1994 – The Obsessed bis Esoteric – Doom und Dooooooom ’94

994 ist ein Jahr, in dem eine Unzahl hervorragender Metal-Alben veröffentlicht werden – verteilt auf alle Nischen des inzwischen in x Varianten aufgefächerten Genres. Hier will ich den Fokus auf das von mir besonders geliebte Sub-Genre Doom richten – das selber in diversen Varianten existiert – und dazu ein paar erklärende Worte schreiben:

Doom-Metal hat seine Wurzeln bei einer einzigen Band – genau genommen bei den fünf Alben, die die Briten Black Sabbath im kurzen Zeitraum zwischen ihrem selbstbetitelten Debüt und Sabbath Bloody Sabbath von ’73 aufnahmen. Danach kam erst mal Nichts…. bis sich Ende der Siebziger vor Allem in den USA ein paar junge Leute aufmachten, ihren Metal ein weiteres Mal zu verlangsamen. Bands wie Saint Vitus, Trouble, Pentagram, The Obsessed oder die Briten Witchfinder General kombinierten den dumpfen und zähen Sound Black Sabbath’s mit Thrash- bzw. Hardcore Elementen, nutzten die wichtigste Erkenntnis des Punk – dass jeder machen kann was er will – und führten Doom aus der Sackgasse, in die Black Sabbath dereinst geraten waren. Schnell kamen mehr und mehr junge Bands darauf, die „Evilness“ und den bedrohlich verlangsamten Sound des Doom in ihren Metal einzubauen. Manche wurden zu beachtlichen Epigonen (siehe Candlemass), andere begannen ab Ende der Achtziger, spätestens mit dem Siegeszug des Death Metal zu Beginn der Neunziger – ihren Black Sabbath-Sound um gegrowlte Vocals, härtere Gitarren, noch finsterere Themen zu erweitern. (…Was man dann Death Doom Metal nennen darf, wenn man eine Bezeichnung braucht…) Im Jahre ’94 gibt es – u.a. dank des Doom-affinen Labels Hellhound Records aus Deutschland – einige hervorragende Alben von etwas traditionelleren Bands wie The Obsessed, Unorthodox oder Wretched, die sich aber weit genug aus dem Schatten der Meisterwerke Black Sabbath’s heraus bewegen (und damit zunächst traurig erfolglos bleiben…). Und es gibt Death Metal Bands, die ihre Musik in dunklen Farben tönen (Asphyx, Unholy), Bands, die die Verlangsamung der Rhythmik und Melodie zu bislang ungehörten Extremen treiben (Esoteric, Thergothon) und es gibt mit Buzzoven oder Grief eigenständige Beispiele für die Paarung von Hardcore und Doom (…Die bald den Genre-Begriff „Sludge“ aufgestempelt bekommen…) Das Jahr 1994 bietet eine so breite Palette an Doom-beeinflussten Alben von hoher Qualität, dass es mir geeignet erscheint, explizit auf dieses Genre hinzuweisen. Aber: Doom bleibt eine Sache für ein paar Liebhaber, es erfährt nie den Hype, den Death oder Thrash erlebt haben. Und freilich gibt es in den Jahren davor und danach etliche weitere „Klassiker“ des Genres. Daher am Ende die unvermeidliche Liste mit den zehn besten Alben dieser Art musikalischer Aggressivität in Zeitlupe.

Eine „doomy“ Playlist – leider ohne Wretched. Da folge dem Link…

Obsessed
The Church Within

(Hellhound, 1994)

The Obsessed – und vor Allem ihr Gitarrist und Sänger Scott “Wino” Weinrich – gehören (genau wie Pentagram) zu den Veteranen der Doom-Szene – und dass diese Musik Mitte der Neunziger ein kleines Revival erlebt, liegt einerseits an seinem/ihrem sturen Durchhaltevermögen, es liegt aber auch daran, dass der traditionelle, stark an Black Sabbath angelehnten Sound inzwischen auf diese oder jene Weise modernisiert wird. Weinrich hatte The Obsessed 1976 gegründet, hatte in all den Jahren Glaubwürdigkeit bewiesen, indem er sich nie von seiner Musik entfernte, hatte zwischendurch The Obsessed wegen mangelnden Erfolgs aufgelöst, war bei den artverwandten Saint Vitus (… DER Doom Band beim Hardcore Label SST…) als Sänger und Gitarrist eingestiegen. Die hatten mit dem Gitarristen und Songwriter Dave Chandler einen ähnlich kompromisslosen Kreativkopf an Bord, dem Wino wohl zu dominant wurde, so dass Weinrich bei Saint Vitus aussteigen musste und 1990 The Obsessed wiederbelebte. Nun fand er mit dem deutschen Spezialisten-Label Hellhound Records eine Heimat, die ihn mit The Church Within nun schon sein drittes Album machen ließ. Das Debüt The Obsessed war noch eine Ansammlung alter Tracks aus den Siebzigern gewesen, der ’91er Nachfolger Lunar Womb hatte schon darauf hingewiesen, dass Doom a la The Obsessed die ausgetretenen Pfade verließ. Mit The Church Within machten Weinrich und seine Band ihr bestes Album – und eines der besten traditionellen Doom Alben überhaupt. Der Sound ist klarer als auf alten Sabbath-Alben, die Songs rollen mitunter so un-doomig rasant voran wie Bulldozer, sind deutlich von Hardcore und Punk beeinflusst, haben dazu einen finsteren Psychedelik-Touch. Weinrich’s no fun Stimme ist kraftvoll und weit genug von Ozzy Osbourne entfernt und das Songmaterial zeigt, dass er sich bei Saint Vitus eindeutig unter Wert hatte verkaufen müssen. „Neatz Brigade“ stürmt unaufhaltsam voran und hat ein abgedrehtes Gitarrensolo, das nachfolgende „A World Apart“ ist reiner Hardcore in blauem Doom-Dunst, „Touch of Everything“ hat die Ohrwurm-Qualitäten der besten Black Sabbath Tracks – und der Rest des Albums fällt nicht ab. Aber… trotz aller Klasse blieb der breite Erfolg aus, Wino löste die Band im kommenden Jahr frustriert auf und stürzte in die Obdachlosigkeit und in tiefe Depressionen. Aber in den folgenden Jahren berappelte er sich mit Hilfe von Freunden und mit diversen Projekten wieder, spielte in Bands wie Hidden Hand und Spirit Caravan und reformierte 2016 The Obsessed, um ein weiteres hervorragendes Album zu machen. Der Sound freilich bleibt bei all diesen Alben/Bands der Gleiche. Will man einen „anderen“ Wino hören, so sollte man sein hervorragendes Solo-Album Adrift (2010) oder die Kollaboration Songs of Townes Van Zandt mit Neurosis‘ Steve Von Till und Scott Kelly anhören.

