1984 – Iron Maiden bis Trouble – Classic Heavy Metal und Doom

Ja – 1984 erblüht Thrash Metal. Und mit Proto-Black Metal a la Bathory und Celtic Frost kündigen sich noch schröcklichere Gestalten im harten Genre an. Aber es gibt zu dieser Zeit (und auch später noch…) auch die Bands, die – meinetwegen – eher zurück blicken.

Die vielleicht noch keine „lange“ Geschichte hatten, die aber doch etabliert waren in einer Szene, die Metallica oder gar Bathory noch ein bisschen erschrocken und misstrauisch betrachtete. Da waren die alten Meister Judas Priest, da war der Ex-Rainbow Shouter Dio, da waren die etwas jüngeren NWoBHM-Pioniere Iron Maiden und Tank. Und es gab auch Bands, die den Metal der alten Schule gelernt hatten: Die US-Amerikaner Jag Panzer etwa machten Power Metal mit Einflüssen aus dem UK. Wen die Aussenseiter Cirith Ungol wiederum zum Vorbild hatten, weiss niemand so genau. Ihr Metal stammte aus den frühen Siebzigern, kannte Heavy-Psych und war Umwege gegangen, die sonst keiner beschritten hat. Auch Queensrÿche waren mit technoidem Progressive Metal weit weg von Thrash Metal. Und da stand ein noch schwerer älterer Metal-Kaltblüter im Stall und scharrte ganz langsam mit den Hufen: Der um 1970 mit der Band Black Sabbath entstandene sogenannte Doom-Metal wurde inzwischen von US-Bands wie Saint Vitus und Trouble wiederbelebt – ich weise hier gerne darauf hin, dass Doom seit ’80 kontinuierlich weiterentwickelt wurde. In den kommenden Jahren würde Doom immer wieder mit einzelnen Alben am Leben gehalten werden. Er adaptierte Black und Death Metal, blieb aber erfreulicherweise stilecht und lebendig. Genau DAS kann man über Dekaden hinweg vom klassischen Metal sagen: Es gibt immer wieder neue Alben von alten Bands oder gar neue Acts, die sich an dem abarbeiten, was in England Ende der 70er als Antwort auf Punk und New Wave in der NWoBHM entstanden ist. Iron Maiden und Judas Priest bleiben feste Größen, Black Sabbath und Doom sind scheinbar unsterblich, Metal entwickelt in den 80ern neue Facetten – wird schlicht härter und härter – aber der klassische, song-orientierte Metal bleibt spannend und kommt auch danach immer wieder mal kurz in Mode. Und bedenke dabei: Metal ist in en Achtzigern noch Underground. Er hat eine eigene Geschichte, die ich in diesem und dem anderen Metal Kapitel ’84 erzähle.

https://music.apple.com/de/playlist/der-gro%C3%9Fe-rockhaus-1984-heavy-metal-und-doom/pl.u-gxbllgls5zRNABq

Mercyful Fate – Don’t Break The Oath
(Roadrunner, 1984)

Wie im Artikel über Thrash Metal und seine Kinder beschrieben werden Mercyful Fate und ihr Don’t Break the Oath manchmal als Inspiration für Black Metal dargestellt. Aber musikalisch ist dieses Album einfach hervorragender, eigenständiger Heavy Metal. Sauber produziert, mit tollen Riffs und Gitarrensoli und King Diamond’s Falsett-Gesang… und satanistischen Lyrics. Wer dieses Album mag, könnte auch Iron Maiden lieben….

Iron Maiden
Powerslave

(EMI, 1984)

