1965 – Them bis The Missing Links – Bands in der zweiten Reihe ?

Es ist unfair. Man hat die „großen“ Bands/Musiker aus der Mitte der Sechziger – die Beatles, die Stones oder Dylan und die Byrds – im Gedächtnis, weil bei ihnen neben großem Talent auch Glück, ein schlaues Management und die damalige – auch die heutige – Musikpresse beim Hype zusammenwirkten.

Und wer ein bisschen tiefer schaut/hört, weiss, dass es Mitte der Sechziger etliche Bands und Musiker gab, die genauso viel Glück verdient hätten, denen aber aus verschiedenen Gründen nicht mehr vergönnt war, als einen kurzzeitiger Erfolg mit Hitsingle und ein paar eilig zusammengeschusterten Alben. Die aber dann mangels Promotion, wegen schlechter Vertriebswege, wegen bandinterner Querelen oder unfähigem Management auf Grund liefen. Bei denen einer oder sogar mehrere der Hype-Booster ausgefallen sind. Nun – gerade diese Bands und ihre Alben sind einer der Gründe für dieses Kapitel, Tatsächlich gelten Mitte der 60er Bands wie die Lovin‘ Spoonful oder die Beau Brummels als Singles-Produzenten, als Nutznießer der British Invasion, bei denen man das „Album“ nicht beachten muss. Manging davon aus, dass sie nicht das Material hätten, um sich auf das Medium „Album“ einzustellen. Dieser Mangel erweist sich in der Zeit als Nachteil, in der das Interesse der (jungen) Hörerschaft allmählich von der Single auf das Album-Format umschwenkt. Das gilt sowohl bei den Alben von Bands aus den USA, als auch bei etlichen Bands aus dem UK. Manche werden im Laufe der kommenden Jahre noch das Album-Format erobern (The Who mit ihren Konzept-Alben oder die glücklosen Zombies mit ihrem ’68er Psychedelic Klassiker), andere bleiben – zumindest in den Ohren des musik-hörenden Publikums – Singles-Bands (The Kinks zum Beispiel… sehr zu Unrecht, denn sie machten den Schritt Richtung Psychedelic auf ihre Art mit…) wieder andere lösen sich in den kommenden Monaten auf und ihre Mitglieder machen erfolgreiche Solo-Karrieren: (Them/Van Morrison, Yardbirds/Eric Clapton bzw. Led Zeppelin – eine DER Album-Bands der Siebziger). Die Alben hier sind somit auch auf den Speicher der Rock-Geschichte geschobene Wiegen der Rock-Prominenz der Siebziger. Hier sieht man, was ich im „Leitartikel“ für 1965 geschrieben habe: Ab der Mitte der Sechziger wird das komplette, ausgearbeitete Album zum Garant für dauerhaften Erfolg. Wer sich den Spaß erlaubt, sich die Alben hier unten anzuhören – die oft für den US- und den UK-Markt unterschiedlich zusammengestellt wurden – wird feststellen, dass sie neben den Singles doch noch manch anderes Highlight dabei haben. Und man hört, wie manche Band auf ihrem zweiten ’65er Alben der Schritt Richtung Psychedelic machen – in Richtung der Musik, die für das „Album“ geschaffen ist.

The Sonics – Here Are The Sonics!!!
(Etiquette, 1965)

…hier folgen nun einige Alben, die dem Debüt der Sonics den Platzt im Hauptartikel 1965 streitig machen könnten. Aber Here Are The Sonics!!! ist in seiner extremen Haltung einfach einen Schritt weiter, als z.B…..

Them
The „Angry“ Young Them

(Decca, 1965)