Pentagram
Be Forewarned

(Peaceville, 1994)

Die Band Pentagram um den Sänger und Songwriter Bobby Liebling existiert in dieser oder jener Form sogar schon seit 1971, hat etliche Besetzungswechsel, Auflösungen und Neugründungen – und seit Mitte der Achtziger auch zwei hervorragende Alben – hinter sich. Sie sind – ähnlich wie The Obsessed, mit denen sie übrigens auch diverse Bandmitglieder teilen – auf die “kultige” Weise obskur, die im Laufe der Zeit zum Legenden-Status und zum Einfluss auf Adepten und Bewunderer führen wird. Aber sie haben eben auch Pech mit Labels und Managern und mit Drogengeschichten, was den ganz großen Erfolg verhindert. Seit Beginn der Neunziger ist immerhin eine gewisse Konstanz eingekehrt, weil das respektable Death Metal Label Peaceville die Band unter Vertrag nahm, um das Debüt und den ’87er Underground-Doom-Klassiker Day of Reckoning wiederzuveröffentlichen. Liebling hatte daraufhin die Band reformiert und kam mit frischem Material und diesem – Pentagram’s bestem – Album in eine erblühende Szene. Die sieben Jahre seit dem ersten Erscheinen des Vorgängeralbums hatte Liebling zum verfassen einiger wirklich gelungener Doom-Kracher genutzt. In Songs wie “Too Late“, „The World Will Love Again“ (ein Doom Meisterwerk) und „Life’s Blood“ wird feines Songwriting mit krachender Heavyness zelebriert, Die Einflüsse von Bands wie Groundhogs oder Blue Cheer bleiben hörbar, aber der Black Sabbath Touch, den Liebhaber dieser Art von Musik brauchen, findet sich an allen Ecken – von Victor Griffin’s Iommi-Gitarrenspiel bis zu Lieblings hervorragendem Gesangs-Styling. Aber: Inzwischen hörte man ihm seinen exzessiven Lebensstil und Drogenmissbrauch auch an, und auch mit der Songwriter Kunst ging es ab hier bergab. Auf Be Forewarned wird u.a. mit „Petrified“ ein Song aus der Vergangenheit der Band re-recorded. Dennoch – oder vielleicht auch, weil diese Neuaufnahmen so gelungen waren – Be Forewarned ist eines der ganz großen Doom Alben, das gleichberechtigt neben The Church Within steht. Der Niedergang Bobby Lieblings und die Geschichte seiner Band ist übrigens in der hervorragenden Dokumentation Last Days Here von 2011 teils recht drastisch wiedergegeben: Man sieht, wie der crack-süchtige und körperlich gebrochene Bobby Liebling, von seinem Fan und Manager wieder ins Leben geholt wird, und wie er beim Revival seiner Band und seiner Musik wieder halbwegs zu Kräften kommt und lernt die Geschichte seiner Band und Musik kennen. Sehr sehenswert – so wie die Musik etlicher Pentagram-Alben hörenswert ist…

Wretched
Psychosomatic Medicine

(Hellhound, 1994)

