1981 – Iron Maiden bis Venom – Gimme Heavy Metal – und die Top Ten des NWoBHM

NWoBHM ist das Acronym für die sog. „New Wave of British Heavy Metal“. Ende der Siebziger kamen diverse Faktoren zusammen, die dazu führten, dass aus dem inzwischen schwächelnden Hard Rock „Heavy Metal“ wurde… und das ist die vereinfachte Darstellung:

Tatsächlich verloren in dieser Zeit viele etablierte Hard-Rock Acts aus den End-Sechzigern/frühen Siebzigern massiv an Punch. Led Zeppelin, Deep Purple, Black Sabbath – sie alle hatten zu viele Tourneen und Drogen, zuviel Geld, waren zu müde, um noch interessante Alben zu machen. Und ihr Publikum war inzwischen auch schon erwachsen. Und dann kam Punk mit seiner Wucht und seinen Möglichkeiten, und beeinflusste fast jeden jungen Musiker auf irgendeine Weise. Und so nahmen in der Zeit, in der Sex Pistols die Clubs verwüsteten, etliche junge Leute den Ball der Hard Rock Bands auf und spielten blues-freien harten Rock mit noch mehr Tempo, mehr Wucht und Attitüde. Vom Punk wurde die DIY Ethik übernommen, bei manchen Bands aber auch die Komplexität des progressiven Rock in den Sound integriert. Man kannte sich aus den paar Clubs, in denen man spielen durfte, man betrachtete die jungen, artifiziellen New Wave Acts mit Misstrauen, man blieb unter sich und teilte sich ein Publikum, das zwar proletarisch, aber nicht anarchisitisch oder intellektuell war. Man entwickelte mit der Zeit einen eigenen Kleidungsstil (Kutte, Nieten-Armbänder), man trug das immens wichtige Band-Logo mit ausgefeiltem Schriftzug stolz auf diversen Textilien – Kurz: Es entwickelte sich eine eigene Kultur (die sich bis heute gehalten hat…) EIN Vorläufer waren Judas Priest – die ehemalige Blues-Band, die ein breites stilistisches Spertum des Heavy Metal mit hren Alben Sad Wings of Destiny und Sin After Sin formuliert hatten. Ein anderer Einfluss auf die NWoBHM waren Motörhead, deren Wurzeln im Rock’n’Roll und im Getöse der Psychedeliker Hawkwind steckten, die aber Tempo und Wucht vom Punk dazu holten – und so ihren eigenen Metal schmiedeten. Heute gelten Iron Maiden als DIE Band der NWoBHM. Die ’75 gegründete Band hatte – wie etliche Kollegen – ’78 in Eigenverantwortung eine EP veröffentlicht, sich in Clubs die Hacken abgespielt – und die Aufmerksamkeit der Industrie erregt. Das Debüt aus dem Vorjahr war künstlerisch und kommerziell ein Erfolg, Metal wurde zum Trend und auch etliche Kollegen bekamen 1980 die Chance, LP’s zu veröffentlichen. In diese Zeit fallen die Debüt-Alben von Bands wie Diamond Head, Angel Witch, Tygers of Pan Tang, Saxon, Girlschool etc., von denen nicht alle wert sind, erinnert zu werden. Aber ein paar haben mehr als bloßen Kult-Charakter – über die will ich berichten. Man erkennt schnell, dass es keinen wirklich typischen Sound der NWoBHM gab. Das Spektrum reichte von Black Sabbath-Doom bis Hardcore-Tempo, lag zwischen schlichtem Haudrauf-Metal, Punk und progressivem Rock. Was verband, war die Haltung, der Stil war egal, solange er mit einer gewissen „Härte“ verbunden war. Viele Alben dieser Zeit verblassen im Angesicht dessen, was sie ausgelöst haben (Thrash-Metal, Death-Metal etc…). Hier sind Alben, die auch heute noch gut klingen. Und übrigens: Der Themenartikel über die NWoBHM wäre auch für das Jahr 1980 denkbar gewesen, aber Iron Maiden’s Killers ist in meinen Ohren DAS klassische NWoBHM-Album. Also….