Dieses Cover! Diese Frisuren! Und in der Mitte… der junge George Ivan Morrison, mit Ivanhoe-Frisur und so etwas wie einem leichten Lächeln um die Lippen. Ich vermute, 1965 war das sogar cool. Und dass die Fünf sich auf dem Back-Cover als „wütende“ Burschen bezeichneten, machte das alles sogar „gefährlich“. Aber genug der Albernheiten. The „Angry“ Young Them ist ein ganz großes Rhythm’n’Blues Album. Denn hier ist alles angelegt, was die Stones in der gleichen Zeit zu Stars werden ließ. Und mit Van Morrison brennt hier ein Sänger und Songwriter, der allein schon durch seine Egozentrik verhindert haben mag, dass den Stones mit diesen Jungs aus Belfast echte Konkurrenz erwuchs. Sie hatten ’64 mit zwei Singles reüssiert, die natürlich nicht auf dem Album enthalten sind („Baby Please Don‘t Go „ und „Here Comes The Night“) – immerhin wurde die B-Seite „Gloria“ auf das Album genommen – ein legendärer Song, den etwa Patti Smith dereinst auf Horses zitieren würde. Ein Ausbruch von Leidenschaft, der bis heute seinesgleichen sucht. Überhaupt – Van Morrison bewies hier mit seinen gerade 19 Jahren, was für ein aussergewöhnlicher Sänger und Songwriter er war. Der Opener „Mystic Eyes“ ist unfassbar. Zeitlos. Kann sich mit allem messen, was die Stones oder Animals damals boten – und das waren in dieser Zeit meist Cover-Songs!! Auch Them konnten Cover-Versionen – „Bright Lights, Big City“ oder „Route 66“ sind kraftvoll und wild. Die Band war enorm tight und Van Morrisons Gesang erinnert manchmal noch an den jungen Jagger – aber sein Ausdruck und die schiere Leidenschaft übertrifft Jagger’s Coolness. Dennoch blieb der Erfolg übersichtlich, die Band -vor Allem ihr Kopf – war wie angedeutet als arrogant verschrien und es gab seinerzeit in England starke anti-irische Ressentiments (!), Them machten mit Them Again noch ein zweites, fast genauso gutes Album, aber dann ging Van Morrison in die USA und startete eine Solo-Karriere voller wunderbarer Alben. Er IST einer der besten Sänger seiner Generation, ein weisser Blues-Sänger, der auch von schwarzen Musikern anerkannt wird. Und ein Hinweis: Die gänzlich verschütt gegangenen Alben von Them nach Van Morrison’s Weggang sind tatsächlich auch hörenswert. Sollte man sich mal mit beschäftigen… The „Angry“ Young Them bleibt wie gesagt bestehen als eine der besten Rhythm’n’Blues LP‘s der Sechziger.

The Animals
Animal Tracks (UK Version)

(Columbia, 1965)

The Animals – Animal Tracks
(US Version – MGM, 1965)

Und hier die nächste Konkurrenz zu den Stones, Them, den Kinks, den Beatles…? Na ja, zu Letzteren musikalisch eher nicht. Die Animals hatten nach einem Welthit („House of the Rising Sun“) das Image von Teen-Stars, die als besonders wild und „animalisch“ galten. Und bei Ihnen wurde die Idee vom durchkonzipierten „Album“ dementsprechend völlig ausser Acht gelassen. So war Animal Tracks – das dritte Album der Band im UK und den USA – wieder eine Ansammlung von Tracks, die schnell eingespielt worden waren. Das Album hatte in Europa/UK ein völlig anderes Tracklisting als in den USA. Auf der US-Version sind die Single-Hits mit Tracks vom 64er-Debüt und zwei Tracks der britischen Version von Animal Tracks gekoppelt. Ein komplett anderes Paket also, als die UK-Version. Auf der wurden die Singles nicht mehr zweit-verwertet. Dafür bekam man 10 Cover-Versionen von Soul- R’n’B und Blues Standards, sowie einen Track, den der formidable Eric Burdon selber geschrieben hatte. Der war es auch, der dieser Band ihr Profil verlieh. Seine Stimme hielt die Band zusammen, er war die einzige ernsthafte Konkurrenz für Jagger und Van Morrison. Seine Stimme macht Tracks wie Ray Charles‘ „Hallelujah, I Love Her So“ oder den alten „Worried Life Blues“ zu Animal Tracks. Neben ihm spielte auch Keyboarder Alan Price eine gewichtige Rolle im Sound dieser ersten Animals-Besetzung. Price hatte den oben genannten Welthit arrangiert, seine spülende Orgel, sein flinkes Piano-Spiel, sein Sound war so wichtig, wie Burdon’s Stimme – aber ohne Burdon wäre die Band nicht wiedererkennbar gewesen – ohne Price allerdings ging es auch bergab. Der verließ die Band nämlich noch im Frühjahr ’65 – u.a. weil er weltweites Touren wegen seiner Flugangst vermeiden wollte. Das Album ist sicher gut, diese Jungs wussten, was sie taten, aber die Kraft der Live-Auftritte konnte Producer Mickie Most nicht einfangen. So zerbrach die Band nach einem weiteren Album ohne Price im Jahr ’66. Burdon ging in die USA, um dort erst einmal recht erfolgreich den aufkommenden Psychedelic Rock mitzugestalten. Lies dazu im Artikel 1967 – Monterey… und 1968 – die Ernte des Summer of Love

The Zombies
Begin Here

(Decca, 1965)