Seit Ende der Achtziger hatte das kleine Berliner Label Hellhound Records sich mit den Signings und Veröffentlichungen diverser Bands der Doom-Szene einen Namen gemacht. Ex SST Doom Flagschiff Saint Vitus waren bei ihnen gelandet und diverse junge Bands aus der Doom-Szene im Bundesstaat Maryland rund um die Veteranen von The Obsessed (siehe oben) veröffentlichten ihre Musik in Europa bei diesem Label (In den USA übernahm Noise International das Programm…). Zwei Bands aus dieser Riege sind Unorthodox und Wretched – andere wie Iron Man und Lost Breed hatten ’94 auch bei Hellhound veröffentlicht, sind aber meiner Meinung nach weniger spannend und andere hervorragende Bands wie Count Raven oder Revelation kommen in anderen Artikeln (und Beschreibungen – siehe 1993…) zu ihrem Recht. Wretched hatten 1993 mit Life Out There ein wunderbares Debüt hingelegt, das schon auf dem CD-Cover den deutlichen Psychedelic Touch erkennbar machte. Aber Touren kam mangels Beziehúngen und Geld nicht in Frage, also gingen sie schnell wieder ins Studio und nahmen dieses zweite, noch besseren Album auf. Auch Psychosomatic Medicine ist ein psychedelisches Doom-Album, auch hier sind Sabbath auch Bands wie Hawkwind oder Blue Cheer als Vorbilder erkennbar – und Wretched haben es vielleicht nicht beabsichtigt – aber sie klingen massiv nach ihren Kollegen Alice in Chains und sie bekommen durch die Hardcore-beeinflussten Shouts von David Sherman eine zusätzliche Facette in ihrem Psychedelic-Doom Sound. Man kann das natürlich auch als Unentschiedenheit interpretieren, aber Wretched hatten Zeit ihrer Existenz meiner Meinung nach immer wieder interessante Songs mit seltsam schrägen Harmonien (“Define Why”) und Up-Tempo-Passagen, die eine gewisse Abwechslung mitbrachten. Ein schönes Album, das wohl zwischen zu vielen Stühlen sitzt, als dass es wirklich erfolgreich hätte werden können, genau wie bei den Label-Kollegen und Freunde von…..

Unorthodox
Balance of Power

(Hellhound, 1994)

…Unorthodox, die die selben Probleme hatten – kein Geld und wenig Support außerhalb der Szene im eigenen Bundesstaat Maryland. Die nahmen dann auch schnell ein zweites Album auf… Auf Balance of Power kreist alles um Bandkopf, Gitarrist und Sänger Dale Flood, um sein intelligentes und stilsicheres Gitarrenspiel und seine nur bedingt „doomigen“ Songs. Flood und seine beiden Begleiter, Bassist Josh Hart, und Drummer Ronnie Kalimon hatten seit Mitte der Achtziger unter den Namen Asylum und Obstination ihre Musik entwickelt, hatten inzwischen einen recht eigenständigen Sound und klingen auf Balance of Power noch psychedelischer und abgedrehter als ihre Kollegen von Wretched, Flood’s Stimme erinnert an die von Wino (von The Obsessed), und die teils recht langen Songs haben eine fast progressive, an King Crimson erinnernde Anmutung. Gemeinsam haben Wretched und Unorthodoxaber aber eben auch die „Heavyness“, die sie für jeden Doom-Liebhaber interessant macht. Balance of Power ist das bessere, weil abwechslungsreichere Album dieser Band, aber Unorthodox gingen 1996 gemeinsam mit Hellhound unter. Dale Flood blieb allerdings aktiv, spielte mit Ex-Kollegen weiter und 2008 wurde ein neues Album veröffentlicht. Wretched machten ’90 mit Center of the Universe eines der letzten Alben von Hellhound Rec. – und in den 00er Jahren wurden etliche Alben dieses Labels von diversen namhaften Metal Labels (Southern Lord, Cyclone Empire…) wieder veröffentlicht.

Penance
Parallel Corners

(Century Media, 1994)

Noch so eine Bande von Überzeugungstätern: Die US-Doomster Penance entstanden ’89 aus der Asche der semi-legendären Doom-Band Dream Death (deren ’87er Album Journey Into Mystery ein famoses, aber obskures Dokument für die Stabilität von Doom ist…). Als einer der Gitarristen verloren ging, bennanten sie sich in Penance um, holten einen neuen Gitarristen dazu, nahmen ’92 das schön laaangsame Album The Road Less Travelled auf, tauschten nochmal ein bisschen Personal aus und veröffentlichten ’94 mit Parallel Corners ein bekifftes Meisterwerk. Dass aus alten Tagen nur noch Drummer Mike Smail und Gitarrist und Haupt-Songwriter Terry Weston dabei waren, soll erwähnt sein, ist aber letztlich bloße Personalie… Schön hingegen war, wie sich Penance ohne jede Anbiederung an aktuelle Trends im „Metal“ allgemein anschmiegten. Schon Dream Death waren ’87 durchaus nah am Death Metal. Nun hatten sie was vom Stoner Metal mitbekommen. Wohlgemerkt! Auf Parallel Corners wurde nichts imitiert. Dazu war diese Band zu erfahren, zu klug und zu wenig erfolgreich. Die machten ihre Musik nicht, um reich und berühmt zu werden (unterstelle ich…) sondern aus Liebe zum Metal. Oder Anders: Der Doom hier hat Black Sabbath-artig schnell voranstolpernde Passagen. Da reicht als Beispiel schon der Opener „Words Not Deeds“. Und zugleich wird der Vergleich mit den Ur-Vätern des Doom durch elaborierte Wah-Wah Gitarren-Soli und die bärbeißige Stimme von Lee Smith vermieden. Wenn ich einen Vergleich heranziehen wollte, wären es eher Cathedral, deren psychedelischen Nebel auch Penance hier erzeugten. Dazu kommen labyrinthische, aber zugleich melodisch kluge Songs wie das 8-minütige „Born to Suffer“ (sic!). Und vor Allem eine beeindruckende Heavyness…Gegen Penance klingen die vier zuvor beschriebenen Alben tatsächlich eher soft. Penance waren Könner auf ihrem Gebiet… und blieben traurig unbekannt. Immerhin hat Mike Smail auch bei Cathedral mitgemacht.