Motörhead – No Sleep ‚til Hammersmith
(Bronze, 1981)

DAS Metal-Album ’81 – und keinTeil der NWoBHM. Motörhead hatten zwar zum Teil das gleiche Publikum wie Iron Maiden – aber ihr eisenharter Rock’n’Roll fällt eher zufällig in die Zeit der NWoBHM. Schließlich ist No Sleep.. schon das 5. Motörhead-Album seit ’77. Und letztlich ist es schlicht ein Klassiker des Metal, egal welcher Art. Daher im Hauptartikel ’81 beschrieben.

Iron Maiden
Killers

(EMI, 1981)

Cover – Derek Riggs. Erfinder von „Eddie“

Mit ihrem Debüt hatten Iron Maiden ein großes Verspechen gegeben. Und die Band um den Bassisten Steve Harris hatte vor, dieses einzulösen. Diese Band war äußerst ehrgeizig und hatte in den letzten Jahren in allen Belangen große Entwicklungs-Schritte gemacht. Das Debüt Iron Maiden war ziemlich erfolgreich gewesen – Platz 4 in den UK-Charts – jetzt bekam die Band mit Martin Birch einen Hard-Rock Kenner ins Studio gestellt, sie hatten mit dem neu hinzu gekommenen Adrian Smith einen fähigen zweiten Gitarristen – und sie konnten auf einen beachtlichen Schatz an live erprobten Songs zurückgreifen. Diese Band hatte die Songs und enorme Power – und Martin Birch war ein Produzent, der das auch einfangen konnte. Mit Killers wurden die Harmony-Gitarren Parts, die sie bei Wishbone Ash so bewunderten, zum Markenzeichen. Steve Harris‘ komplexes Bass-Spiel war nun deutlich hörbar, allein Paul Di’Anno’s ungekünstelte Stime war manchen komplexen Songs nicht mehr gewachsen. Es ist vielleicht kein Wunder, dass mit „The Ides of March“ und „Ghengis Khan“ zwei Instrumentals auf dem Album sind. Ich persönlich finde ja, dass Di’Anno in die Band passte, und mit erprobten, einfacheren Tracks wie „Killers“ und „Wrathchild“ kam seine Stimme gut klar. Aber – wie gesagt – diese Band bzw. ihr Kopf hatte mehr vor. Bei der Tour zum Album wurde Di’Anno geschasst und mit Bruce Dickinson wurde ein technisch versierterer Sänger von den Konkurrenten Samson abgeworben (…der auch nicht schlecht war…). Killers lebt aber immer noch von und mit Di’Anno, und es sind ein paar weitere Klassiker der NWoBHM dabei. Das schon in der Frühzeit der Band entstandene „Purgatory“, das komplexe „Murders in the Rue Morgue“, das sich auf die Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe bezieht und das ähnlich progressive „Prodigal Son“, das in die Zukunt der Band weist. Killers ist nicht mehr „nur“ NWoBHM, sondern klassischer Heavy Metal. Aber noch war NICHT absehbar, ob diese Band bei allem Ehrgeiz auch erfolgreich bleiben würde. Und wären Iron Maiden zerbrochen, dieses Album hätte dennoch einen hohen Stellenwert in der harten Musik.

Rush
Moving Pictures

(Mercury, 1981)