Man bedenke: Powerslave – Album No. 5 von Iron Maiden – ist erst das zweite Album mit einem stabilen Line-Up. Und genau das bedeutete eine Steigerung in der Qualität. Man sagt ja durchaus zu Recht, dass die ersten sieben Alben von Iron Maiden (für Metal-Fans) Pflicht sind. Aber Powerslave war nicht nur ein weiteres Highlight. Es steht wirklich noch eine Stufe über Piece of Mind (’82) und The Number of the Beast (’83). Über zwei Vorgängern, die nicht ganz so ausgefeilt, dafür aber für ihre Zeit revolutionär waren. So ging die Band also Anfang ’84 mit dem Pluspunkt personeller Kontinuität in der Karibik ins Studio. Und so konnten die Männer um den Bassisten und Band-Kopf Steve Harris alles, was sie sich in den letzten Jahren erarbeitet hatten, noch feiner ausarbeiten. Sänger Bruce Dickinson war jetzt etabliert und entsprechend selbstbewusst, er komponierte mit dem Gitarristen Adrian Smith mit „2 Minutes to Midnight“ gleich einen Klassiker der Band und hatte auch noch weitere Songwriting-Credits. Und auch Kreativ-Kopf Steve Harris war in Form: Auf seine Kappe ging der längste Song des Album’s: „Rime of the Ancient Mariner“ bezieht sich auf ein Gedicht von S.T. Coleridge – einem englischen Dichter aus der Zeit der Romantik. Ein Fan-Favorite, der purer Progressive Rock ist… mit der Härte des Metal, mit atmosphärischen Passagen, komplex, virtuos… Iron Maiden waren längst keine Proll-Metaller mehr, sondern inzwischen eine Band in der Tradition von Yes oder Rush – nur eben mit der Heavyness und den Fans des Metal. Natürlich fiel neben den beiden genannten Tracks auch der Rest des Materials nicht ab. Powerslave ist enorm kraftvoll, rhythmisch komplex, heavy, anspruchsvoll, typisch Iron Maiden. Es ist ein Klassiker des Metal. Und vielleicht ist es sogar das beste Iron Maiden-Album…. DAS ist die schönen Eigenschaften der ersten sieben Alben dieser Band. Sie Alle sind im Grunde unverzichtbare Metal-Klassiker.

Judas Priest
Defenders of the Faith

(CBS, 1984)

Judas Priest sind älter, weniger progressiv, aber nicht weniger wichtig, als ihre Landsleute Iron Maiden – die wiederum sich Judas Priest sicher auch zu Vorbildern gemacht hatten. Defenders of the Faith war das neunte Album, es war der Nachfolger zum ähnlichen und ähnlich erfolgreichen Screaming For Vengeance (1982). Man kann die beiden Alben als Doppelalbum hören – zumal der Track „Rock Hard Ride Free“ als „Fight for Your Life“ zunächst für Screaming… aufgenommen worden war. Defenders… mag ein bisschen düsterer sein, aber die grundsätzliche Stilistik, die sich Judas Priest inzwischen erarbeitet hatten, war ablesbar: Songs mit memorablen Riffs und Stadion-Hymnen Charakter, mit Titeln, die sich nach Parole anhören: „Rock Hard Ride Free“, „Love Bites“, „The Sentinel“, „Heavy Duty“… das war das, was Metal-Fans in den 80ern hören wollten. Soviel zu den Klischees, die – nebenbei erwähnt – von Judas Priest „erschaffen“ worden waren, als sie in den 70ern Hardrock mit Alben wie Sad Wings of Destiny (siehe Hauptartikel 1976) zu Heavy Metal machten. Das Qualitätsmerkmal von Judas Priest aber war nach wie vor Rob Halford’s Stimme, seine Fähigkeit, Falsett und tiefere Passagen glaubhaft und ohne jede Peinlichkeit zu singen – und damit übrigens Mercyful Fate’s King Diamond beeinflusst zu haben. Dazu die immer noch intakten Twin-Gitarren von KK Downing und Glenn Tipton, Songs die so einprägsam waren, wie ihre Titel… Judas Priest arbeiteten mit einem erprobten Konzept (…übrigens ein letztes Mal überzeugend… der Nachfolger Turbo war banal…). Und Ja – Defenders of the Faith ist old fashioned Heavden Metal. Diese Band hat ihren Einfluss auf die NWoBHM genauso gehabt, wie sie die jungen Burschen von Metallica in den USA beeindruckt haben dürften. Mag ja sein, dass sie als weniger „wichtig“ angesehen wären, hätten sie nicht 1990 mit Painkiller und (tatsächlich!!) 2018 mit Firepower weitere Beispiele für Classic Heavy Metal von hohem Niveau abgeliefert. 1984 hatte diese Band noch nicht ihren heutigen Legendenstatus. Aber bald würden Alben wie Defenders… Metal-Kult-Klassiker werden.