Solitude Aeturnus
Through the Darkest Hour

(Pavement, 1994)

Die US Amerikaner Solitude Aeturnus sind ebenfalls schon fast Veteranen des Doom. Die Band wurde 1987 vom Gitarristen John Perez gegründet, der sich zuvor bei diversen Thrash-Bands einen Namen gemacht hatte, sich aber vom Schneller, Härter, Aggressiver des Thrash gelangweilt fühlte und seine Vorbilder eher bei Black Sabbath und Saint Vitus sah. Mit Robert Lowe wurde nach einem Demo und diversen Konzerten ein passender Sänger gefunden, Perez rekrutierte aus anderen Thrash-Bands Drummer und Bassist und ab ’91 wurden mit Into the Depths of Sorrow und Beyond the Crimson Horizon zwei Alben veröffentlicht, die zwar wenig Geld, aber Ruhm und Ehre einbrachten. Für das dritte Album gingen sie nach England und ließen sich erstmals eine wirklich saubere Produktion zukommen. Solitude Aeturnus spielen auf Through the Darkest Hour einen melodischen, mitunter melodramatisch anmutenden traditionellen Doom-Metal, der von Lowe’s klarer Stimme getragen wird, der aber vor Allem von John Perez‘ dramatischen, wenig puristischen Songs profitiert. Perez ist natürlich ein sehr guter Gitarrist, aber alles Handwerk wäre nutzlos, wenn das Album nicht so abwechslungsreich wäre. Man mag die Theatralik von Lowe’s Stimme bemängeln, die pathetischen Lyrics, aber die Songs sind fast durchweg ohne Fehl. Sehr heavy, dazu wie gesagt ungewohnt melodisch, mal mit ruhigeren Passagen (“Pawns of Anger”), mal massiv wie Felsbrocken (Opener “Falling“ und das folgende „Haunting the Obscure“). Mit diesem Album öffneten sie sich einem anderen Publikum, aber der ganz große Erfolg blieb auch bei ihnen aus. Sie gingen in den USA mit den ähnlich theatralischen, aber weit berühmteren Mercyful Fate und in Europa mit der Hellhound-Band Revelation auf Tour, aber bis zum nächsten Album vergingen dann wieder zwei Jahre ohne Aktivität. Dennoch: Solitude Aeturnus existieren im On/Off Modus bis heute und haben Mitte der 00er Jahre mit Alone ein weiteres sehr gelungenes Album veröffentlicht. Traditioneller Doom – denn das spielen die fünf bis hier vorgestellten Bands – mag nie ganz angesagt sein, aber er ist andereseits auch irgendwie zeitlos und es gibt bis heute immer wieder große Alben von Bands, die inzwischen einige Dekaden alt sind.

Anathema
The Silent Enigma

(Peaceville, 1994)

Auch unter Doom-Bands gibt es in den entsprechenden Fan-Zirkeln die beliebte Kategorie der „Besten…xxx Bands“. Und so wurden beim britischen (Doom-) Spezialisten-Label Peaceville die Peaceville-Three ernannt: My Dying Bride, Paradise Lost und Anathema. My Dying Bride blieben lange dem „Death-Doom“ verpflichtet, hatten einen eigenen Stil, aber uferten nur langsam über dessen Grenzen aus. Paradise Lost wandten sich nach zwei ebenfalls hervorragenden, eigenständigen Death-Doom-Alben dem Gothic zu (und wurden IMO uninteressanter), aber den weitesten Weg aus düsteren Gefilden wanderten die Liverpoodlians Anathema. Nach einem wenig beeindruckenden Debüt (Serenades von ’93) wandten sie sich schon bei ihrem zweiten Album hin zu Pink Floyd-/Alternative Rock-Klängen. Wobei – The Silent Enigma ist noch deutlich Metal, hat noch die Schwere des Doom (…steht deswegen hier…). Aber es ist erkennbar ein Album des Überganges und gerade die sind oft interessant. Vincent Cavanagh’s Growls und Daniel Cavanagh’s krachende Riffs sind DOOOOM. Aber die Passagen, in denen atmosphärische Sounds etwas Sonnenlicht in das Unwetter bringen, sind hervorzuheben. Dass sie vor den Aufnahmen in Newcastle erst zwei Songs fertig hatten, dass ihr bisheriger Growler Darren White die Band verlassen hatte, bemerkt man dabei kaum. Für manche Passagen wäre er womöglich nicht geeignet gewesen, aber die Band war in einem Veränderungs-Flow, den sie über einige Jahre beibehielten, der sie letztlich aus dem Genre „Doom“ und dann „Metal“ herausbefördern würde. Und Cavanagh’s Art „verständlich“ zu growlen, passt perfekt auf den Pfad, den Anathema hier einschlugen. Immerhin – die Riffs, die Passagen, in denen die Kraft hervorbirst sind noch eindeutig in der Mehrzahl. Der Opener „Restless Oblivion“ beginnt mit Synth-Schwaden, donnert dann aber im Doom-Schneckentempo voran. Und ruhige Passagen – teils mit Spoken Word Einlagen – sind in jedem Song zu finden, erzeugen Dynamik und Dramatik – eine Dramatik, die manchmal etwas zu nah am Theater ist – aber, auch das wurde zum Stilmerkmal, das man lieben oder hassen konnte. Und bei „Sunset of the Age“ oder vor Allem beim auf acht Minuten zerdehnten „A Dying Wish“ passte Alles zusammen. Doom und psychedelischer Progressive Rock. Anathema wurden für manche Metaller später uninteressant, aber The Silent Enigma ist noch immer ein mächtiges Doom-Album. Ihr „Meisterwerk“ Alternative 4 von ’98 sollte man einfach nicht mehr als Metal-Album hören…