Cover – Hugh Syme. Soll 9.500 $ gekostet haben…

Moving Pictures, das achte Album des kanadischen Trio’s Rush, ist natürlich kein NWoBHM-Album. Aber der harte, progressive Rock, den die Kanadier nun schon seit über 10 Jahren ihren Fans präsentierten, dürfte auch vielen Fans des neuen britischen Metal gefallen haben. Schließlich waren Iron Maiden hörbar vom Progressive Rock beeinflusst. Rush spielten zu Beginn der 80er allerdings in einer eigenen Kategorie. Hatten sie in den Mitt-Siebzigern noch mit ellenlagen Suiten auf Konzept-Alben ein bisschen wie gehärtete Yes geklungen, so hatten sie inzwischen einen sehr eigenständigen, konzentrierten Sound entwickelt. Man kann Rush unter hunderten von Bands heraushören: Sänger und Bassist Geddy Lee’s schrille Stimme mag Geschmackssache sein – aber wie er klang kein Sänger. Und als Bassist war er unschlagbar – und hatte Iron Maiden’s Steve Harris nach dessen eigenen Worten massiv beeinflusst. Das Songwriting war inzwischen zwar etwas weniger ausladend, aber einen Rush-Song konnte man immer noch erkennen. Da waren die komplexen Breaks und Fills von Drummer Neil Peart – der in seiner Sparte ähnlich eigenständig war, wie Geddy Lee. Ein Drummer, der enorm kraftvoll und rhythmisch spielte, zugleich aber wie ein Jazz-Drummer ums Thema kreisen konnte. Und Alex Lifeson’s gläsernes Gitarrenspiel war Faktor No. 4 in diesem Soundkosmos, den die Band inzwischen um Einflüsse aus New Wave und Reggae erweitert hatten. Dass das den Sound der Band nicht im Geringsten verwässerte, war eine ihrer Stärken. Moving Pictures hat mit den Songs „Tom Sawyer“, „Limelight“ und dem Reggae „Vital Signs“ gleich drei Live Favoriten – Songs, die typisch Rush sind, die tatsächlich auf seltsame Art im Ohr bleiben wollen, obwohl sie in keiner Weise „mit-singbar“ sind. Mit „The Camera Eye“ ist ein letztes Mal ein über 10-minütiger Konzept-Song dabei – bei dem keine Sekunde unnötig verschwendet wird. Die Lyrics von Drummer Neil Peart sind klug und lesenswert. Er hatte sich von Spaziergängen durch London und New York beeinflussen lassen, bei denen er das Leben der Menschen und den Rhythmus beider Städte beobachtete. Auf Moving Pictures war erstmals der Einsatz von Synthesizern bestimmend – und auch das führte bei dieser Band nicht zur Verwässerung. Alle ihre Songs haben eine muskulöse Kraft, die ich sonst nur bei King Crimson finde. Man höre nur das Instrumental „YYZ“. Zu dieser Zeit waren Rush unschlagbar – auf einem Feld, das Metal und Progressive Fans zugleich ernährt hat. Dass sie damit in den USA und England in den Charts bis auf Platz 3 kamen, war völlig verdient. Metal-Fans die Rush noch nicht kennen, sollten das schnell ändern.

Cirith Ungol
Frost and Fire

(Liquid Flames, 1981)

Cover von Michael Whelan. Der Buchreihe Elric von Menibone entliehen

Cirith Ungol wiederum fallen aus den im Metal üblichen Kategorien in vieler Hinsicht heraus. Die Band aus Ventura, CA existierte schon seit 1971, sie hatten ihren Mix aus Doom und progressivem Rock schon lange etabliert und als sie 1981 ihr erstes Album machten, waren sie schon durch diverse Besetzungswechsel gegangen, hatten seit ’76 mit ihrem Ex-Roadie Tim Baker einen Sänger mit einem eher gewöhnungsbedürftig kreischenden Organ an Bord und ihr Konzept jahrelang durchdekliniert. Die Gitarrensoli von Jerry Fogle und Bandkopf und Songwriter Greg Lindstrom klangen dem Alter entsprechend nach Prog… aber eben auch nach dem neuen Ding – nach Metal. Diese Band saß zwischen den Stühlen, ihre Sword & Sorcery-Lyrics, der aus dem Herrn der Ringe entliehene Bandnamen, das Plattencover, die ausladenden Songs – manches davon hatte man höchstens noch bei Bands wie den oben genannten Rush gefiunden (die wiederum wenig mit der NWOBHM zu tun hatten). Aber für altmodische Proggies klangen sie einfach viel zu heavy waren aber auch nicht so komplex wie ihre kanadischen Kollegen. Der Opener der zweiten LP-Seite „Edge of a Knife“ etwa ist fast punk-simpel, wird aber aufpoliert, bis er schimmert wie Schwer-Metall. Dass die Musiker am Schreihals Tim Baker festhielt muss man sympathisch finden, wenn man dessen Donald-Duck-meets-Jimmy-Page Gesang bei „Better off Dead“ hört. Aber wohlgemerkt: All diese Stilmittel fielen zu einem schlüssigen, wenn auch eigenwilligen Album zusammen, das genau das machte, was an Metal so wunderbar sein kann: In diesem hermetischen Genre waren – und blieben – Cirith Ungol gänzlich eigenständig und wiedererkennbar… und waren sofort „KULT“. Den mag man, oder man findet ihn so seltsam, dass man nichts damit anfängt. Eines kann man Frost and Fire ohne Abstriche attestieren: Hier wussten ein paar Musiker ganu was sie taten, sie hatten Songs und sie spielten ihren Stil unabhängig von allen Moden und Trends. Dieses Album und die ’84er bzw. ’86er Nachfolger King of the Dead und One Foot in Hell sind eine großartige Fantasy-Metal Trilogie. Eine Nische im Metal, die sich erst in den folgenden Jahren wirklich etablieren würde.