Cover der US-Version

In der Tat. Hier fingen sie an, die Zombies. Eine Band, deren Talente leider noch vor dem Dekaden-Wechsel im Strudel von Business und Pop-Moden unterging. Eine Band, die 1968 mit Odessey & Oracle – dem Nachfolger zum Debüt Begin Here – einen britischen Psychedelic Klassiker hinterließ. Die Zombies waren mit zwei fähigen Songwritern gesegnet – von denen vor Allem Rod Argent hervorstach. Er hatte mit „She’s Not There“ einen der großen Hits der Mitt-60er geschrieben, die Band war – wie etliche andere – im Gefolge der Beatlemania in die USA geschickt worden, hatte dem ersten Hit diverse EP’s und Singles folgen lassen, die recht erfolgreich waren, und hatte erst mal etwas Erfolg auf beiden Seiten des Atlantik. Und auch bei Ihnen wurde die US-Version des Debütalbums – das dort nur The Zombies hieß – mit etlichen anderen Tracks veröffentlicht. Der Hit „She’s Not There“ ist auf beiden Versionen dabei, das ebenso tolle „Tell Her No“ war nur auf der US-Version enthalten. So sollte man vielleicht nach einer CD-Version mit Extra-Tracks suchen, um in den vollen Genuss zu kommen. Die Zombies waren nicht blues-infiziert, hatten mit Colin Blunstone einen hervorragenden Sänger, der aber keine Soul-Stimme hatte. Sie waren „härter“ als die Beatles, aber nicht so wild wie die Animals, die Stones, Them oder gar die Pretty Things. Sie waren in etwa so nett (und intelligent), wie man es vom Cover-Foto annehmen mochte. Rod Argent’s Keyboard-Spiel prägte den Sound, die eigenen Songs waren schlau, weit weg von Blues und Soul, klingen bis heute erstaunlich modern. Um so seltsamer, dass auf Begin Here zuerst einmal einige R’n’B Standards abgehandelt wurden. Die waren definitiv nicht die Stärke dieser Band. Bald verlor die Band den Spaß, Beat wurde von Psychedelic Rock abgelöst, die Plattenfirma hatte keine Lust mehr, sich zu enagieren und der oben genannten ’68er Klassiker Odessey & Oracle entstand als tragische Mischung aus missachteten Talenten, Trotz-Reaktion und Zufall. Nebenbei: Den Bandnamen konnte Colin Blunstone damals angeblich nicht zuordnen. Zombies waren noch nicht im Bewusstsein dieser TV-Generation angekommen…

The Sorrows
Take a Heart

(Piccadilly, 1965)

…die hier sind noch vergessener als The Zombies. Was daran liegt, dass The Sorrows nach ihrem Debüt auseinander fielen, dass sie den Trend Richtung Psychedelik also nicht mitmachten -und weil sie auch keinen großen Hit hatten. Dabei kann ihr Debüt Take a Heart mit den hier beschriebenen Alben durchaus mithalten. Was die Energie angeht, waren die Fünf um den Bandgründer Philip Whitcher sogar auf der gleichen Etage unterwegs, wie The Who oder die US-Wahnsinnigen Sonics. Der Bezug zu The Who passt hier in vieler Hinsicht. Die Sorrows gelten als Paradebeispiel für den Mod-Sound – der sich zwar bald überleben würde, den The Who aber durch Pete Townshend’s Songwriting-Talent und Größenwahnsinn problemloser hinter sich lassen konnten. Der Titelsong des Albums ist ein unheimliches Stück Rockmusik mit irrem Gitarrensolo und Urwald-Trommeln. „No No No“ ist schneller Beat, ernsthafter als die Beatles, weniger nett – und damit ein wunderbarer Mod-Song, der durch ein seltsames Donald Duck Zwischenspiel verliert. Songs wie „Teenage Letter“ und „Baby“ sind kraftvoll, eigenständig – aber zuletzt fehlte der Band das Quentchen Glück und das ganz große Talent. Energie und ein eigenständiger Sound allein reichten damals genauso wenig wie heute.

The Who
My Generation

(Brunswick, 1965)