Buzzov•en
Sore

(Roadrunner, 1994)

Die sind nicht sehr angenehm – und dazu dürften etliche Spezialisten Buzzov•en nicht als Doom-Band gelten lassen. In der Tat haben sie ihre Wurzeln wohl im Hardcore und im Noise-Rock, sie sind Wegbereiter des Sludge, der verlangsamten Form des Hardcore, und verglichen werden sie immer wieder mit Bands wie EyeHateGod und Crowbar, aber ich kann mir vorstellen, dass weniger konservative Doom Verehrer Sore von Buzzov•en toll finden könnten. Gitarrist und Sänger Kirk Fisher ist alleiniger Herrscher des Quartetts aus Richmond, er hatte die Band diverse Male vor die Wand fahren lassen, hatte sich in seiner früheren Heimatstadt Charlotte mit aggressiv-selbst-zerstörerischen Konzerten/ Prügeleien mit Publikum und Veranstaltern einen “Ruf” erarbeitet – aber er hatte nun – mit dem zweiten Album nach einem weniger extremen Debüt – ein Konzept incl. Sound gefunden, das trotz aller Vergleiche mit anderen Bands doch eigenständig genug war. Buzzov•en klingen nicht dramatisch oder depressiv, sie klingen angepisst, druggy und suizidal, die hässlichen Riffs werden mit verstörenden Samples, Klangcollagen und Noise-Ausbrüchen aufgehübscht, das Tempo ist schleppend bis stolpernd, die Musik auf Sore ist somit gewiss kein traditioneller “Doom” – aber was nach den hier oben reviewten Alben folgt, ist anders als Black Sabbath – und traditioneller Doom ist in dieser Zeit nur noch eine Option für dunkle, harte Musik. Und – wie ich oben schon erwähnt habe – der Bezug zum Hardcore ist auch bei traditioneller ausgerichteten US-Doom Bands überdeutlich. Hier empfiehlt sich der über 9-minütige Titeltrack mit gespenstischen Samples von Folter und Wahnsinn als Intro und thrashigem Riffing oder die beiden kriechenden Tracks “Hollow” und “Blinded”, die einen Doomster weniger erschrecken mögen… Für mich gehört Sore in diesem Regal ganz nach vorne. Dass Buzzov•en danach (und davor) nicht mehr an die Qualität ihres zweiten Albums heranreichen werden, hat sicher mit Kirk Fisher’s Drogenkonsum, seiner erratischen Persönlichkeit –und mit der geringen Bandbreite an Möglichkeiten dieses Sounds zu tun. Wie könnte man nihilistischer klingen?

Grief
Come to Grief

(Century Media, 1994)

Wer nach Sore von Buzzov•en nicht genug hat, kann sich in diesem Jahr am Debüt der Bostoner Grief delektieren. Deren Bezug zum Hardcore bzw. Grindcore ist linear, sie entstehen ’91 aus der Asche der Crust-Punk Band Disrupt und machen auf Come to Grief – dem ersten kompletten Album nach zwei sehr sehr lohnenden EP’s – eben das, was Sludge (…= Schlamm – übrigens…) ausmacht. Sie verlangsamen ihren Punk/ Hardcore, lassen den Gesang in Richtung Death Metal Growls tendieren und erinnern im Gitarren- und Bass-Sound an eine schmutzige Version ihrer Doom Vorbilder. Im Gegensatz zu Buzzov•en bleiben sie meist beim quälend dahinstolpernden Tempo, ihre Texte sind herzergreifend misanthropisch . Zeilen wie „Only one thing comes to mind / When I look into your eyes / I think of all those times / All I did was despise you / I hate you“ und Songtitel wie „World of Hurt“, „I Hate You“ und „Hate Grows Stronger“ beschreiben die Stimmung, die Tracks ziehen sich teils über 9 Minuten, aber irgendwie gelingt es der Band trotzdem, NICHT eintönig zu klingen. Come to Grief ist nihilistisch, depressiv und trauriger als andere Bands, kommt aber ohne jedes Pathos aus. Das Album hatte seinerzeit wenig Erfolg, ist aber inzwischen im Kult-Kanon angelangt und würde heutzutage als aktuelles Album beim krediblen Southern Lord Label gefeiert werden (…die haben tatsächlich 2002 diverse Singles kompiliert…). Um es deutlich zu beschreiben: Come to Grief = Black Sabbath trifft auf Black Flag und die Melvins. Die Band spielt hiernach noch drei weitere gelungene Alben ähnlicher Machart ein, Gitarrist Terry Savastano gründet in den 10er Jahren eine Sludge-Band, die er nach diesem Album benennt – nach einem der Grundsteine des Doom/Hardcore Bastards Sludge. Und Doom hat inzwischen viele Kinder. Da sind auch Bands, die so etwas spielen wie Death-Doom – Bands wie die Holländer Asphyx etwa….