Saxon
Denim and Leather

(Carrere, 1981)

Cover-Design – ?

Man muss beim Anhören der Alben der NwoBHM eines bedenken: Dieser Stil bot 1981 die denkbar „härteste“ Rockmusik. Dieser Lärm kam zwar nicht aus dem Nichts, aber In den letzten zwei Jahren hatten einige junge Bands eine Musikform geschaffen, die – nach den damaligen Maßstäben – an Lautstärke, Tempo und „Brutalität“ nicht zu überbieten schien. Zum Stil gehörte es auch, dass sich die Musiker mit starken, wiedererkennbaren Images umgaben. Das reichte vom Logo über die Lyrics bis zur brutal lauten Bühnen-Show. Und Saxon waren DIE Band der NWoBHM. Noch war die lange und fruchtbare Karriere von Iron Maiden nicht abzusehen, und dass der proletarische Fantasy-Metal der Band mit dem Streitaxt-S bald von etlichen jüngeren, härteren Bands übertroffen werden würde, schien noch undenkbar. 1979 hatte die Band, die sich erst ganz punk-gerecht Son of a Bitch genannt hatte, eines der ersten Debütalben des neuen Metal-Trends gemacht, das aber noch ziemlich unausgereift klang. Aber zwischen ’80 und ’81 kamen dann hintereinander drei Klassiker der NwoBHM (Wheels of Steel und Strong Arm of the Law und dieses hier), die ihnen tatsächlich wochenlange Charts-Aufenthalte und enorme Popularität einbrachten. Dass Denim and Leather der Abschluss der Erfolgs-Trilogie sein würde, dass die Band dann von Iron Maiden und anderen Bands überholt wurde, war noch nicht abzusehen. Die Sachsen hatten mit Biff Byford ein Bühnentier mit wiedererkennbarer, kehliger Stimme als Frontmann, und auch bei ihnen waren die Gitarren von Paul Quinn und Graham Oliver der Traum jedes Luft-Gitarren-Helden. Dass sie auf Denim and Leather mit „Princess of the Night“, „And the Bands Played On“ und dem epischen Titeltrack Hymnen des Metal an Bord hatten, macht das Album auch heute noch mindestens zum im Metal so wichtigen „Kult“. Ihre Musik klingt heute neben Metallica zahm, aber immerhin sind Saxon auch auf diesem Album immer noch nah an ihren Kollegen Motörhead und – wenn sie komplexer werden – auch an Iron Maiden. Dass sie danach versuchten, mit clearnerem Sound den US-Markt zu erobern, hat ihnen das Genick gebrochen. Immerhin aber gibt es sie im Jahr 2020 immer noch. Die drei Alen von ’80 und ’81 sind tolle, archetypische New Wave of British Heavy Metal…

Tygers of Pan Tang
Spellbound

(MCA, 1981)