Eigentlich wiederholt sich das hier… Das Debüt von The Who war eine – zugegebenermaßen etwas ausgefeiltere – Compilation um den Hit „My Generation“. Aber The Who waren von Anfang an speziell. Im Style, in den Aussagen, die noch etwas deutlicher waren, als die der Konkurrenz: „People try to put us down just because we get around. Things they do look awful cold I hope I die before I get old. This is my generation. Why don’t you all fade away and don’t try to dig what we all say. I’m not trying to cause a big sensation I’m just talking about my generation“ … Und nicht zu vergessen – sie hatten schon zu dieser Zeit sehr ausgefeilte Songs. Pete Townshend hatte Ideen, um die ihn die Kollegen nur beneiden konnten. Die beiden ersten Hits „I Can’t Explain“ und ‚I’m a Boy“ kamen in schöner britischer Tradition nicht auf My Generation, der großartige Opener für Seite 2 der LP – „The Kids Are Alright“ – wurde erst ein Jahr später als Single veröffentlicht. Und mit „The Good’s Gone“, „A Legal Matter“, Much Too Much“ und dem Maximum R’n’B Jam „The Ox“ sind weitere Perlen der 60ies Rockmusik auf diesem Debüt. Dass sie sich vergeblich an James Brown’s „I Don’t Mind“ versuchen, ist verzeihlich, denn selbst da brennt diese Band. Pete Townshend’s Gitarrenchrods bersten vor Energie, Bass und Drums stehen dem in Nichts nach – und selbst die lieblose Produktion kann die Power dieser Band nicht verbergen. Hier begann eine Legende, die in diesem Jahr zwar noch kein „Album“ ausarbeiten durfte, bei der aber – wie die Kinks auf ihrer Kontroversy – ein durchaus befriedigendes Album herauskam. Wie gesagt – auch solche Alben haben ihren Reiz, sind sogar großartig – und machen klar, warum The Who (oder auch The Kinks) in ein paar Monaten „Klassiker“ liefern konnten.

The Kinks
Kinda Kinks

(Pye, 1965)

Gerade mal sechs Monate waren vergangen, seit die Kinks ihr Debütalbum incl. des ewigen Hits „You Really Got Me“ und seines genauso harten Nachfolgers „All Day and All of the Night“ herausgebracht hatten. Pye Records schickte sie im Anschluss auf Tour und verfrachteten sie nach der Rückkehr aus Australien ohne Umwege Ende ’64 ins Studio um das zweite Album aufzunehmen. Man hatte keine Zeit – Ray Davies war schon 21, das Management nahm an, die beste Zeit für ihn als Teen-Schwarm wäre schon vorbei – und als Teen-Band sah man auch die Kinks an. Ray wurde aufgefordert, die Songs selber zu schreiben und die Produktion nahm nur ein paar Tage in Anspruch. Keine erfreulichen Bedingungen – aber Ray Davies hatte durch den Erfolg Selbstbewusstsein getankt. Er übernahm die Führung in der Band, Bruder Dave schrieb nur noch hier und da mit – und so besteht Kinda Kinks aus neun Ray-Songs, einem mit dem Bruder gemeinsam geschriebenen Track und zwei etwas lustlosen Cover-Versionen. Ray Davies meinte später, ihm würden sich beim Anhören des Albums die Zehennägel aufrollen. Aber die lieblose Produktion von Shel Talmy kann letztlich die Qualität seiner Songs nicht verdecken. „Tired of Waiting“ mag auf dem gleichen Riff wie „You Really Got Me“ beruhen, aber die Kinks wollten definitiv mehr sein, als eine schlichte Rhythm’n’Blues Kapelle mit zu lauten Gitarren. Bei „You Shouldn’t Be Sad“ bewegten sie sich gar in Beatles-Balladen Gefilden… auf deren Niveau. Ray Davies probierte in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit einiges aus. Kinda Kinks ist trotz des Stresses ein erstaunlich gelungenes, wenn auch etwas verwackeltes Album – mit einem schrecklichen Cover. Der zweite Schritt kam also zu schnell, aber so wurden in dieser Zeit Karrieren von Plattenfirmen vorangeprügelt, die die Bedeutung des „Albums“ noch nicht begriffen hatten.

The Kinks
The Kink Kontroversy

(Pye, 1965)

Und wie sich zeigen sollte, war der inzwischen unumstrittene Boss Ray Davies weitsichtiger als Plattenfirma und Manager. Der Mann hatte einen Plan, ein Konzept. Und das kam beim dritten regulären Kinks-Album endlich zum tragen. The Kink Kontroversy steht auf einem Niveau mit den zeitgleichen Alben der Beatles und Stones. Ja – ich behaupte, es ist so gelungen wie das fast zeitgleich – aber mit weit größerem Budget – aufgenommene Rubber Soul. Ray Davies war ein Songwriter, dem haufenweise wunderbare Melodien einfielen. Einer, der alle Sparten von hartem R’n’B über Folk und Blues bis Beat und Pop nutzte, um seine scharfsichtigen Beschreibungen des Lebens im UK zu untermalen. Dazu der Hinweis, dass sie noch vor diesem Album auf der 4-Track EP Kwyet Kinks mit „A Well Respected Man“ einen dieser unnachahmlichen Ray Davies Hits incl. ausgefeilter britishness herausgebracht hatten. Ihr drittes Album starteten sie mit einem Blick zurück auf die harten R’n’B Hits. „Milk Cow Blues“von Sleepy John Estes kam mit der bekannten Härte daher, aber schon bei „Ring the Bells“ erklang die Akustik-Gitarre zu leichtem Baroque-Pop. „’til the End of the Day“ hatte die Wucht der alten Hits, klang aber zugleich sophistcated. Dave Davies trug mit „I Am Free“ einen der besten Songs seiner Karriere bei. Es gab üppigen Phil Spector Pop mit „The World Keeps Going Round“… man kann die Tracklist durchgehen und findet fast nur Perlen der Songwriter Kunst. Erstaunlich, dass die beiden Brüder sich ausgepumpt gefühlt haben sollen. Man merkt es nicht. Tatsächlich ist dies das erste große Album der Kinks. Danach folgten in einer Reihe drei Klassiker der britischen Popmusik. Aber über Face to Face, Something Else und The Village Green Preservation Society mehr in den Haptartikeln ’66, ’67 und’68. Und dann noch Folgendes: Das Album-Cover ist erstmals ordentlich designed. So gut, dass Sleater-Kinney es 32 Jahre später für ihr famoses Album Dig Me Out 1:1 zitieren.