Asphyx
s/t

(Century Media, 1994)

Hier und jetzt zwei Alben, die auch in der langen Reihe der gelungenen Death Metal Veröffentlichungen des Jahres ’94 einen Platz haben könnten – die aber so stark von Doom beeinflusst sind, dass ich sie hier empfehle. Die Holländer Asphyx waren von Beginn als Black Sabbath/ Saint Vitus Verehrer erkennbar, aber die Vorgänger-Alben The Rack (’91) und Last One on Earth (’92) sind – vielleicht durch die rohe Produktion – „nur“ klassischer, dunkel dahinkriechender Death Metal. Das dritte, selbst-betitelte Album markiert einen Schwenk in Richtung Death-Doom – in Richtung der Musik, die zu dieser Zeit durch Bands wie Evoken, Disembowelmet oder Esoteric vorgegeben wird. Ihr massiver Sound ist im Herzen immer noch Death Metal, aber nachdem der ehemalige Band-Kopf Martin Van Drunen (b, voc) gleichwertig von Ron van Pol ersetzt wurde, nachdem Gitarrist Eric Daniels sich sowohl als Gitarrist und Songschreiber immer weiter entwickelt hatte, gab es jetzt auch noch eine „fetterer“ Produktion und ein Album, das locker neben dem oben genannten Band-Klassiker Last One on Earth bestehen kann. Da sind Tracks wie „’til Death Do Us Apart“ mit krachenden Doom-Passagen und schnellen Riff-Folgen, die so dröhnen, das die Ohren mitschwingen. Da ist der ‚rausgegrunzte Hass von van Pol, mal stolpern die Drums in großer Hast voran, mal folgt Donnerschlag auf Donnerschlag und die Gitarre ertönt majestätisch. Die meisten Tracks bleiben über der Sechs-Minuten Marke, „Initiation Into the ossuary überschreitet die Neun-Minuten Marke und klingt nach einem Ritual im genannten Beinhaus – stilecht mit Kutten und Fackellicht. Die Atmosphäre, die auf Asphyx geschaffen wird ist 1:1 Funeral Doom, die Mittel mögen aus dem Death Metal kommen, aber was zählt, ist das Ergebnis. Vielleicht, weil sich Asphyx hiermit zwischen die Stühle setzten, vielleicht, weil die bandinternen Wechselspiele an den Nerven zerrten – danach brachen Asphyx auseinander, kamen wieder zusammen, aber brauchten dann ca. 15 Jahre, bis sie wieder zu alter Stärke gelangten.

Unholy
The Second Ring of Power

(Avantgarde, 1994)

Die finnische Band Unholy wiederum steht im Spannungsfeld zwischen Doom, Death und Avantgarde-Metal. Ich weiss nicht, welche andere Band sie beeinflusst haben könnten – sie klingen einzigartig, in ihrer Heimat waren sie mit Thergothon zusammen die Ersten, die ihre Musik in solchem Maße verlangsamten und zugleich um psychedelischen Zierrat ergänzten. Schon ihr erstes Album From the Shadows ist beeindruckend – für den Metal-Fan, der mutig ein bisschen tiefer in den Abgrund blicken will, der halluzinogene Stoffe zu sich nimmt, um explizit einen üblen Trip zu genießen. Auf The Second Ring of Power gingen die Musiker noch ein paar Schritte weiter als auf ihrem Debüt. Was zuvor auf Improvisation beruht haben mochte, wurde nun konziser – und zugleich finsterer. Dazu kam der verstärkte Einsatz von einsam wimmernden Violinen, Frauengesang (in diesen Kreisen damals noch recht unüblich) und psychedelischer Melodieführung. Bei „Lady Babylon“ singt Vera Muuhli allein zu orientalisch anmutendem Doom, bei „Neverending Day“ gehen Unholy mit dem Tempo fast bis zum Stillstand herunter und Bassist/Sänger Pasi Aijö „singt“ regelrecht im Duett mit Vera Muuhli. Besagter Track würde auf jedes Thergothon Album passen (siehe unten). Selbst das neu aufgenommene „Procession of Black Doom“ – als einer der ältesten Songs der Band – hat mit „normalem“ Doom wenig zu tun. Und das abschließende „Serious Personality Disturbance and Deep Anxiety“ ist dann letzter Beweis dafür, dass die Musiker den schlechten Trip als Mittel zur Inspiration genutzt haben. Aber hier gilt: Das Label Avantgarde wurde seinem Namen nicht wirklich gerecht und zeigte sich mit der mangenden „Kommerzialität der Musik auf The Second Ring of Power unzufrieden. So lösten sich Unholy noch ’94 frustriert auf – kehrten aber ’98 mit einem noch abgedrehteren Album auf dem selben Label zurück. Dies ist eine ungewöhnliche Band, die beweist, dass Doom weit mehr sein kann, als ein noch so gelungener Black Sabbath Rip-Off…. Womit ich beim sog. Funeral Doom angelangt bin:

Was ist das: Funeral Doom?

Kann sein, dass die Menge an guten bis sehr guten Doom-Alben auch damit zu tun hat, dass sich das Genre seit dem Beginn der Neunziger in immer extremere Ecken ausgebreitet hat. Das krasseste Extrem wird dann wohl besagter Funeral Doom – und 1994 ist das Jahr, in dem die ersten regulär veröffentlichten Alben dieser Art hervor krochen. Es gab natürlich zuvor ein paar Demo’s von Acts wie Mordor oder Funeral (und das Album der Australier diSEMBOWELMENT…), aber jetzt trennte sich die Spreu vom Weizen, und ein paar Bands bekamen einen Plattenvertrag. Funeral Doom Alben sind ein Risiko: Die Musik beruht auf Wiederholungen, die Tracks sind ellenlang, ein bis zwei Riffs werden minutenlang wiederholt, der Gesang ist herunter gedrosseltes Death-Metal Growling, das sich mitunter nach langem Rülpsen anhört., Wenn da die Atmosphäre verloren geht und nicht mit anderen Mitteln für etwas Abwechslung gesorgt wird, dann ist so ein 3-4-Track Album mit 60 Minuten Spielzeit kreuz-langweilig. Aber wenn Funeral Doom gelingt (und es gibt seither fast jedes Jahr ein bis zwei Beispiele dafür), dann ist diese Musik markerschütternd beeindruckend. 1994 gibt es mit dem einzigen Album von Thergothon und mit dem ersten offiziellen Album der Funeral Doom-Meister Esoteric mindestens zwei „Klassiker“ ihrer Art.