Artwork – Noel Johnson

Die Tygers of Pan Tang (benannt nach den Tieren, die sich die Magiere der Insel Pan Tang in Michael Moorcock’s Elric-Fantasy-Saga als Haustiere halten…) sind zu Beginn der Achtziger ernsthafte Konkurrenz für Iron Maiden. Sie haben eine ähnliche Entwicklung hinter sich, haben das gleiche Publikum, teilen sich die Fans und spielen in den selben Clubs. Mit Wild Cat hatten sie ’80 ein Debüt hingelegt, das ähnlich erfolgreich war wie Iron Maiden. Sie holten sich (wie Iron Maiden) mit John Sykes einen zweiten – hervorragenden – Gitarristen dazu, bekamen Krach mit ihrem Sänger und fanden mit John Deverill schnell einen hervorragenden Ersatz. Ihr zweites Album Spellbound wurde zum Höhepunkt ihrer Diskografie. Man stelle sich Iron Maidenr ’81 mit einem Sänger vor, der nicht ganz so tief im Punk verwurzelt ist – mit einem echten Metal-Shouter also. Dazu kommt, dass die Songs der Tygers of Pan Tang nicht von einem Bassisten geschrieben werden, der einen Hang zum Progressive Rock hat, sondern von der kompletten Band. Spellbound hat zwar manchmal eine ganze Portion Theatralik – man höre nur „Mirror“ – aber die Komplexität von Iron Maiden wollten die Tygers nicht erreichen. Dafür ist dieses Album schön aggressiv, die Gitarrenparts von Bandgründer Robb Weir und Sykes dürften jedem Metal-Fan Freudentränen in die Augen getrieben haben und mit „Hellbound“ ist mindestens ein Song dabei, der auch Iron Maiden gut gestanden hätte. Spellbound ist sehr „typisch“ NWoBHM – und hat damit das Problem all dieser Alben aus den frühen 80ern: Es klingt inzwischen im Vergleich zu Generationen von härteren, schnelleren, besserern Metal-Bands etwas altbacken. Dazu kommt, dass die Tygers of Pan Tang im selben Jahr noch mit Crazy Nights einen weit schwächeren Nachfolger hinterher schoben (den ich hiermit ignoriere) und dann durch Vertrags-Querelen und internen Streitereien den Anschluss verloren. Immerhin existiert auch diese Band sogar heute noch (2020). Und John Sykes, der ndanach u-a- bei Thin Lizzy und Whitesnake spielte, gilt als einer der ganz großen Metal Gitarristen.

Girlschool
Hit and Run

(Bronze, 1981)

Illustration – Alan Daniels

Und jetzt: Frauen im Metal. Das kommt bis heute kaum vor – und die Band Girlschool ist eine der ganz großen Ausnahmen. Das Quartett war ’78 in London entstanden – und ich bin mir sicher, dass auch bei ihrer Entstehung die Befreiung durch Punk eine Rolle gespielt hat. Nicht dass Punk eine feministische Bewegung gewesen wäre – aber der Grundsatz, dass JEDER Musik machen konnte, hat vielen jungen Frauen in dieser Zeit neue Wege eröffnte. Dass Girlschool aus der Schülerinnen-Band Painted Lady entstanden, sich nach einigen Besetzungs- und einem Namens-wechsel zu einer Live Attraktion in den entsprechenden Londoner Clubs entwickelten, ist dann wiederum ein Verlauf, der auch bei hunderten von männlich besetzten Bands völlig normal ist. Girlschool hatten gerade wegen ihre beachtlichen Live-Reputation, wegen ihres beachtlichen Könnens und ihrer Wucht einen Exoten-Bonus, der fragwürdig ist. Dass sie damals tatsächlch von Teilen der Presse nicht wirklich ernst genommen wurden, ist typisch und zugleich ärgerlich. Erst mit der EP St. Valentine’s Day Massacre – gemeinsam mit Motörhead – wurden die Urteile milder. Dabei hatten die Musikerinnen die Unterstützung der Pioniere nicht nötig. Hit and Run – das zwei Monate nach der EP veröffentlichte zweite Studio-Album – zeigt vier Musikerinnen, die sich problrmlos mit Motörhead’s unbändiger Kraft messen können. Sie sind nicht ganz so nah am Rock’n’Roll, wobei „Watch Your Step“ mit Lemmy’s Gegröhle schon sehr nah an dessen wunderbare Parolen käme. Die Gitarren-Leads von Kelly Johnson sind effektiv und einfallsreich. Und die Rhythmus-Maschine, die Enid Williams (b, voc) und Denise Dufort (dr) anwarfen, hatte die gleiche Kraft, die man auch bei Motörhead so bewunderte. Tatsächlich war wohl nur der Gesang einer Frau (meist Williams, manchmal Johnson) in diesem musikalischen Umfeld ungewohnt. Hit and Run ist ein kraftvolles Album mit einigen sehr guten Songs, das perfekt in seine Zeit passt. Irgendwo neben Motörhead und Saxon. Der „Exotenstatus“ von Girlschool ist dumm – aber Tatsache ist: So etwas hatte es schlicht noch nicht gegeben…

Venom
Welcome to Hell

(Neat, 1981)

Artwork – Magda. Designer bei Neat Rec.