The Yardbirds
For Your Love

(Epic, 1965)

Hier wird es jetzt unübersichlich, wenn man sich am „Album“ als Kunstform orientiert. Die Yardbirds hatten ’64 mit ihrem Live-Debütalbum Five Live Yardbirds den Stones harte Konkurrenz gemacht, hatten die Tatsache, dass Singles das bevorzugte Format waren mit dieser LP klug umschifft. Anfang ’65 passierten dann ein paar Dinge, die Alles durcheinanderwirbelten. Ihr Manager wollte, dass auch seine Schützlinge von der Beatlemania in den USA profitierten und ließ sie eine Single vom jungen Pop-Songwriter-Talent Graham Gouldman aufnehmen. Auf „For Your Love“ spielte der kommende Gitarren-Gott Eric Clapton Clapton noch mit, aber er war mit dem Pop-Kurs der Band unzufrieden und verließ die Band im März – um sofort vom Wunderkind Jeff Beck ersetzt zu werden, mit dem die Band dann im Gefolge des Hits schnell auf Tour in die USA geschickt wurde. Zuvor wurde für den US Markt noch die LP For Your Love zusammengebaut. Aus 3 Tracks, bei denen Jeff Beck schon mitgemacht hatte, drei Singles + B-Seiten und ein paar Demo’s. Kein Konzept, eine Resterampe, bei der aber eben auch die Hits dabei waren, „I Wish You Would“ und das unverwüstliche „Good Morning Little School Girl“ zeigen, wie gut Clapton zu der Zeit war. For Your Love ist eine Compilation, die nicht einmal in England oder Europa erschien. Und die zeigt, was der Band fehlt (ein klarer Stil, ein guter Sänger) – und was sie konnte (Gitarren, Blues, Power).

The Yardbirds
Having a Rave Up

(Epic, 1965)

Und um das Maß voll zu machen wurde dann im November mit Having a Rave Up eine weitere Compilation – wieder nur für die USA – zusammengestellt. Jetzt wurden auch noch ein paar Songs von Five Live Yardbirds auf die zweite LP-Seite gepackt – weil diese LP nie in den USA herauskam – sowie weitere Singles + B-Seiten und ein paar neue Tracks auf der A-Seite mit Jeff Beck statt Clapton. Wieder waren also beide Gitarristen zu hören. Wieder waren mit „Evil Hearted You“ und „Heart Full of Soul“ zwei Graham Gouldman-Songs dabei, die das Blues Korsett sprengten. Und wieder waren diese Tracks sehr gelungen. Die Yardbirds hätte meiner Meinung nach weit mehr gekonnt, wenn ihr Manager sie nicht so dumm bevormundet und schnell verbrannt hätte. Man sieht auf der ersten LP-Seite, wie geschickt die Yardbirds sich vom Blues in den angesagten Psychedelic Rock zu drehen vermochten. Selbst die wenig beeindruckenden Vocals von Keith Relf sind da akzeptabel. Man kann sich den Versuch, etwas konziser am „Album“ zu arbeiten, auf dem Nachfolger anhören. Der hieß dann entweder Roger the Engineer oder Yardbirds oder Over Under Sideways Down… und hatte je nach Land unterschiedliche Tracklistings. Die Veröffentlichunspolitik würde sich also auch ’66 nicht bessern. Beide hier beschriebenen Alben zeigen immerhin, was für einen wunderbaren Lärm man schon ’65 mit E-Gitarren machen konnte. Die Yardbirds waren Proto-Metal, Und daß demnächst mit Jimmy Page der kommende Led Zeppelin Boss zu ihnen stieß, daß diese Institution des Hard Rock aus den Yardbirds hervorging, soll hier feierlich enthüllt werden.