Dio
The Last in Line

(Vertigo, 1984)

…zum Thema Legenden ist der Metal Shouter Ronnie James Dio die perfekte Besetzung. Anfang der 70er mit seiner Band Elf, dann mit Richie Blackmore’s Rainbow, dann bei Black Sabbath als Ersatz für Ozzy… und all das ehrenvoll gemeistert. Der gerade mal 1,63 m große Brüllwürfel war der Proto-Heavy-Metal Shouter. Er „erfand“ übrigens die sog. „Mano Cornuta“ – den Teufelsgruß, die Metal-Hand, die Pommesgabel… und seit Oktober ’82 hatte er seine eigene Band. ’83 hatte er sich mit Holy Diver in den Zug der NWoBHM gesetzt, hatte nun mutmaßlich die gleichen Fans wie Iron Maiden und schoß dem gelungenen Debüt mit The Last in Line die Fortsetzung hinterher. Das gleiche Personal, Veteranen an Drums, Keyboards und Bass, ein junges Talent an der Gitarre, ein Konzept, das ihn zum Metal-Gott erhob – zu dem Riesen, der auch auf diesem Cover abgebildet ist. Man kann wohl vom Kleiner-Mann-Syndrom reden. Aber Album No. 2 war ein mächtiges Metal-Monument. Vielleicht fehlten jetzt die absoluten Brecher wie „Holy Diver“ und „Rainbow in the Dark“ – aber es gab immer noch Klischee-Klassiker wie „Evil Eyes“, „Mystery“, und den Titeltrack. Mit dem Opener „We Rock“ wurde direkt das Feld abgesteckt – diese Band war der Traum aller Rainbow und Deep Purple Fans, sie gaben dem HardRock der frühen Siebziger die Frischzellenkur, die er schon ca. ’75 gebraucht hätte und warfen noch eine Pommes-Faust voller NWoBHM in den Topf. Und was sich hier ein bisschen nach veralbern anhört, ist nur halb so respektlos gemeint. The Last in Line ist eines der besten Heavy Metal Alben von 1984, Holy Diver war sogar eines der Highlights der Dekade. Freilich handelt es sich um Spartenmusik und Thrash würde diesen Metal an Härte überbieten, aber das Songwriting von Ronnie James Dio und seine mächtige Stimme sind groß. Weit größer als der Mann selber.

Cirith Ungol
King of the Dead

(Roadrunner, 1984)

Die aus Ventura in Kalifornien stammenden Cirith Ungol schienen 1984 wie aus der Zeit gefallen. Gegründet 1972, hatten sie Ende der Siebziger und ’81 zwei Alben mit traditionellem, fantasy-beeinflusstem Heavy Metal veröffentlicht, der zwar toll, aber noch nicht ganz zuende gedacht war. Für King of the Dead erweiterten sie ihre Palette um einen massiven, blauschwarzen Doom-Farbton. Aber – nicht dass wir uns da missverstehen – der Sound und die Songs auf dem Album erinnern nicht so sehr an Black Sabbath oder Judas Priest als viel mehr an obskure Bands aus der Ära des progressiven Rock. Bass und Gitarre umspielen einander, anstatt gemeinsam Riffs zusammenzubauen, die Songs haben die auch im Thrash übliche Verse/Chorus/Verse Struktur, aber sie sind ausladend, breit angelegt und nicht im Geringsten von Hardcore oder Punk berührt. Sogar die Produktion mit dominant sumpfigem Basston und extrem verzerrten Gitarren ist untypisch für diese Zeit. Und gerade deshalb: Diese Songs bieten völlig eigenständigen, eskapistischen Fantasy-Metal mit düsterem, schwerem Grundton. Das Titelstück der LP etwa klingt nach Progressive Rock aus einer alternativen Zukunft. „Finger of Scorn“ beginnt als progressives Folk-Stück und verwandelt sich in eine doomige Evokation. Gitarrist Jerry Fogle ist einer der vergessenen Helden auf seinem Instrument, Einer, der in den Siebzigern vielleicht mehr Aufmerksamkeit bekommen hätte. Genau wie der äußerst einfallsreiche Robert Garven an den Drums. Der Musiker, der sicher am meisten polarisieren dürfte, ist „Sänger“ Tim Baker. Der singt nicht, der ruft und kreischt seine Lyrics hervor. Dazu muss er nicht einmal die Töne treffen, er lässt jede Zeile wie einen letzten Aufschrei klingen – und genau das passt auf verrückte Weise zur Musik. Es macht King of the Dead zum völlig eigenständigen Metal-Album, das nie „modern“ war – oder immer modern bleiben wird. In der Zeit der Postmoderne (’99 und 2015…) wurde das Album entsprechend von Metal Blade re-released…

