen Rauschen der kommenden Generation von BM-Bands zu tun. Venom sind zwar Vorbilder, aber zugleich weit proletarischer und …lustiger als es Burzum oder Darkthrone jemals sein wollten. Metal für Leute mit seltsamem Humor und starken Nerven.

Bathory
s/t

(Black Mark, 1984)

… jetzt – nach dem dritten Album von Venom – geht es hier um das „so viel mehr“ in der Überschrift dieses Kapitels. Die Schweden Bathory sind echte Anwärter auf den Throhn der „ersten Black Metal Band“. Mehr als Venom, mehr auch als Hellhammer und weit mehr als Mercyful Fate. Natürlich spielen sie alle eigentlich nur eine dreckigere Variante des Thrash, sind post-pubertäre Rebellen. Sänger Thomas Börje Forsberg aka Quorthon ist bei Erscheinen von Bathory gerade mal 18 Jahre alt. Nun – das ist das Alter, in dem Musik mit enormer Leidenschaft herausbricht. Dazu kurz mal der Einwurf – Interessant ist doch, dass die frühen Achtziger die Zeit sind, in denen „Noise“ in der intellektuellen Variante via Swans oder Sonic Youth in NY und in der scheinbar primitiven Art via Black Metal in Skandinavien zum Thema wird… Jedenfalls bekommt man mit Bathory und den hier nach beschriebenen Hellhammer/Celtic Frost Alben die Vollbedienung in Proto-BM. Und Bathory sind weit weniger Fake als Venom. Quorthon’s Krächzen ist böser, die Gitarren definieren das weisse Rauschen kommender Acts, Bathory klingen mysteriös, dunkel, böse, nekrophil. Dazu hat der „Aufbau“ dieses Albums sicher hunderte bleiche skandinavische Burschen beeinflusst. Der blecherne Sound – sicher auch den Bedingungen geschuldet, aber bald zum Stilmerkmal erhoben, Der Nähmaschinen-Rhythmus, eine gewisse Gleichförmigkeit, die im günstigen Falle Trance erzeugen kann. Wobei – darin sind Bathory noch nah am Thrash – sie variieren hier und da, sind aber immer ernsthaft „evil“. Weit „Evil-er“ als ihre Zeitgenossen aus dem Thrash-Umfeld von Metallica und Slayer. „Sacrifice“ etwa könnte man sich auch als Thrash-Brecher vorstellen, auch wenn Quorthon’s Krächzen nichts mit Hardcore zu tun hat. Aber „In Conspiracy With Satan“ und der Klassiker „War“ sind etwas neues – sind Black Metal – auch wenn man das ’84 vermutlich so nicht genannt hat. Und Bathory würden noch fünf mal (bis ’91) definitive Alben abliefern. Und mit dem ’87er Under the Sign of the Black Mark eines der besten Alben des Metal an sich abliefern (lies im entsprechenden Hauptartikel…)

Hellhammer
Apocalyptic Raids EP

(Noise, 1984)