The Pretty Things
s/t

(Fontana, 1965)

Hier die nächste Band, die in diesen Jahren hoffnungsvoll startete, aber im Laufe der kommenden Jahre trotz Können, Stil etc. nie den Status erreichte, den andere, vergleichbare Bands bis heute haben – in diesem Fall muss man die Rolling Stones nennen. Dick Taylor, der Gitarrist der Pretty Things (die sich nach einem Song von Willy Dixon benannten) hatte die Stones mit begründet. Aber er war ein Gitarrist zu viel – er verließ die junge Band noch ’62, ging zurück an die Kusthochschule und traf dort den Sänger, Harp-Spieler und Blues-Verrückten Phil May, der ihn überredete, eine neue Band zu versuchen. Der Beginn der Karriere ließ sich gut an: Das Debüt The Pretty Things hatte Stil, sie coverten – wie die Stones – R’n’B-Klassiker von Bo Diddley bis Jimmy Reed – und sie machten das genauso gut, wie ihre Kollegen. Sie hatten eigene Songs, sie hatten Hits, sie hatten ein Image, das sogar noch ein bisschen wilder war, als das der Stones – insbesondere Drummer Viv Prince gab gerne den wilden Mann und Phil May hatte angeblich die längsten Haare – damals ein Skandal. Der Sound ihres Debüt’s mag dünn sein – aber das hat seinen Reiz. Diese Band war purer R’n’B, purer noch als die Stones, ihre Versionen der Klassiker klangen wie eigene Songs – was aber auch dazu führt, dass The Pretty Things ein bisschen eintönig ist. Bei dieser Band muss man genauer hinhören, dann bemerkt man, mit welchem Talent diese knapp 20-jährigen gesegnet waren.

The Pretty Things
Get The Picture?

(Fontana, 1965)

Einem Talent, das man auf dem ein paar Monate später aufgenommenen zweiten Album Get the Picture? erblühen sah. Die Band war vor den Aufnahmen nach Neuseeland auf Tour geschickt worden – was nicht so schlau war, weil sie so nicht die British Invasion in den USA mitmachten – sie hatten in der Zwischenzeit ein paar neue Hits geschrieben, eine paar der im UK üblichen EP’s veröffentlicht, und vergrößerten für die neue LP das stilistische Spektrum. Man kann auf dieser LP beobachten, in welchem Tempo der reine R’n’B sich in psychedelische Gefilde verschob. Nun wurde mit Fuzz-Gitarren, mit mehr Soul und mehr Echo gespielt, der klare, dünne Sound des Debüt’s wurde sozusagen aufgedickt. Beim Opener „You Don’t Believe Me“ machte Jimmy Page mit – damals ein beliebter Session-Mann, die Songs der 1-LP Seite sind durchweg selbstverfasst – und sprengen die Grenzen des Blues mit Wucht. Man muss bedenken, dass sie – wie so viele britische Bands – auf Get the Picture? ihre Hits aussen vor ließen: „L.S.D.“ oder „Midnight to Six Man“ sind nicht auf dem Album, wurden auf diverse EP’s verteilt (…was ich ärgerlich finde…) Aber diese zweite 65er LP ist – wie bei den Kinks – um eine ganze Klasse besser. Hat noch mehr Stil. Und die 2. LP-Seite zeigt, dass sie immer noch Blues-Standards konnten, dass sie aber auch die in ein neues Gewand kleiden konnten. Danach ging es schnell weiter. Zwar war Drummer Viv Prince bald weg, der Bassist musste ausgetascht werden, aber das Gespann May/Taylor machte weiter in Richtung Psychedelic Rock – und spätestens das Konzept-Album S.F. Sorrow von ’68 gehört zu den großen, klassischen 60er LP’s. Die Pretty Things sind verkannt. Wie so viele hier. Wie auch…

The Beau Brummels
Introducing

(Autumn, 1965)

Das ist wie so oft gesagt der Sinn der Sache – ich werfe hier das Licht auf eine Band, die eigentlich so gut war, wie die ungleich erfolgreicheren Byrds – die deren Entwicklung sogar vorwegnahm. Eine Band, die innovativ war, genau so gute Songs hatte, die aber einfach das Pech hatte, nicht schnell genug mit Single Hits zu reüssieren – unter anderem weil ihr Label zu klein war. Die Beau Brummels (benannt nach dem britischen Urbild aller Dandy’s) waren das Vehikel von Songwriter und Gitarrist Ron Elliott und Sänger Sal Valentino. Ersterer war schon seit seiner Kindheit ein begeisterter Country-Fan und einfallsreicher Songwriter, Letzterer war ein eher dem Rock’n’Roll zugetaner, mit hervorragender Stimme gesegneter Sänger – allerdings ohne Band. Zusammen hatten sie aus der Not heraus eine gemeinsame Band geformt und direkt mit „Laugh Laugh“ einen landesweiten Hit gelandet, dem sie mit „Just a Little“ einen weiteren folgen ließen. Danach war Schluß mit Hits, das Debüt Introducing the Beau Brummels hat noch etliche – stark an den Sound der British Invasion angelehnte – Songs, die durchaus mit dem Besten der Byrds mithalten können (deren Konzept war eigedenk der Beatlemania schließlich auch kein anderes). Und auch hier hatten insbesondere folkige Stücke wie „They’ll Make You Cry“ schon einen recht eigenen Stil…