Queensrÿche
The Warning

(EMI, 1984)

Und die nächste Band, die zumindest bis in die 90er ein enormes Niveau erreichte. Eine, die Bands wie Dream Theater und dgl. beeinflusste, selber aber ab der Mitte der 90er nicht mehr an ihre Klasse anzuknüpfen wusste. Queensrÿche kamen aus Seattle, hatten aber mit dem aufkommenden Grunge-Sound aber Nichts am Hut. Sie hatten ’81 als The Mob begonnen, sich 83 in Queensrÿche mit zwei Punkten über dem Y umbenannt, eine feine EP veröffentlicht und machten nun mit ihrem Debüt The Warning klar, dass hier distinguierte, gebildete Künstler am Werke waren. Mit der charakteristischen Stimme von Geoff Tate, der kraftvoll, tief aus dem Bauch, aber auch im Falsett-Gesang brillieren konnte. Dazu stellten zwei Gitarristen ihre Virtuosität zur Schau – Chris DeGarmo und Michael Wilton mussten sich vor keinem Könner ihrer Zunft verstecken, schrieben beide mit Tate die Songs und hatten sich vorgenommen, die metallische Alternative zu Rush zu sein. Dazu mischten sie eine kräftige Prise Judas Priest mit dem Progressiven Metal von Iron Maiden in ihre Songs. Auf The Warning schienen diese Vorbilder NOCH ein bisschen zu deutlich durch, die meisten Songs sind letztlich Power Metal, Heavy Metal. Das, was man in dieser Zeit zu hören bekam, wenn man sich ein Metal-Album kaufte. Textlich-konzeptuell bezogen sich Queensrÿche auch nicht ganz so originell auf Orwell’s Dystopie 1984. Aber diese Band konnte komponieren und spielen, da war Power in den Songs, und selbst wenn man erfährt, dass sie mit dem Mix der LP später völlig unzufrieden waren, kann man sich der Klasse ihrer Musik nicht entziehen: Die Jungs hatten ihr Aufnahme-Budget incl. Orchester und etlichem Getöse um 300.000 $ überschritten und mussten das Album für den Mix aus der Hand geben. Dennoch – da waren offenbar Könner am Werk, das Epos „Roads to Madness“ ist so überkandidelt, dass es auch eine Menge Spaß machen kann. Und bei Heavy Metal-Tracks wie „Take Hold of the Flame“ oder „En Force“ können sie sich locker mit den Vorbildern messen. Dass sie mit Operation: Mindcrime einen echten Klassiker (siehe Hauptartikel ’88) schaffen würden, war hier schon vorstellbar.

Jag Panzer
Ample Destruction

(Iron Works, 1984)

Noch mal Metal aus den USA. Hier war die NWo(B)HM mit leichter Verspätung angekommen – und US-Metal hatte zusätzlich eine andere Anmutung: Man bedenke – Metal im UK war eine Reaktion auf den proletarischen Punk. Metal Acts in den USA waren eskapistischer, thematisierten Fantasy, Science Fiction, meinetwegen auch Horror (… das gab es natürlich AUCH im UK… siehe Iron Maiden) – aber „normaler“ US-Metal in den frühen 80ern war weit von politischer Agitation entfernt. Enter Jag Panzer: Die kamen ursprünglich aus Colorado, gingen zu Beginn der Achtziger in die Thrash-Metropole LA – und spielten einen von britischen Bands wie Iron Maiden und Judas Priest beeinflussten Power Metal, der in der jungen Thrash Metal-Szene um Metallica und Metal Church durch seinen melodischen Reichtum und seine Hardcore-Ferne untypisch war. Das mag EIN Grund dafür sein, dass ihr Debüt Ample Destruction nicht den Erfolg bekam, den es verdient hätte. Dazu kam noch, dass sie auf dem Mini-Label Iron Works veröffentlichten, welches den Sprung nach England/Europa nur über Importe wagen konnte. Das US-Publikum wandte sich somit gerade dem härteren Thrash zu und das europäische Publikum kannte die Band nicht. Dabei war die Wertschätzung bei denen, die hinhörten, immer groß! Ample Destruction bietet Power Metal in seiner reinsten und allerbesten Form. Der heroische Gesang könnte lächerlich klingen (Siehe Bands wie Helloween) aber Harry „The Tyrant“ Conklin’s Organ hätte auch jeder Thrash Metal Band gestanden, die Songs haben den wagnerianischen Pomp, der mitunter unfreiwillige komisch wirken kann, aber für ironische Lacher sind sie zu durchdacht. Klassische Riffs, epische Soli, all das mit immenser Power – dazu Songs wie „Harder Than Steel“ oder das Epos „The Crucifix“ – machen aus Ample Destruction das, was man als tragisch verkannten Kult-Klassiker bezeichnet. Und zur Tragödie gehört natürlich, dass Jag Panzer nach diesem Album leider nie mehr dieses hohe Niveau erreichten. Wer Iron Maiden mag, sollte dieses Album dringend erwerben