Thergothon
Stream from the Heavens

(Avantgarde, 1994)

Dass die hier beschriebenen Bands und ihre Musik seinerzeit (…bzw bis heute…) keine so breite Fanbasis fanden wie Metallica, Iron Maiden etc., mag ncht verwundern, wenn man ein Album wie Stream From the Heavens hört. Diese Art Metal war – laut einer Beschreibung, die ich gelesen habe – nur etwas für „seriously demented doom metal customers who are willing to cope with utmost strangeness“. Es hatte – wie weiter oben erwähnt – im Vorjahr das zäh dahinfließende Debüt-Album der Australier diSEMBOWELMENT gegeben, aber das dürften damals nur wenige gehört haben, auch wenn es auf Relapse erschienen ist. Und die Finnen von Thergothon haben schließlich auch eine Vergangenheit: Sie sind 1990 entstanden, haben zunächst relativ „normalen“ Death Metal gespielt, den immer mehr verlangsamt und dann beschlossen, dass sich ihr Kram nicht Live aufführen lässt. Nach einem Demo bekamen sie einen Plattenvertrag und nahmen 1993 Stream from the Heavens auf. Noch im selben Jahr löste die Band sich auf, die Veröffentlichung verzögerte sich bis ins Jahr ’94 und das Album verkaufte sich weltweit zunächst nur ein paar Tausend mal, aber es wurde im Laufe der Zeit zum Kult-Klassiker. Wie gesagt: Diese Art von Metal ist nicht jedermanns Sache. Die Produktion ist primitiv, Thergothon setzen Stilmittel aus Psychedelic, Ambient und progressivem Rock ein, der Gesang von Niko „Skorpio“ Sirkiä wechselt zwischem rülpsenden Death Metal Growls und Passagen, in denen er mit klarer Stimme Rituale murmelt. Dazu kommen monotone Orgel-Sounds, für Funeral Doom seltsam körperlose Gitarren und schleppende Rhythmen. So etwas gab es zuvor nicht, und in der Tat – den „normalen“ Death Metal Fan dürfte diese Musik eher abgeschreckt haben. Aber Stream From the Heavens hat Atmosphäre galore, die Tracks – die für diese Art Musik recht kurz sind – wirken fast statisch, klingen wie metallische Drones. Bestes Beispiel – und am nächsten am Songformat – ist „Who Rides the Astral Wings“, bei dem die hervorgekratzten Vocals gemeinsam mit klarem Gesang seltsam schockierend im Vordergrund stehen. Stream From the Heavens gilt zurecht als Pionier-Tat – und ist zugleich ein ganz einzigartiges, Funeral Doom-Album.

Paramæcium
Exhumed of the Earth

(R.E-X., 1994)

Bei der britischen Band Paramæcium wiederum bin ich mir nicht sicher, ob ein Verfechter der reinen Lehre des Funeral Doom die überhaupt auf seinem Friedhof dulden würde. Ihre Musik ist von Death Metal und Gothic beeinflusst, sie integrieren Violinen und weiblichen Opern- Gesang in ihre Songs, der mich an blasse Frauen in weissen Gewändern im Nebel denken lässt und vor Allem: Ihre Songs haben christlich-religiöse Themen und Lyrics. Andererseits klingen sie mitunter so minimalistisch und hart, dass der Vergleich mit Bands wie Paradise Lost oder Cathedral (die hier auch hin passen würden, wenn sie ’94 ein Album gemacht hätten) nicht ganz passt. Ich finde, Exhumed of the Earth hat mehr mit Esoteric gemein (siehe unten), als mit Asphyx oder The Obsessed – und die christliche Thematik passt angesichts etlicher Brutalitäten in der Bibel ganz gut zu dieser Musik. Der Sound ist viel sauberer als bei Thergothon, viele der enorm langen Songs schwanken zwischen schnellem DM-Passagen und den im Funeral Doom üblichen lang gezogenen Riffs Bassist/Sänger und Bandkopf Andrew Tompkins growlt aus tiefster Kehle und seine christliche Botschaft geht bei dieser Musik (für denjenigen, den das stört) sowieso unter. Ganz nebenbei: Tompkins nannte sich selber im Interview eher interessiert als gläubig. Der Typ ist Anatomie-Professor, arbeitet als Immunologe und Transplantations-Arzt – ist also eher Wissenschaftler als Priester. All das beiseite geschoben ist Exhumed of the Earth auch eines dieser Alben zwischen den Stühlen. Die religiöse Konnotation hat einen noch so kleinen Erfolg vermutlich behindert, dabei sind Tracks wie der über 17-minütige epische Opener „The Unnatural Conception in Two Parts: The Birth and the Massacre of the Innocents“ (der Titel allein…) mit opernhaftem Beginn, krachenden Gitarren und massiv dahinrollender Rifflawine oder das Funeral-Epos „Haemmorhage of Hatred“ abwechslungs- und einfallsreicher Death/Doom, der für Begräbnisse vielleicht zu schnell, aber finster genug ist.