The Beau Brummels
Vol. 2

(Autumn, 1965)

…. und das noch im selben Jahr nachgeschobene Album The Beau Brummels Vol.2 war dann weit mehr als reine Pflichterfüllung – es ist auch wieder das bessere Album – Elliott betonte hier die Folk- und Country-Wurzeln seiner Musik, die Band klang wie eine Mischung aus Byrds und Beach Boys – und nicht mehr wie eine von vielen britischen Bands (…für die sie zu Beginn oft gehalten wurden). „I Want You“, „You Tell Me Why“, „Sad Little Girl“ sind früher, fast psychedelisch anmutender Country-Rock. Dass die Band in den kommenden Monaten Probleme dabei hatte, ihren Erfolg dauerhaft zu festigen, war wohl auch darin begründet, dass das Autumn-Label zu klein war und im Folgejahr von Warner aufgekauft wurde. Warner verlangte von der Band im Anschluss ein Album mit Coverversionen aktueller Hits. Unbegreiflich, wenn man Elliott’s Songs hört. Dazu kam, dass dieser aus gesundheitlichen Gründen landesweites touren nicht leisten wollte und konnte. Er litt seit seiner Kindheit an Diabetes und hatte zu Beginn seiner Karriere eigentlich nur eine Gelegenheit gesucht, seine Songs aufzunehmen. Nichtsdestotrotz würden die Beau Brummels 1967 mit Triangle und 1968 mit Bradleys Barn zwei visionäre Countryrock-Alben veröffentlichen – und im Jahr 1975 eines jener seltenen Exemplare von lohnenden Reunion- Alben veröffentlichen. Und da ist noch Ron Elliott’s Solo Album The Candlestickmaker. Aber dazu anderswo und später mehr.

The Lovin‘ Spoonful
Do You Believe In Magic

(Buddha, 1965)

Auch The Lovin‘ Spoonful sind heute eher vergessen, und tatsächlich bietet ihr Sound und die Musik auf diesem Debüt einen sepia-getönten Blick in eine vergangene Zeit. Sie sind mindestens so eindeutig Sixties, wie die Byrds. Mit denen teilten sie seinerzeit allerdings auch den innovativen Geist – nur dass sie den Beatles und der British Invasion zwar dankbar waren, aber ganz klar „amerikanische“ Musik machen wollten. Die beiden Köpfe der Band kamen aus der Greenwich Village Folk Szene, Songwriter John Sebastian hatte Bob Dylan bei den Aufmahmen zu Bringing It All Back Home geholfen – er war ein hervorragender Harp-Player, Gitarrist Zal Yankovski hatte mit den späteren Mama’s & Papa’s Cass Elliott und Denny Doherty in einer Band gespielt. Die beiden taten sich ’64 zusammen und spielten elektrische Folk-Musik – zu einer Zeit mithin, in der dies durchaus gewagt war – mit starken Einflüssen aus Jugband-Musik, mit Rückgriffen auf alte Blues Originale, und vor Allem mit sonnigem Gemüt. Ihr schnell zusammengebautes Debüt Do You Believe in Magic wurde vom aufstrebenden Kama Sutra Label veröffentlicht, nachdem Elektra sie doch nicht haben wollte. Die Songsammlung hat eine fast albern-fröhliche Grundstimmung, und sie zeigt, dass die Band sich in allerlei Stilrichtunge heimisch fühlte, dass sie scharfen Blues (das Instrumental „Night Owl Blues“) genauso draufhatten wie Beach Boys-hafte Harmonien im zeitlosen Titelsong. Das Album bestand noch zur Hälfte aus Traditionals – die allerdings so stark in den Kosmos der Band gerückt worden waren, dass man sie auch als eigene Songs gelten lassen kann. Noch war nicht alles voll ausgereift, die Band würde sich bald ganz auf John Sebastians Songwriter-Skills verlassen können – und etliche Hits haben. Heute Sind die Flamin‘ Groovies eine Band, die insbesondere von Musikern geschätzt wird – REM-Gitarrist Peter Buck nannte sie „…one of America’s most underrated band’s“ und betonte insbesondere Yankovskis innovatives Gitarrenspiel, aber ganz unabhängig davon: Sie machen immer noch Spaß.