Tank
Honour & Blood

(Music for Nations, 1984)

Ein Tank nach einem Jag Panzer? Na ja, Krieg war oft genug Inspirationsquelle im Metal. Und martialisch waren Tank von Beginn an. Honour & Blood war das vierte Album der Londoner. Sie gehörten zu den Protagonisten der NWoBHM, sie wurden gerne mit Motörhead verglichen – nicht nur, weil Sänger Algy Ward wie Lemmy auch den Bass bediente. Dazu standen Tank ebenfalls mit mindestens einem Bein im Punk: Ward war zuvor Sänger bei The Damned gewesen. Und ihr wunderbar primitiver Power-Sound war mit dem von Motörhead vergeichbar, zugleich aber auch eigenständig genug, um den Plagiats-Vorwurf zu verhindern. Zu guter Letzt waren sie auch mit Motörhead auf Tour gewesen. Auf dem neuen Album war der Sound ein bisschen erweitert, Ward hatte die beiden Brabb-Brüder, die mit ihm Tank gegründet hatten, gegen zwei Gitarristen und einen neuen Drummer ausgetauscht. Aber der saftige Heavy-Rock’n’Roll war immer noch da, die Punk-Stimme war dieselbe, die Songs hatten immer noch die typischen Schlagwort-Titel: „When All Hell Freezes Over“, „Kill“, der Titeltrack… was sollte man da erwarten? Die Anerkennung seitens anderer Bands war groß, sie gingen im Anschluss an das Album mit Metallica auf Europa-Tour… es hätte so weitergehen können. Zumal Honour & Blood wahrlich ein gutes Metal-Album in der Tradition von AC/DC ist. Ein bisschen Bierzelt, ein bisschen Proll, viel Punk… dass Tank nach diesem Album in der Bedeutungslosigkeit versanken (…ehrenvoll…) war aber auch nicht unlogisch. Die NWoBHM wurde von Thrash weggefegt, nur wenige Acts konnten sich halten und der Gestus einer Band wie Tank wurde nicht mehr gebraucht. Man mag es als bezeichnend ansehen, dass sie auf Honour & Blood tatsächlich einen alten Aretha Franklin Hit coverten. Und auch wenn ihnen „Chain of Fools“ gelingt – der Song schön in ihren Power Rock’n’Roll passt – so etwas war bald nicht mehr gefragt. Mit Tank ist es ein bisschen wie mit Motörhead – wenn man das ’82er Debüt Filth Hounds of Hades kennt, dann hat man eigentlich schon das Wichtigste gehört. Wer mehr will, sollte Honour & Blood suchen. Aber dann reicht es auch…

Saint Vitus
s/t

(SST, 1984)