Esoteric
Epistemological Despondency

(Aesthetic Death, 1994)

Und wer Funeral Doom hören will, wie ICH ihn meine, der möge jetzt aufmerken: Esoteric, die britische Band aus Birmingham, gehören wie Thergothon und diSEMBOWELMENT zu den Pionieren dieses Sub-Genres und sie sind (IMO) diejenigen mit dem konsequentesten Sound und dem größten Stilbewusstsein – und nebenbei diejenigen mit den spannendsten Alben. Schon ihr ’93er Demo Esoteric Emotions – The Death Of Ignorance (das diverse Male zu Recht wieder-veröffentlicht wird) zeigt eine Band, die den Doom von Bands wie Cathedral zum absoluten Extrem verlangsamt, regelrecht versteinert hat, und damit irgendwo far out landet. Den Fast-Stillstand zelebrieren die Musiker um Front-Growler Greg Chandler mit äußerster Kraft, in psychedelischen Wolken gehüllt, mit Gitarren, die vor Kraft zu bersten scheinen, dann wieder mit fast warmer Melodik psychedelisch mäandern. Mir gefallen die weit auseinander liegenden Pole bei Esoteric besonders: Der Gesang von Chandler ist ein Knirschen, die Gitarren klingen mal wie Granit-Lawinen, zugleich durchweht diesen minimalistischen Klang eine süße Wolke Marihuana. Das Schwarz-Weiss Mandala Motiv auf dem Cover ihres ersten regulären Albums Epistemological Despondency (…erkenntnis basierte Verzweiflung – wer’s wissen will…) passt hervorragend zur Musik. Sie sind das musikalische Äquivalent zu harten Downern, sie erzeugen eine halluzinogene Atmosphäre, sind im Rausch aber völlig geordnet. Als Beispiel reichen die ersten fünf Minuten des über zwanzig minütigen Openers “Bereft”: Elektronische Störgeräusche wechseln mit verhallten Gitarren, tastenden Drums, uuuultra-langsamem Bass, einer Stimme, die eher knirscht als “growlt”… Hört man unvermittelt in den Track herein, so gibt es nur unheimliche Geräusche – folgt man dem Song, so ist jeder Ton, jedes Geräusch, das sich da tektonisch voranschiebt, klug ausgedacht und notwendig. Dieser Doom ist so weit abstrahiert, dass man Epistemological Despondency durchaus auch anderen Genre’s zuordnen könnte, aber die Gitarrensounds und der “Gesang” weisen auf die Herkunft aus dem extremen Metal. Der in zwei Minuten voranströmende nachfolgende Track “Baresark (Only Hate)” hat bei allem “Tempo” mit Death Metal nichts zu tun, sondern ist genauso misanthropisch und abstrakt, wie das darauf folgende “The Noise of Depression” (sic!). Das komplette Album (Doppel CD/LP) dauert 1 ½ Stunden, die bizarr, depressiv, misanthrop aber eben auch völlig einmalig sind. Die (bislang) fünf nachfolgenden Alben sind genauso gut, der 1997er Nachfolger The Pernicious Enigma gehört für mich über alle Genre’s hinweg zu den besten Alben des Jahres, aber man kann bedenkenlos jeden Ton dieser Band hören – wenn man in den Abgrund schauen will… und wenn man Noise als Genre mag.

10 Best of Doom

Hierbei decke ich mal alle Varianten des Sub-Genre’s Doom ab (also Funeral, Death, Traditional etc…), lasse aber die Urväter des Doom (Black Sabbath antürlich) aussen vor, weil deren erste vier Alben sowieso JEDER kennen sollte. Und natürlich wieder die Bemerkung: Müsste ich die dubiosen zehn Alben in einer Stunde noch einmal benennen, so würde ich mindestens fünf andere finden, die genauso toll sind wie…

Saint Vitus – Saint Vitus (1985) Die haben die Fahne hoch gehalten…

Candlemass – Epicus Doomicus Metallicus (1986) majestätische Traditionalisten aus Schweden

Winter – Into Darkness (1990) Einzigartig zähe Hardcore/Doom Extremisten aus NY

Cathedral – Forest of Equilibrium (1991) Doom vom Ex-Napalm Death Grunzer – sehr eigen…

My Dying Bride – Turn Loose the Swans (1993) Extrem stylishe Death Metal/Doom Meister.

Skepticism – Lead and Aether (1997) Eine der wenigen Alternativen zum Funeral Doom Esoterics

Esoteric – The Pernicious Enigma (1997)) wie hier zuvor beschrieben. Alles von Esoteric ist toll, dies ist noch ein bisschen toller

Electric Wizard – Dopethrone (2000) Wie der Titel schon sagt: Dope Doom

Sleep – Dopesmoker (2003) …und das was Electric Wizard machen noch einmal bekiffter. EIN Riff über 60 Minuten…

Bell Witch – Mirror Reaper (2017) und auch in den 10er Jahren gibt es extremen, eigenständigen Doom.

… und dann will ich…

The Obsessed – The Church Within

Buzzov•en – Sore (beide 1994 – siehe weiter oben)

Harvey Milk – Courtesy and Good Will Toward Men (1996)

Celtic Frost – Monotheist (2006)

diSEMBOWELMENT – Transcendence Into the Peripheral (1993)

…doch NICHT vergessen. Wie gesagt, wenn ich will, kann ich diese Liste auf mindestens fünf Plätzen sofort verändern…