The Turtles
It Ain’t Me, Babe

(White Whale, 1965)

Die aus L.A. stammenden Turtles sind auf den ersten Blick auch einfach typische Adepten des angesagten Sound of ’65. Sie hatten ihren ersten Hit mit dem titelgebenden Dylan-Song, sie hatten die ausgefeilten Gesangs-Harmonien, die man seinerzeit auch bei den Byrds finden konnte… und sie waren den Trends gefolgt und hatten sich von einer Surf-Band zu einer Folk-Band verwandelt. Die beiden Bandköpfe und Sänger Howard Kaylan und Mark Volman machten schon seit ’63 gemeinsame Sache. Sie hatten sich kurz The Tyrtles genannt – das Wortspiel aus Byrds und Beatles war für die USA vielleicht etwas ZU ironisch und wurde verworfen … zumal sie definitv mehr waren, als Kopisten. Dylan’s „It Ain’t Me Babe“ wird – wie bei den Byrds –auch von ihnen aus der Folk-Ecke in den puren Jangle-Pop verschoben. Und sie machten das sehr gut, klangen nicht schlechter als die Byrds. Und Howard Kaylan hatte auch ein paar eigene Songs, die zeigten, dass er ein kreativer Kopf war. Der Album Opener „Wanderin‘ Kind“ ist wunderbarer Folk-Rock. Das auch von Kaylan geschrieben „Walk in the Sun“ und vor Allem „Last Laugh“ verweisen schon auf den kommenden Baroque Pop. „Eve of Destruction“ von P.F. Sloan ist unnötig, aber sie covern noch zweimal Dylan auf gute Art – das musste man ’65 in den USA anscheinend machen, wenn man erfolgreich sein wollte. It Ain’t Me Babe ist sicherlich kein durchkonzipiertes Album. Es war wohl auch nicht als solches geplant. Es war ein erster Versuch, bei dem man immerhin die Qualitäten der beiden Bandköpfe erkennen konnte. In den kommenden zwei Jahren würden sie mit ein paar weiteren Hits reüssieren und bald erkannte ein gewisser Frank Zappa die Talente der beiden Bandköpfe – die dann nach dem Ende der Turtles als Flo & Eddie zu dessen Mothers stießen.

The Missing Links
s/t

(Philips, 1965)

Und hier zuletzt mal was für die damalige Zeit exotisches: Die Missing Links kamen aus Sydney, aus Australien. Dort hatte man natürlich auch die Beatles gehört, die Stones, die Pretty Things und die Kinks die sogar auf der anderen Seite der Welt auf Tour waren. Da war es logisch, dass es junge Leute gab, die Beat, R’n’B, Blues – die angesagte Musik ihrer Generation machen wollten. Und die das auch mit Stil konnten. Die Missing Links entstanden ’64, sie hatten einen Single Hit nach dem im Laufe des Jahres ’65 das komplette Personal ausgetausch wurde, um dann in neuer Besetzung das Debüt Album The Missing Links aufzunehmen. Eine etwas seltsame Geschichte, die dem Album nicht im Geringsten schadet. Denn diese neu formierte Band war für ihre Zeit wirklich „wild“. Sie waren für destruktive Bühnen-Auftritte und entsetzliche Frisuren berüchtigt, sie hatten einen Sound, der eher an The Who, The Sonics und dgl. gemahnt, als an die Beatles. Sie ließen Feedback-Orgien los, die es weltweit sonst erst in ein-zwei Jahren geben würde – man höre nur die Single „“Mama, Keep Your Big Mouth Shut“. Und sie hatten neben dem Lärm auch noch einige wirklich gute Songs. „Wild About You“ oder das massive „You’re Drivin‘ Me Insane“ sind Perlen des Garage-Rock. The Who wären froh gewesen über solche Songs… und hätten das nicht wilder und härter hinbekommen. Die Missing Links nahmen – wie The Sonics – den Garage-Rock Sound der kommenden Jahre vorweg, ließen bei „H’tuom Tuhs“ gar die Bänder rückwärts laufen… leider ohne wirklich bemerkt zu werden. Nicht nur weil sie aus Australien kamen, sondern auch weil sie die landesweiten Radiostationen schockierten, nicht im australischen TV auftreten durften… weil sie schlimmer waren, als die Pretty Things oder The Who. The Missing Links ist ein sehr mpfehlenswertes Proto-Punk Album, das vielleicht ein bisschen am primitiven Sound krankt – wenn man das als Nachteil sieht – und das heute schwer zu finden ist. Gitarrist Doug Ford war bald bei den ebenso tollen Master’s Apprentices der Rest der Band verlief sich noch ’66 in alle Richtungen.