Das war damals für manche Black Flag/Hardore Punk Fans eine Überraschung: Eine Doom-Band, die auf dem Hardcore-Punk Label SST veröffentlichte. Eine Band, die ausdrücklich vom SST- und Black Flag Chef Greg Ginn gelobt wurde – die Musik machte, die doch eigentlich Geschichte war…? Aber wer Black Flag verfolgt hatte, wusste, dass in deren Genom auch Doom verankert war, der kannte deren Album My War und die Tracks auf der zweiten LP-Seite, die Doom mit Hardcore verbunden hatten. So kam das Debüt von Saint Vitus auf SST dann doch nicht ganz überraschend. Zumal Saint Vitus kein Sabbath-Klon waren: Ihr Mix aus traditionellem Doom, Blue Öyster Cult Vocals, dämonischen Texten und Hardcore Punk-Härte war eigenständig. Dazu die patentiert rohe Produktion vom SST Haus-Produzenten Glen Locket aka Spot – und wer es hart, laut und langsam wollte – wer die Melvins kannte und liebte – der konnte jetzt den bislang als uncool geltenden Doom-Metal für sich entdecken. (Dass Metal-Fans jetzt eine Band auf einem Punk-Label hatten, war ja auch ein Gewinn auf der anderen Seite…). Die Musik auf Saint Vitus hatte natürlich auch manche Black Sabbath-Charakteristika… welcher Doom-Act klingt nicht irgendwie nach BS? Aber es gab Unterschiede: Da war der Gesang von Scott Reager, der NICHT nach Ozzy klang. Der wie gesagt an Blue Öyster Cult’s Eric Bloom erinnerte. Da war das Tempo mancher Tracks (…aber auch Black Sabbat waren nie NUR langsam), da waren insbesondere die psychedelischen WahWah-Gitarren-Soli vom großen Dave Chandler, dem Herz der Band. Auch die Basslast eines Meistewerkes wie „Buried at Sea“ war größer als bei den Vorvätern. Mark Adams war ein Meister an seinem Instrument. Und Armando Acosta war ein so effektiver, virtuoser Drummer, wie man ihn sich nur wünschen kann. Mit „White Magic/Black Magic“ und „The Psychopath“ gab es Meisterwerke für die Zukunft des Doom. Und Saint Vitus hatte eben doch auch viel vom Hardcore Punk der Labelgenossen. Dieses Album war so „Punk“ wie Doom Metal (der ja an sich traditioneller Metal ist) überhaupt sein konnte. Es war das Album, das eine neue Welle von Doom-Acts in den USA auslöste. All die Unorthodox, Obsessed, Solitude Aeturnus haben Saint Vitus viel zu verdanken…

Trouble
Psalm 9

(Metal Blade, 1984)

Obwohl sie mit Candlemass, Pentagram und Saint Vitus eigentlich zu den „Großen Vier des Doom“ gehören, sind Trouble in den Ohren der Black Sabbath-Gemeinde eher Underdogs. Das liegt womöglich an ihren „christlichen“ Lyrics, vielleicht aber auch an ihrer weiteren Karriere, die das hermetische Doom-Genre auch mal verließ. ’84 allerdings waren sie mit Saint Vitus zusammen die einzigen, die die schleppenden Rhythmen und die getragene Heavyness von Black Sabbath glaubhaft modernisierten. Ob damals wirklich jemand drauf gewartet hat, weiss ich nicht. Die NWOBHM lief aus, Thrash Metal hatte die britischen Metaller überholt, es gab wieder junge Leute mit Nieten-Jacken – aber deren Sabbath Logos verblassten allmählich. Und da kam dann Psalm 9 von dieser Band aus Chicago, und pumpte frisches Blut in eine verrottete Leiche. Trouble waren seit ’78 in Sachen Doom unterwegs, sie hatten etliche Besetzungswechsel hinter sich, waren aber nun nach sechs Jahren eine eingespielte Mannschaft, die beim Metal Blade-Eigner Brian Slagle soviel Eindruck machte, dass er ihnen einen Vertrag und Plattenaufnahmen in LA ermöglichte. Man merkt diesem und den beiden nachfolgenden Alben (The Skull (’85) und Run to the Light (’87)) an, dass sie etliche ausgereifte Songs im Programm hatten. Trouble waren nicht so „episch“ wie Candlemass, sie hatten nicht den psychedelischen Blues von Pentagram und nicht die Hardcore-Würze von Saint Vitus (siehe hier vor..). Dafür sind sie enorm melodisch, haben mit Eric Wagner einen Sänger, dessen Stimme zwar nicht ganz so „evil“ ist, wie die von Ozzy, dafür aber mitunter an die Virtousität eines Ian Gillan heranreicht. Und sie haben tolle Songs: Schon der Opener „The Tempter“ klingt nach Höllenfeuer und Dampfwalze. Ist in seiner zähen Heavyness der Vorbilder würdig. Beim besten Track „Bastards will Pay“ legen Trouble ein fast ungebührliches Tempo vor, bieten aber die Schwere und das verschleppten Riffing der besten Sabbath Tracks. Ganz einfach: Psalm 9 hat tonnenweise Riffs – und die „christlichen“ Texte stören nicht im Geringsten. Die Bibel ist schließlich auch ein recht finsteres Buch und in besagtem biblischen Psalm 9 werden die Heiden rigoros gerichtet und vernichtet . Wie auch immer. Trouble blieben bis heute ein Geheimtip.