Etliche New Wave Bands sind nach dem Erweckungs-Erlebnis“ Sex Pistols Konzert“ entstanden. Nun – Die Band Venom kam zustande, nachdem sich Jeffrey Dunn aka Mantas (g) und Anthony Bray aka Abaddon (dr) bei einem Judas Priest Konzert getroffen hatten. Sie gründeten nach IHREM Erweckungserlebnis Venom und nach ein paar Besetzungswechseln fanden sie mit Conrad Lant aka Cronos einen passenden Schreihals. Und mit einem Konzept um die Elemente Punk, Primitivität und – damals völlig unerhört – aus Büchern angelerntem Satanismus wurden sie zu einem erschütternden Ereignis, wie es bis dato nicht existiert hatte. Black Sabbath hatten auch schon Teufelszeug gemacht – aber Venom waren in all ihren Entäußerungen um einiges eindeutiger und böser. Das Cover ihres Debütalbums Welcome to Hell ist da beredtes Zeugnis. Angeblich gingen die drei in der Annahme ins Studio, ein Demo aufzunehmen. Aber die primitive Produktion schadet nicht – sie passt eher zu dem Image, das nachgeborene Stanisten „ihrer“ Musik gerne geben: Primitiv, unkommerziell, wild. Dabei wollten diese drei Musiker nach eigenen Aussagen einfach nur schnellen, dreckigen Rock’n’Roll mit einem besonderen Image spielen. Ihre Songs sind schlicht – wurden aber mit gewaltiger Kraft und in aberwitzigem Tempo gespielt. Da war keine Zeit für „Soli“ oder komplexe Breaks – sie spielten im Grunde Thrash-Metal in seiner Urform – ohne die Verzierungen, die demnächst Bands wie Slayer und Metallica herausmeißeln würden. Nun-Venom hatten keine „Vorbilder“, denen sie nachahmen konnten – sie stellten „nur“ Elemente zusammen, die ihnen passend erschienen. Und wie so oft – für zwei bis drei Alben machte das Sinn. Auf Welcome to Hell sind es der Opener „Sons of Satan“ (!) und Speed-Hymnen wie „Red Light Fever“, „Live Like An Angel“ und das ein bisschen alberne „Poison“, die beeindrucken. „A Thousand Days In Sodom“ wiederum ist fast komplex und das rotz-schleudernde „Angel Dust“ ist pures Chaos. Man kann das schwache Songwriting bemängeln, die dumpfe Produktion verlachen, das Image als aufgesetzt bezeichnen – aber ganze Schulklassen mit 14-16-jährigen waren beeindruckt… und bauten ihre kommende musikalische Karriere unter anderem hierauf auf. Sowas nennt man dann wohl „einflussreich“. Und das nächste Album hieß Black Metal

NWOBHM x 10

Die zehn wichtigsten Alben der New Wave of British Heavy Metal überschneiden sich gezwungenermaßen mit den 10 wichtigsten Heavy Metal Alben aus dem entsprechenden Artikel 1980. Die stilistische Bandbreite dieses „Genre’s“ ist wie beschrieben sehr breit, erfasst sozusgen Alles, was das United Kingdom zu Beginn der Achtziger an Metal zu bieten hat. Wie immer gilt auch bei diesen zehn Alben hier – jeder mag sich andere Alben aussuchen, ich aber empfehle diese zehn… heute. Könnten morgen anders aussehen. Immerhin sind die zehn folgenden Alben meiner Meinung nach allesamt sehr hörenswert.

Iron Maiden – s/t (1980) – Dieses Album tritt die Veröfentlichungs Lawine des NWoBHM los

Diamond Head – Lightning to the Nations (1980) – Dieses Album hätte das Gleiche gemacht, hätten Managament und Plattenfirma nicht versagt

Angel Witch – s/t (1980) – … das gilt auch für dieses Album

Saxon – Strong Arm of the Law (1980) – NWOBHM kann auch schlicht sein

Venom – Welcome to Hell (1981) – Auch Proto-Black Metal Getrümmer ist NWOBHM

Girlschool – Hit and Run (1981) – Eines der besten Metal Alben, das von Frauen eingespielt wurde

Iron Maiden – Number of the Beast (1982) – Heavy Metal aka NWOBHM wie ich ihn mag -at its best…

Tank – Filth Hounds of Hades (1982) – Großartiger, schmutziger NWOBHM aus Punk, Motörhead und Rotz.

Witchfinder General – Death Penalty (1982) – … wie gesagt: NWOBHM kann auch Doom sein…

Satan – Court in the Act (1983) – Die kamen leider ein bisschen zu spät mit ihrem Album um das N in NWOBHM zu erhalten. Verdient hätten sie es…