Und hier die nächste Band, die man gemeinhin mit Proto-Black Metal verbindet. Hellhammer waren ’82 um den kleinen Spinner Tom G. „Satanic Slaughter“ Warrior (Thomas Gabriel Fischer) in der Schweiz entstanden. Dessen Vorstellung von Metal wäre auch in LA als bekloppt und zu boshaft gedisst worden. Hellhammer bekamen zunächst viel Häme und Spott an die Köpfe geworfen, veröffentlichten aber fleißig Cassetten mit lauter, fieser Musik, die doch von ein paar wenigen Bewunderern gehört wurden (und später auch wiederveröffentlicht wurden…). Das Beste aber kam zum Schluss: Die 20 Minuten der EP Apocalyptic Raids war ihre stärkste Leistung (auch wenn man das ’83er Cassetten-Album Satanic Rites als LP sehr „kvltig“ finden kann). nun bekamen sie beim kleinen aufstrebenden Metal-Label Noise erstmals eine professionelle Produktion und einen echten Vertrieb, und so konnte man das bestialische Röhren von Tom Warrior erstmals in guter Qualität hören. Hellhammer-Riffs waren langsam, zäh, weit mehr Doom als Thrash. Tracks wie „The Third of the Storms (Evoked Damnation)“ sind im Grunde Punk verlangsamt, verteufelt und verzerrt. Warrior hörte sich an, als wäre er wahnsinnig, spielte dabei aber eine sehr effiziente Gitarre, die nach Noise klang. Warrior’s Metal klang immer anders als der Rest, war auch nicht wirklich Black Metal, auch wenn er die komplette Szene in Norwegen inspirierte. Auch Bands wie Napalm Death und Sepultura hörten jetzt zu, coverten später den zunächst nicht auf der EP enthaltenen Track „Messiah“. Apocalyptic Raids wurde später um diesen und einen weiteren Track erweitert, die auf dem Split-Album Death Metal (!!… das Wort war neu!!) enthalten waren. Diese Version sollte man konsumieren. Hellhammer zerbrachen drei Monate nach dem Release von Apocalyptic Raids und Warrior formte mit seinem Bassisten Martin Eric Ain die upcoming legend Celtic Frost….

Celtic Frost
Morbid Tales

(Noise, 1984)

… die noch im selben Jahr mit der 25-minütigen Mini-LP Morbid Tales den ‚rumliegenden Totenkopf aufnahmen. Somit war dies KEIN Debüt – Celtic Frost bauten noch mehr auf den Kopfgeburten von Tom Warrior auf, die er mit Hellhammer definiert hatte. Aber es gab ein paar Veränderungen: Der Sound von Celtic Frost ist im Vergleich zu dem von Hellhammer flächiger, monochromer. Das soll nicht heissen, dass da Langeweile aufkommt – aber mit Celtic Frost wusste Tom Warrior offenbar genauer, was er wollte. Und zwar einen tiefen Blick in die Hölle. Morbid Tales ist KEIN Black Metal, obwohl verständlich ist, warum so viele spätere BM-Acts Celtic Frost als Einfluss benannt haben. Der eigentlich so schlichte Sound der Band – die nur ein Trio war – die stark verzerrrten Gitarren, die Mal an Black Sabbath erinnern, mal an Kreissäge, das Image, die Ernsthaftigkeit… Celtic Frost waren eine eigenartige Band. Weit entfernt vom Black Metal ist zum Beispiel das doomig kriechende Meisterwerke „Procreation (of the Wicked)“. Aber WAS für Metal ist das dann? Celtic Frost waren auf ihren Morbid Tales auf die virtuosest mögliche Art un-virtuos, das Album ist sehr gut produziert, aber die – ich nehme an bewusste – Primitivität der Riffs und Sounds machen aus diesem Album ein unkategorisierbares Etwas. Es gibt ein gruseliges „Hörspiel“ titels „Danse Macabre“, auf das zuletzt der fast pure Thrash von „Nocturnal Fear“ folgt, bei dem wieder ein paar dieser seltsam tonlosen Gitarrensoli geboten werden. Und bei aller Einfabigkeit ist Morbid Tales dennoch abwechslungsreich. Es mag von Vorteil sein, dass es sich um eine EP mit verkürzter Spielzeit handelt. Aber dies ist schlicht ein sehr ungewöhnliches Album aus einer Zeit, in der es noch nicht so viele „Kategorien“ und Stilarten im Metal gab. Man hat damals bezweifelt, dass Celtic Frost noch mehr zu bieten haben würden. Aber dann kam 1985 das Meisterwerk To Mega Therion… lies darüber im Hauptartikel ’85… Und Tom Warrior hat auch danach bis in die 10er Jahre immer wieder ungewöhnliche und tolle Alben an den Grenzen des Metal veröffentlicht. Er ist seltenes Edel-Metall.